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# taz.de -- Experte über Razzia bei Reichsbürgern: „Ein religiöser QAnon-K…
> Reichsbürger um Johannes M. sendeten Todesdrohungen an Ärzte und
> Behörden. Die Truppe mischt QAnon-Ideologie mit christlichem
> Fundamentalismus.
Bild: Demonstration von Reichsbürger*innen im Oktober 2023 in Dresden
taz: Herr Holnburger, [1][am Donnerstag gab es erneut eine Razzia im
Reichsbürger-Milieu]. Sie beobachten die Szene seit Jahren. Johannes M. und
seine Anhänger*innen sollen mutmaßlich eine kriminelle Vereinigung
gebildet – und unter anderem Behörden-Kommunikation blockiert haben. Wie
muss ich mir das vorstellen?
Josef Holnburger: Das ist schon perfide. Johannes M. ist in der
Reichsbürger-Szene kein Unbekannter und war während der Corona-Pandemie
auch als Impfgegner aktiv. Behörden, aber auch Arztpraxen mussten unter
seinen Anrufen leiden. Er drohte, dass ihnen die Todesstrafe blühe, weil
sie Kinder impften. Vollstreckt würde die Strafe laut M. durch Streitkräfte
der Alliierten, die Deutschland in seinem verschwörungsideologischen
Weltbild noch besetzt hielten. M. hat Mitschnitte der Gespräche samt
Telefonnummern auf seinen Kanälen auf der Social-Media-Plattform Telegram
veröffentlicht und damit seine Anhänger*innen zur Nachahmung animiert.
Wie gefährlich ist das?
Solcher Psychoterror ist nicht zu unterschätzen. Wir müssen uns
vergegenwärtigen, dass es schon zu [2][Suiziden bei Ärzten kam] und
Querdenker*innen gewalttätig wurden. Johannes M. verbreitete Aufrufe
zur Gewalt, bei denen immer droht, [3][dass irgendwer sie in die Tat
umsetzt]. Er hat notorisch Todesdrohungen, Beleidigungen und Verleumdungen
ausgesprochen. Polizisten hielt er für eine Söldnertruppe, die
standrechtlich erschossen gehörte.
Seit wann sind M. und seine Truppe aktiv?
Johannes M. macht das seit Oktober 2020. Die Durchsuchungen beziehen sich
möglicherweise auf einen Vorfall im Herbst 2021. Leider zeigt das, wie
lange die Justiz braucht, um sowas zu unterbinden. Dabei kam es jetzt zu
einer Veränderung.
Inwiefern?
Erstmals traf es seine Anhänger*innen. Auch gegen diejenigen zu ermitteln,
die seine Nachrichten verbreiten und seinen Telefonterror nachahmen, halte
ich für sinnvoll.
Die Kanäle und Nachrichten von Johannes M. sind durchzogen von
Verschwörungswahn, von Antisemitismus und dem Gerede von Todesurteilen, die
die alliierten „Besatzungstruppen“ angeblich vollstrecken würden.
Gleichzeitig finden sich Engelsbildchen, biblische Motive und
Gebetssprüche. Wie passt das zusammen?
Johannes M. verweist stark auf die QAnon-Ideologie und gerade dabei ist
eine Verbindung zu neu-evangelikalem Fundamentalismus als Phänomen vor
allem in den USA durchaus bekannt.
… die QAnon-Ideologie geht zurück auf Forumsbeiträge eines anonymen
Verfassers „Q“, [4][einen Trump-Anhänger, der antisemitisch grundierte
Verschwörungsmythen] verpackt als „geheimes Insiderwissen“ verbreitete.
Johannes M. hält sich auch selbst für einen Propheten und interpretiert
beispielsweise immer wieder die kryptischen Beiträge von „Q“. In letzter
Zeit hat er sich sogar mit Jesus verglichen. Er wirkt stark narzisstisch,
wie jemand, der glaubt, außer ihm habe niemand einen Durchblick. Deshalb
hat er sich auch in der Reichsbürger- und Querdenker-Szene mit anderen
zerstritten. Es kam immer wieder zu Abspaltungen.
Wie groß ist aktuell der Kreis um Johannes M.?
Ich schätze, es gibt eine dreistellige Anzahl an Leuten, die er als harten
Kern um sich geschart hat. Sie reisen für ihn auch quer durch die Republik.
Bei früheren Verhaftungen kamen einmal 20, einmal über 50 Leute, um ihn zu
unterstützen. Es sind auffällig viele Frauen, die ihm anhängen.
Ein Sex-Kult?
Das wohl nicht, aber es hat etwas sektenartiges. Es ist ein religiöser
QAnon-Kult.
Zeitweise hatte M. auf der Plattform Telegram sogar mehrere Zehntausend
LeserInnen …
In seiner aktuell aktiven Telegram-Gruppe sind derzeit über 2.000
Mitglieder. Sie zähle ich zu seinem erweiterten Kreis. Seinem Hauptkanal
folgten in der Spitze rund 50.000 Accounts, die täglich seine Nachrichten
auf ihr Smartphone zugeschickt bekamen. Im September 2021 mischte sich
sogar Pawel Durow persönlich ein, der russische Entwickler der Plattform
Telegram. Er verkündete, dass er den deutschen Kanal habe sperren lassen,
weil es darin Aufrufe zur Gewalt gäbe und Telegram das nicht toleriere.
Wird Telegram nicht vorgeworfen, sich als Plattform um eine Moderation
problematischer Inhalte eigentlich kaum zu scheren?
Nun, am Tag der Sperrung hatte Johannes M. bereits einen Nachfolge-Kanal
erstellt, der schnell wieder über 30.000 Follower hatte. Telegram hätte das
nachverfolgen können, hat es aber nicht. Die Plattform wurde auch wegen des
Rufs, kaum moderierend einzugreifen, seit 2019 in Deutschland populärer und
gewann für die Querdenker-Szene während der Corona-Pandemie an Bedeutung.
Kanäle zu wechseln, war hier eine der geübten Strategien. So machte es auch
Johannes M.
Warum veröffentlicht er in letzter Zeit nicht mehr selbst?
Johannes M. trickst damit seine Frau aus, so hat er es selbst formuliert.
Nach den vergangenen Verhaftungen hatte er ihr versprochen, nicht mehr auf
seinen Kanälen zu schreiben. Jetzt schickt er stattdessen Sprachnachrichten
an Helfer*innen, die diese dann veröffentlichen.
24 Nov 2023
## LINKS
[1] /Bundesweite-Razzien-gegen-Rechtsextreme/!5974974
[2] /Nach-Suizid-von-bedrohter-Aerztin/!5867658
[3] /Prozess-zu-Toetung-in-Idar-Oberstein/!5842633
[4] /QAnon-Bewegung-in-der-Pandemie/!5792201
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
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