| # taz.de -- Expertengremium für DW Enteignen steht: Die Enteignungskommission | |
| > Die Senatsparteien haben ihre Mitglieder für die 12-köpfige | |
| > Enteignungskommission benannt. Die SPD setzt auf Gegner der | |
| > Vergesellschaftung. | |
| Bild: Der Auftrag der Initiative an die Kommission ist klar | |
| Berlin taz | Die Expert:innenkommission, die die Umsetzung des | |
| erfolgreichen [1][Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen] in Berlin | |
| prüfen soll, nimmt Konturen an. Die Senatsparteien SPD, Grüne und Linke | |
| haben jeweils drei Personen benannt, drei weitere soll die Initiative | |
| entsenden. Eine 13. Person soll dem Gremium als Vorsitzende vorstehen. | |
| Bereits am kommenden Dienstag will der Senat über die förmliche Einsetzung | |
| der [2][Kommission] beschließen. Damit würde man dem Versprechen, ein | |
| solches Gremium nach den ersten 100 Tagen im Amt zu beauftragen, gerecht. | |
| Ein Jahr lang soll die Kommission an der Frage der Umsetzung des | |
| Volksentscheids arbeiten. 59,1 Prozent der Berliner Wähler:innen hatten | |
| am 26. September 2021 dafür votiert, die Bestände aller privaten | |
| Wohnungskonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Stadt zu | |
| vergesellschaften. | |
| Nach Informationen der taz stehen zumindest acht der neun Namen, die von | |
| den Parteien ernannt wurden, bereits fest. Die SPD setzt dabei | |
| ausschließlich auf tendenziell konservative Juristen, denen eher keine | |
| Sympathien für die Vergesellschaftung der privaten Wohnungskonzerne | |
| nachgesagt werden können. Sie hat Michael Eichberger nominiert, einen | |
| ehemaligen Richter am Bundesverfassungsgericht, der einst auf Vorschlag der | |
| CDU gewählt wurde und bis 2018 zwölf Jahre lang dem Ersten Senat des | |
| Gerichts angehörte. | |
| Als bekannten Gegner der Vergesellschaftung schickt sie überdies Christian | |
| Waldhoff ins Rennen, Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht der | |
| Berliner Humboldt-Universität. Waldhoff hatte in einem [3][Gutachten für | |
| die evangelische Hilfswerk-Siedlung] vor dem Volksentscheid die These | |
| vertreten, dass die Berliner Verfassung einen höheren Eigentumsschutz habe | |
| als das Grundgesetz und damit der Vergesellschaftungsartikel 15 hier nicht | |
| zur Anwendung kommen könne. Auch der Dritte im SPD-Bunde hat diese These | |
| bereits öffentlich vertreten: Wolfgang Durner, Professor für öffentliches | |
| Recht an der Universität Bonn. | |
| Die Kampagne DW Enteignen kritisierte am Mittwoch die SPD für ihre | |
| Nominierungen: „Diese Mitglieder machen deutlich, dass der Senat weiter | |
| versucht, den einst von der Sozialdemokratie erkämpften Artikel 15 zu | |
| begraben. Die beiden Professoren bedienen sich der exakt gleichen | |
| juristischen Argumente, wie die Rechtsanwälte der Deutsche Wohnen. Mit | |
| ihnen wird es nicht um die Umsetzung des Volksentscheids gehen, sondern | |
| darum ihn zu verhindern“, so Sprecher Moheb Shafaqyar. | |
| ## Juristische Schwergewichte | |
| Linke und Grüne haben sich bei ihren Ernennungen abgesprochen. Sie | |
| nominieren ein weiteres juristisches Schwergewicht: [4][Christoph Möllers] | |
| ist Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Verfassungsrecht und | |
| Rechtsphilosophie an der Humboldt-Universität. Der Leibniz-Preisträger gilt | |
| als liberal, ist SPD-Mitglied – seine Positionierung zur Enteignung ist | |
| unklar. | |
| Zwei weitere Vertreter:innen auf dem links-grünen Ticket scheinen | |
| deutlicher positioniert: Florian Rödl ist Rechtswissenschaftler der Freien | |
| Universität Berlin, hat das Land Berlin [5][vor dem Verfassungsgericht im | |
| Streit um den Mietendeckel vertreten]. Dazu kommt die Völkerrechtlerin | |
| Isabel Feichtner von der Universität Würzburg, Herausgeberin eines Buches | |
| mit einem Aufsatz über das „Recht auf Entprivatisierung“. | |
| Des Weiteren ist Thorsten Beckers vom Lehrstuhl für Infrastrukturwirtschaft | |
| und -management der Bauhaus-Universität Weimar ernannt. Beckers hatte sich | |
| kurz vor dem Volksentscheid auf einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung | |
| [6][gegen eine Entschädigung nach Verkehrswert ausgesprochen] und | |
| argumentiert, warum eine deutlich geringere Entschädigung für die | |
| Immobilienkonzerne angemessen sei. Dazu kommen Ann-Kathrin Kaufhold, | |
| Lehrstuhlinhaberin für Staats- und Verwaltungsrecht der LMU München, sowie | |
| eine noch namenlose Vertreterin der GLS-Bank. | |
| Die drei Vertreter:innen von DW Enteignen stehen auch nach dem | |
| Kampagnenplenum am Dienstagabend noch nicht fest. Klar ist nur: Auch sie | |
| will die Posten überwiegend mit Expert:innen besetzen. Als Vorsitzende | |
| der Kommission wird die ehemalige SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin | |
| gehandelt. | |
| ## Der Auftrag ist unklar | |
| Wie der Arbeitsauftrag für die Kommission lauten wird, ist noch nicht | |
| bekannt, wird aber am Donnerstag Gegenstand eines Gesprächs von | |
| Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), Finanzsenator Daniel Wesener | |
| (Grüne) und Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) mit Vertreter:innen der | |
| Initiative sein. Möglicherweise wird weiterhin am [7][Minimalkompromiss des | |
| Koalitionspapiers] festgehalten. Demnach wäre Aufgabe der Kommission die | |
| „Prüfung der Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung des | |
| Volksbegehrens“. | |
| Angesichts des juristischen Übergewichts unter den Kommissionsmitgliedern | |
| ist allerdings absehbar, dass vor allem die Frage des „ob“, also die | |
| rechtliche Zulässigkeit im Fokus ihrer Arbeit stehen wird. Dagegen hatte DW | |
| Enteignen stets darauf gedrungen, dass es um das „wie“ gehen muss – ein | |
| klarer Auftrag Wege aufzuzeigen, was in einem Vergesellschaftungsgesetz | |
| beachtet werden muss. DW Enteignen-Sprecher Shafaqyar sieht die Gefahren | |
| der einseitigen Besetzung: „Es handelt sich nicht ausschließlich um eine | |
| juristische, sondern vor allem eine politische und soziale Frage.“ | |
| Sicher ist: Die Kommission wird selbst kein Gesetz erarbeiten, sondern | |
| allenfalls Eckpunkte. Die Ausbuchstabierung und Verabschiedung eines | |
| Gesetzes liegt danach in den Händen des Abgeordnetenhauses. Sollte ein | |
| Gesetz verabschiedet werden, gilt es als sicher, dass es vor dem | |
| Bundesverfassungsgericht landen wird. | |
| ## Kritik von DW Enteignen | |
| Zuletzt hatte die Initiative DW Enteignen immer wieder Kritik an einer | |
| Verzögerungstaktik des Senats und vor allem der SPD geübt. Erst vor | |
| anderthalb Wochen hatte sie sich erstmals mit Stadtentwicklungssenator | |
| Geisel getroffen. Versprochene weitere Infos über Details zur | |
| Kommissionsarbeit im Verlauf der vergangenen Woche blieb der Senator aber | |
| schuldig. Ungeklärt ist damit auch, wie transparent die Kommission arbeiten | |
| oder wo ihre Geschäftsstelle angesiedelt werden soll. Die Initiative drängt | |
| auf maximale Transparenz. | |
| Was der Senat genau beabsichtigt, wird DW Enteignen nun wohl im Gespräch | |
| mit den Senator:innen an diesem Donnerstag zu hören bekommen. Den | |
| Termin für den Senatsbeschluss zur Einsetzung der Kommission am nächsten | |
| Dienstag kritisiert sie. Denn ihr Plenum, das anhand aller Informationen | |
| über die Mitarbeit und Entsendung der Mitglieder entscheiden soll, tagt | |
| erst am selben Abend wieder. Womöglich beschließt der Senat dennoch die | |
| Kommission samt ihrer Mitglieder – und lässt dabei die drei Plätze, die DWE | |
| vergeben soll, offen. | |
| 22 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Deutsche-Wohnen--Co-enteignen/!t5764694 | |
| [2] /Volksbegehren-Enteignen-in-Berlin/!5813790 | |
| [3] https://hws-berlin.de/wp-content/uploads/2019/06/HWS-Gutachten.endg_.pdf | |
| [4] /Staatsrechtler-ueber-Parteienfinanzierung/!5380779 | |
| [5] /Rechtsstreit-um-Mietendeckel/!5747900 | |
| [6] /Vergesellschaftung-von-Wohnungen/!5799721 | |
| [7] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5816963 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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