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# taz.de -- Mordfall Walter Lübcke: Anklage auch für Messerangriff
> Der Verdächtige im Mordfall Lübcke soll auch für eine Attacke auf einen
> Iraker angeklagt werden. Das Opfer vermutete früh ein rechtes Motiv.
Bild: Attackierte er auch einen Iraker mit einem Messer? Stephan Ernst, Verdäc…
KASSEL/BERLIN taz | Meron Mendel erinnert sich noch an das Treffen. 2017
hatte Ibrahim A. (Name geändert) seine Bildungsstätte Anne Frank in
Frankfurt am Main besucht. Und der junge irakische Geflüchtete sprach
damals auch über einen Angriff auf sich. Am 6. Januar 2016 hatte ihn ein
Radfahrer in Kassel-Lohfelden unvermittelt mit einem Messer von hinten in
den Rücken gestochen. Abends, auf offener Straße, in der Nähe seiner
Asylunterkunft. Ibrahim A. wurde schwer verletzt.
„Er litt noch sehr unter der Tat“, sagt Mendel. Auch weil die Polizei
keinen Täter ermitteln konnte. Ibrahim A. habe indes einen Verdacht
geäußert, so Mendel: Der Täter könne doch auch ein Rechter gewesen sein.
„Sein Eindruck aber war, dass die Ermittler das nicht ernst nahmen.“ Auch
seine Asylunterkunft in Kassel, die A. aus Angst schnell verlassen wollte,
habe ihm nicht geglaubt. Das sei nicht gut gelaufen damals, findet Mendel.
„Denn das Opfer hatte ja die berechtigte Angst, dass ihn der Täter, der
noch frei rumlief, noch mal findet.“
Die Fahndungen nach dem Täter blieben indes weiter erfolglos. Nun aber
könnte Ibrahim A. mit seinem Verdacht recht behalten. Denn die Ermittler
sollen inzwischen feste Anhaltspunkte haben, wer der damalige Messerstecher
war: Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder des Kasseler
Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
[1][Schon seit Monaten waren die Beamten dem Verdacht nachgegangen]. Nach
taz-Informationen soll der Vorwurf nun in die bevorstehende Mordanklage
gegen Ernst mit aufgenommen werden. Demnach fanden die Ermittler Spuren des
angegriffenen Ibrahim A. an einem Messer aus Ernst' Haushalt. Zuerst hatten
darüber Zeit und Spiegel berichtet.
## Ernst brachte die Ermittler selbst auf seine Spur
Der Rechtsextremist, der ebenfalls in Kassel-Lohfelden wohnt, war schon
2016 zu dem Messerangriff von Polizisten befragt worden – damals folgenlos.
Mit seinem ursprünglichen Geständnis im Mordfall Lübcke im Juni 2019 aber
brachte Ernst die Ermittler selbst wieder auf die Spur: Er berichtete, dass
er an jenem Januar-Tag 2016, als die Diskussion über migrantische
Übergriffe in der Kölner Silvesternacht hochkochte, aufgebracht durch
seinen Stadtteil gezogen sei und auch einen „Ausländer“ angeblafft habe.
Von den Ermittlern nach dem Messerangriff befragt, wies Ernst den Vorwurf
zurück.
Die Bundesanwaltschaft äußerte sich am Mittwoch nicht zu den Berichten.
Auch der Anwalt von Ernst wollte diese nicht kommentieren. Die Anklage
gegen Ernst im Fall Lübcke steht nach taz-Informationen aber unmittelbar
bevor.
Der Rechtsextremist hatte zuletzt sein Geständnis zum Mord an dem
CDU-Politiker wieder zurückgezogen, u[2][m dann den als Waffenvermittler
mitbeschuldigten Markus H. als wahren Täter zu beschuldigen]. Dieser sei
damals mit zum Haus von Lübcke gefahren, habe den Regierungspräsidenten zur
Rede gestellt und ihm schließlich „versehentlich“ in den Kopf geschossen,
so Stephan Ernst.
Die Ermittler glauben diese Version indes nicht. Es sei „nach wie vor
hochwahrscheinlich“, dass Ernst der Todesschütze sei, heißt es in einem
jüngst veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshof. Denn anders als
von Markus H. gibt es von Ernst DNA-Spuren am Tatort und der Tatwaffe. Auch
passt die Leiche von Lübcke zu Ernst' ursprünglichem Geständnis, in dem
dieser schilderte, wie er sich an das Opfer unbemerkt anschlich. Der
Schusskanal korrespondiert laut Ermittlern mit dieser Version, ebenso eine
Zeugenaussage, wonach der ermordete Lübcke noch seine Zigarette in der Hand
gehalten habe.
Mit dem Angriff auf den Iraker kommt für Ernst nun noch ein weiterer
schwerer Vorwurf dazu. Die Tat wird als versuchter Mord eingestuft. Meron
Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank kritisiert, dass dem Opfer damals
bezüglich eines rechtsextremen Tatmotivs nicht geglaubt wurde. „Das ist,
[3][wie schon bei den NSU-Taten], eine wiederkehrende Erzählung von Opfer
rassistischer Gewalt. Und das ist ein Problem.“
25 Mar 2020
## LINKS
[1] /Neuer-Vorwurf-gegen-Luebcke-Moerder/!5627589
[2] /Mord-an-Regierungspraesident-Luebcke/!5654602
[3] /Plaedoyer-der-Nebenklage-im-NSU-Prozess/!5474040
## AUTOREN
Konrad Litschko
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