| # taz.de -- Rechtsextreme Vereinigung Combat 18: „Nicht quatschen. Handeln!“ | |
| > Die Nazis von Combat 18 klagen gegen ihr Verbot. Behörden können indes | |
| > belegen, dass die Gruppe straff organisiert war und mit Hassmusik | |
| > handelte. | |
| Bild: Szene vom Jahresanfang: Nach dem Combat-18-Verbot durchsuchte die Polizei… | |
| Berlin taz | Es dürfte eine sehr eigenwillige Zusammenkunft werden. Denn | |
| demnächst werden sich die Rechtsextremen von Combat 18 mit dem | |
| Bundesinnenministerium in Leipzig treffen, in einem Verhandlungssaal des | |
| Bundesverwaltungsgerichts. Ausgerechnet diejenigen, die diesen Rechtsstaat | |
| so verachten, bitten ebenjenen nun um Hilfe, um das Verbot ihrer | |
| [1][Neonazigruppe] wieder zu kippen. | |
| [2][Im Januar] hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Combat 18 | |
| verboten – als Zeichen der Härte nach den Anschlägen in Halle und auf den | |
| Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Das Verbot sende „eine klare | |
| Botschaft“, verkündete Seehofer: „Rechtsextremismus und Antisemitismus | |
| haben in unserer Gesellschaft keinen Platz.“ Aber die Frage war schon | |
| damals: Warum kam das Verbot erst jetzt, nach jahrelang ungehindertem | |
| Wirken von Combat 18? Und: Wurde hier wirklich die ganze Gruppe | |
| ausgeschaltet? | |
| Es sind Fragen, die sich umso lauter stellen, wenn man die Verbotsverfügung | |
| des Bundesinnenministeriums gegen Combat 18 liest, die die taz einsehen | |
| konnte – und über die nun demnächst vor dem Bundesverwaltungsgericht | |
| verhandelt wird, nachdem die Neonazis dort Ende Februar überraschend Klage | |
| eingereicht hatten. | |
| Die Sicherheitsbehörden taten Combat 18 jedenfalls lange als „Maulhelden“ | |
| ab: Die Gruppe agiere sehr bedeckt, tatsächliche Aktivitäten gebe es kaum, | |
| Straftaten seien nicht nachzuweisen. Dabei sammelte Combat 18 bereits seit | |
| 2014 Mitgliedsbeiträge auf einem Konto der Sparkasse Kassel ein, wie nun | |
| auch die Verbotsverfügung festhält. Und im selben Jahr wurde die Gruppe | |
| bereits mit anderen Rechtsextremen auf einem Schießstand im | |
| niederländischen Baexem festgestellt – in voller Combat-18-Montur. Zudem | |
| liegen den Behörden Chatnachrichten der Gruppenanführer aus mindestens den | |
| vergangenen zwei Jahren vor. Sie waren also im Bilde. | |
| ## Ein Brieffreund von Beate Zschäpe | |
| Klar wurde dabei, dass das deutsche Combat 18 straff organisiert war. | |
| Tonangebend waren vor allem drei Männer: Anführer Stanley R., langjähriger | |
| Neonazi aus Kassel, der sich auch mit dem Lübcke-Mordverdächtigen | |
| [3][Stephan Ernst] umgab und zuletzt nach Thüringen übersiedelte. „Wenn ich | |
| merke, man stellt sich über mich, werde ich komisch“, stellte er intern | |
| klar. | |
| Dazu Keven L., sein Stellvertreter, ebenfalls ein Thüringer, der sich | |
| früher bei der neonazistischen Splitterpartei Die Rechte engagierte. Und | |
| Robin S. aus Castrop-Rauxel, ein einstiger Brieffreund Beate Zschäpes, der | |
| lange Jahre in Haft saß, weil er bei einem Überfall einen Migranten | |
| niederschoss. | |
| Dieses Trio scharte laut Innenministerium nur vier weitere „Vollmitglieder“ | |
| um sich, die auch Sektionen in den Bundesländern anführten. Die anderen | |
| Anhänger, angeblich nur gut 20, firmierten als „Supporter“. Zuvor erfolgte | |
| eine Aufnahmeprüfung: Beantwortet werden musste dort etwa, wo der | |
| Geburtsort des Combat-18-Gründers liegt, wann der Hitler-Stellvertreter | |
| Rudolf Heß „ermordet“ wurde oder wer Kommandeur der Leibstandarte „Adolf | |
| Hitler“ war. | |
| Für Neuanhänger galt eine halbjährige Probezeit, monatlich waren zuletzt 20 | |
| Euro in die Gruppenkasse zu zahlen. Die Einnahmen sollten für Konzerte oder | |
| als „Notfallgeld“ genutzt werden, etwa im Fall der Inhaftierung eines | |
| „Bruders“. | |
| ## „Absolute Verschwiegenheit“ | |
| Auch ein festes Regelwerk existierte: Gruppenkleidung bei Auswärtsfahrten, | |
| keine Aktivitäten in sozialen Netzwerken, monatliche Pflichttreffen der | |
| Sektionen, alle Vierteljahre zudem ein überregionales, dort mit | |
| Alkoholverbot. Auch mehrstündige Fußmärsche wurden geplant, in denen Robin | |
| S. „militärischen Drill bis zur Erschöpfung“ einforderte. Vor allem aber | |
| galt: „absolute Verschwiegenheit“. | |
| So bedeckt, wie Combat 18 sich nach außen hielt, so klar war intern, mit | |
| welcher Strategie die Gruppe in die Szene wirkte: über das Aufstacheln mit | |
| rechtsextremer Musik. Ganz so, wie es auch die britischen Gründer von | |
| Combat 18 seit den neunziger Jahren praktizieren, deren Anführer William | |
| Browning selbst Sänger einer Rechtsrockband ist. Zu ihm hielt auch der | |
| deutsche Ableger direkten Kontakt, allen voran Robin S. | |
| Und auch hierzulande fokussierte sich Combat 18 auf das Organisieren von | |
| Konzerten, vor allem aber auf den Vertrieb rechtsextremer CDs. Die Musik | |
| sei das „primäre Propagandamaterial“ von Combat 18, konstatiert das | |
| Innenministerium. Die Aktivitäten erstreckten sich hier „europaweit“. | |
| So stießen Ermittler, als sie Ende 2018 die Wohnung von Stanley R. | |
| durchsuchten, auf stapelweise rechtsextreme CDs, die zum Weiterverkauf | |
| vorgesehen waren, ebenso auf eine Verkaufsliste. Offenbar hatte der | |
| Mittvierziger über Jahre einen Handel mit Rechtsrockmusik aufgebaut. Mal | |
| pries Stanley R. in Chats „Neuware“ an, dann schrieb er, er habe 400 CDs, | |
| „die an den Mann müssen“. | |
| ## Hassmusik fürs Weihnachtsgeschäft | |
| Auch zwei eigene Combat-18-CDs organisierte Stanley R. maßgeblich. Von | |
| einer namens „Eichenlaub“ fanden Ermittler bei ihm zu Hause 164 Stück. Das | |
| Cover mit Militärs in NS-Optik und dem Combat-18-Emblem präsentierte R. | |
| intern als „gewagt“. Sein Vize Keven L. antwortete: „Ist genial so. Wenn | |
| nicht wir, wer sonst.“ Eine zweite Gruppen-CD zeigte auch ein Hakenkreuz | |
| auf dem Cover. | |
| An dieser Scheibe soll sich Stanley R. die Rechte gesichert und den Kontakt | |
| zu einem ungarischen Produzenten hergestellt haben. In elf Songs hetzen | |
| darauf Szenebands gegen Juden und Schwarze, leugnen den Holocaust. „Hail to | |
| Combat 18, hail to the terrormachine“, heißt es in einem Lied. Es war jene | |
| CD, die Stanley R. die Razzia einbrachte. 800 Exemplare hiervon | |
| beschlagnahmten die Ermittler. Combat 18 hatte sie für das | |
| „Weihnachtsgeschäft“ vorgesehen. | |
| Auf dieser Grundlage erstaunt es, dass das Innenministerium noch im Juni | |
| 2019 erklärte, politisch motivierte Straftaten von Combat 18 seien nicht | |
| bekannt. In der Verbotsverfügung ist nun von klarer Volksverhetzung durch | |
| die vertriebenen CDs die Rede. Zudem traf sich die Gruppe eben auch zum | |
| Schießtraining. Bei einem, 2017 im tschechischen Cheb, stoppte sie danach | |
| die Polizei, fand Patronen und Gewehrmunition. Stanley R. und ein | |
| Mitbeschuldigter wurden zu einer Geld- und Bewährungsstrafe verurteilt. | |
| Keine Straftaten? | |
| Zudem befeuerte die Gruppe nicht nur durch ihre Musik Gewalt. In einer | |
| Chatnachricht behauptete Robin S. nach einem Neonaziaufmarsch in Dortmund, | |
| er habe „einem Linken ’ne Glas Flasche übern Kopf gezogen“ und einen | |
| „Bullen weg getreten“. Auch politische Gegner wurden ins Visier genommen. | |
| So verschickten Mitglieder intern eine Art Steckbrief eines | |
| NDR-Journalisten, der über die Gruppe recherchiert hatte, und die Adresse | |
| eines vermeintlich linken Aktivisten wurde Mitte 2018 geteilt. Dazu schrieb | |
| Stanley R.: „Nicht quatschen, handeln.“ | |
| ## Stimmen die Zahlen des Innenministeriums? | |
| Bis zum Verbot sollte es dennoch anderthalb Jahre dauern. So zurückhaltend | |
| die Behörden agierten, wird in der Verbotsverfügung indes deutlich, wer | |
| Combat 18 trotzdem aufscheuchte: eine Recherche der antifaschistischen | |
| Plattform Exif, veröffentlicht im Juni 2018. In einem Dossier legte Exif | |
| Namen und Strukturen von Combat 18 offen – die weit mehr Mitglieder | |
| nachzeichnete als nun das Innenministerium. Die Gruppe reagierte alarmiert. | |
| Noch am Tag der Veröffentlichung bat Stanley R. Europachef Browning um ein | |
| Treffen: man müsse „den weiteren Weg bereden“. Und die Sparkasse Kassel | |
| kündigte das Gruppenkonto. | |
| Aktiv blieb Combat 18 dennoch, wie etwa ein Gruppentreffen im sächsischen | |
| Mücka im März 2019 zeigte. Dort feierte man zusammen mit der Brigade 8, | |
| einer rockerähnlich organisierten Neonazigruppe. Hier hatten sich beide | |
| Gruppen bereits wenige Monate zuvor zu einem Jahresendtreffen mit 150 | |
| Teilnehmern versammelt. Immer wieder wurde über eine feste Kooperation | |
| beider Gruppen spekuliert. Stanley R. schreibt in einem Chat indes nur von | |
| einer „freundschaftlichen Zusammenarbeit, nicht mehr und nicht weniger“. | |
| Dennoch bleibt die Frage, ob Combat 18 nicht größer war als die gut 20 | |
| Personen, die das Bundesinnenministerium der Gruppe zurechnete. So | |
| ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München bis heute zu der Produktion | |
| der Combat-18-CDs gegen zwölf Rechtsextreme. Bis auf Stanley R. wird davon | |
| indes niemand in der Verbotsverfügung genannt. Die Begründung der | |
| Ermittler: Die Beschuldigten seien vielmehr Blood & Honour zuzurechnen und | |
| hätten das 2000 verbotene Netzwerk reaktiviert. Nur: Aus ebenjenem Netzwerk | |
| ging Combat 18 einst hervor. | |
| Auch sollen einige der Beschuldigten nach taz-Informationen im Juli 2019 23 | |
| Bombendrohungen an Moscheen und Parteizentralen verschickt haben. | |
| Unterzeichnet waren diese teils mit: Combat 18. Dazu stellt sich die Frage, | |
| warum allein Nordrhein-Westfalen der Gruppe 8 Neonazis und diesen 84 | |
| Straftaten zuordnet. In der Verbotsverfügung wird aus dem Bundesland nur | |
| einer namentlich genannt: Robin S. | |
| Auch der dortige Rechtsrocksänger Marko G., der lange in der Szene als | |
| Repräsentant von Combat 18 galt und dessen Band Oidoxie eine Hymne auf | |
| Combat 18 für die Gruppen-CD beisteuerte, taucht nicht in der | |
| Verbotsverfügung auf. Auch hier drängt sich auf: Combat 18 dürfte größer | |
| sein, als vom Innenministerium benannt. | |
| Vor dem Bundesverwaltungsgericht soll es nach dem Willen von Combat 18 | |
| dagegen um anderes gehen. Laut einer Gerichtssprecherin haben die Neonazis | |
| das Verbot ihrer Gruppe aus „inhaltlichen Gründen“ angefochten. Seehofers | |
| Ministerium hält sich dazu bedeckt: Laufende Gerichtsverfahren kommentiere | |
| man grundsätzlich nicht, heißt es dort. Derzeit schreibt das Ministerium an | |
| einer Stellungnahme auf die Klage an das Bundesverwaltungsgericht. | |
| In Sicherheitskreisen äußert man sich aber wenig besorgt, dass das Verbot | |
| kippt. Und das Innenministerium holte vor wenigen Tagen erst zum nächsten | |
| Schlag aus mit dem [4][Verbot der Reichsbürgertruppe „Geeinte deutsche | |
| Völker und Stämme“]. Ob der Schlag gegen Combat 18 ein Erfolg wird, liegt | |
| nun in den Händen der Leipziger Richter. | |
| 31 Mar 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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