Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Flughafen BER: Abschiebeknast im Anflug?
> Mit einem Behördenzentrum will Brandenburg Ein- und Ausreisen über den
> BER neu organisieren. Linke fürchtet, dass es vor allem ums Abschieben
> geht.
Bild: Noch im April 2021 führte das Land Brandenburg vom BER aus eine Abschieb…
BERLIN taz | Entsteht am Flughafen BER in den kommenden Jahren ein
Abschiebezentrum mit Abschiebeknast? Das zumindest ist die Befürchtung der
Brandenburger Linken-Politikerin Andrea Johlige. Sie vermutet, dass in
Schönefeld ein „Abschiebedrehkreuz“ für ganz Deutschland entstehen könnt…
Auch der Flüchtlingsrat Brandenburg warnt davor, dass sich das Land am BER
bundesweit als „[1][Vorzeige-Abschiebe-Standort“] etablieren wolle.
Tatsächlich plant Brandenburgs Landesregierung gemeinsam mit dem Bund am
BER in Schönefeld nach eigenen Angaben ein Behördenzentrum, in dem die
„Ein- und Ausreise von ausländischen Personen über den BER“ zukünftig
„effizient und zügig“ bearbeitet werden soll. Dafür sollen dort Landes-,
Bundes- und Kommunalbehörden zusammenarbeiten – so wie es etwa [2][bisher
schon in sogenannten Ankunftszentren] geschieht.
An dem BER-Behördenzentrum ist demnach Platz für [3][Brandenburgs Zentrale
Ausländerbehörde (ZABH)] vorgesehen, außerdem soll die Bundespolizei dort
unterkommen – als Institution, die unter anderem Abschiebungen durchsetzt.
Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll vor Ort
vertreten sein, dazu sind rund 120 Schlafplätze geplant für Menschen, die
etwa über Resettlement-Programme oder über humanitäre Aufnahmen an den BER
kommen, die im Rahmen des Flughafenasyls eine Schlafstätte brauchen oder
freiwillig ausreisen wollen.
Auf einer Fläche von 4,4 Hektar sollen dafür mehrere Gebäude entstehen –
darunter ein Ankunftsgebäude, Gewahrsamsgebäude, ein Rückführungs- und ein
Transitgebäude.
## Angebliches Vorzeigeprojekt
In einer Präsentation, die der Entwicklungsausschuss der Gemeinde
Schönefeld (Landkreis Dahme-Spreewald) im März vorgeführt bekam und die der
taz vorliegt, ist von einem „Vorzeigeprojekt von internationaler Bedeutung“
die Rede. Mit dem Aufnahme- und Ausreisezentrum werde eine „europaweit
einmalige Einrichtung“ geschaffen. Das Projekt habe auf Landes- und
Bundesebene „höchste Priorität“. 200 Arbeitsplätze sollen dort entstehen.
Das Zentrum solle [4][„Aufnahme und Ausreise von Drittstaatsangehörigen
beschleunigen“], heißt es auch in einer gemeinsamen Erklärung von
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Brandenburgs Innenminister
Michael Stübgen (CDU) von Ende September. Der Bund könnte nach Angaben des
zuständigen Staatssekretärs dort rund 90 Beschäftigte einsetzen. Eine
Beteiligung des Landes Berlin ist bisher wohl nicht geplant.
„Die Pläne sind völlig überdimensioniert“, sagt die Linken-Abgeordnete
Johlige. „Und wenn man sich die Bebauung anguckt, dann wird ganz klar: Der
Fokus liegt auf Ausreise. Einreise spielt eine untergeordnete Rolle.“ Das
zeige sich allein schon an der Anzahl und der Größe der geplanten Häuser.
„Das T-Gebäude, das das Flughafenasyl und den Abschiebegewahrsam
beherbergen soll, wird sich leicht zu einem Knast umbauen lassen“, vermutet
Johlige außerdem. „Das Zentrum soll auf Jahrzehnte genutzt werden. Wenn der
Bund dann eine Haftanstalt fordert, wird sich das Land dem nicht
verschließen können.“ Sie befürchtet, dass der Flughafen damit für
Sammelabschiebungen auch aus anderen Bundesländern genutzt werden solle.
Die ZABH gehe von rund 600 bis 700 Gewahrsamsfällen pro Jahr aus – das
seien deutlich mehr als bisher.
Johlige kritisiert außerdem, dass die Planungen bisher weitgehend am
Landtag vorbei gelaufen seien. „Wir wissen noch nicht, was es kosten soll,
aber ich halte 100 Millionen für realistisch“, sagt sie. „Die Baukosten und
die geforderten neuen Stellen werden den Landeshaushalt auf Jahrzehnte hin
belasten.“ Darüber müsse es eine Diskussion im Landtag geben. „Und auch
über die Frage, ob wir so ein Zentrum politisch überhaupt wollen“, so
Johlige. Ihr Eindruck ist, dass die Landesregierung und das
Innenministerium bisher im Innenausschuss absichtlich „niedrig gestapelt“
hätten, um möglichst unauffällig Tatsachen zu schaffen – etwa über den
Bebauungsplan. Denn im Innenausschuss sei das Zentrum weit weniger
bombastisch verkauft worden als vor der Gemeindevertretung in Schönefeld.
## Grüne schließen Abschiebehaftanstalt aus
Bei Brandenburgs Grünen, die gemeinsam mit SPD und CDU das Land regieren,
ist man ebenfalls alarmiert, will aber zunächst die Fakten prüfen. „Die
Informationen sind noch sehr spärlich“ sagt die Landesvorsitzende Julia
Schmidt. Die Partei wolle die Planungen zu dem Projekt allerdings kritisch
hinterfragen. „Wir holen derzeit Informationen auf allen Ebenen ein“,
bisher habe man auch an keiner Stelle zu irgendetwas zugestimmt. „Aber es
ist ganz klar, dass es mit uns dort keine Abschiebehaftanstalt geben wird,
und das hat uns das Innenministerium auch so bestätigt“, sagt Schmidt.
Tatsächlich war die Frage nach einer Abschiebehaftanstalt eine der „roten
Linien“ der Grünen in den Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl
2019, seit der in Brandenburg SPD, CDU und Grüne gemeinsam regieren. In den
[5][Koalitionsvertrag schaffte es dann die eher schwammige Formulierung],
dass die „Anordnung von Abschiebehaft“ nur „die Ultima Ratio“ sein kön…
Bei den Grünen versteht man dies als deutliche Absage an eine Haftanstalt.
Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Schönefeld (dem heutigen Terminal
5, derzeit geschlossen) [6][befindet sich bereits ein Abschiebegewahrsam].
In der Antwort auf Johliges Anfragen verweist die Landesregierung darauf,
dass es erste Überlegungen für eine [7][Ausreiseeinrichtung am BER] bereits
seit 2017 gebe. Damals war die Abschiebehaft auf dem Gelände der
Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt aus Brandschutzgründen
geschlossen worden. Doch diese Pläne habe das Land 2019 „aufgrund der
bevorstehenden Landtagswahl“ ausgesetzt und anschließend „mit Rücksicht a…
die Festlegung im Koalitionsvertrag“ zurückgestellt.
Das Projekt befindet sich demnach derzeit noch in der Vorplanung. Die
Gemeindevertretung Schönefeld hat im August ein Verfahren eingeleitet, um
auf dem Gelände Bauplanungsrecht zu schaffen. Anfang November soll das
Zentrum noch einmal Thema im Innenausschuss sein.
20 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.fluechtlingsrat-brandenburg.de/fluechtlingsrat-brandenburg-krit…
[2] /Neues-Ankunftszentrum-fuer-Fluechtlinge/!5586358
[3] /Gefluechtete-Frauen-in-Erstaufnahmelagern/!5728919
[4] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/09/ber-ein-au…
[5] https://gruene-brandenburg.de/koalitionsverhandlungen/
[6] /Abschiebegewahrsam-fuer-Fluechtlinge/!5589846
[7] /Protest-gegen-Flughafenverfahren-in-Berlin/!5102654
## AUTOREN
Uta Schleiermacher
## TAGS
Asyl
Schwerpunkt Flucht
Abschiebung
Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
Abschiebehaft
taz Plan
Dietmar Woidke
Geflüchtete
Innenministerium
Asylrecht
Schwerpunkt Flucht
Geflüchtete
Polizei Berlin
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
Lesestück Recherche und Reportage
HDP
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bewegungstermine um Berlin: Campen und Kämpfen
Ob Kampf gegen Flüssiggasterminals, Abschiebeknäste oder für die Anarchie:
Protestcamps bieten gute Gelegenheiten zum Vernetzten und Organisieren.
Positiver Jahresrückblick trotz Krise: Woidke will weiter wirken
Während es an der CDU-Spitze erneut einen Wechsel gibt, wird Brandenburgs
Ministerpräsident bei der Wahl 2024 offenbar wieder Nummer 1 der SPD sein.
Geplantes Abschiebezentrum am BER: Kritik an Abschiebepolitik
„Wir packen's an“ wird für die Nothilfe an den EU-Außengrenzen gewürdigt
und nutzt die Bühne für eine Protestaktion.
Fragwürdiger Abschiebegewahrsam am BER: Brandenburger Tricksereien
Das geplante Ein- und Ausreisezentrum am Berliner Flughafen soll von einem
wegen Korruption vorbestraften Investor gebaut werden. Warum bloß?
Abschiebegewahrsam am BER: Am linken Minister vorbeigeschoben
Bei der Planung des Abschiebezentrums am Flughafen BER agiert Brandenburgs
Innenministerium intransparent. Das legt eine Medienrecherche nahe.
Kritik an Berliner Abschiebepolitik: Die Polizei kommt gern nachts
Die versuchte Abschiebung eines Senegalesen bei Nacht war rechtswidrig,
sagen Flüchtingsorganisationen. Berliner Innenverwaltung weist Kritik
zurück.
Anti-Abschiebeaktivist über Ehrung: „Uns geht es nicht um Integration“
Mohammed Jouni kämpft mit anderen jungen Geflüchteten gegen Abschiebung. Am
Montag bekommt er dafür das Bundesverdienstkreuz – und wundert sich.
Berlins einziger Flughafen: Lange Schlangen am BER
Viele Passagiere BER wurden am Freitag – nicht zum ersten Mal –
ausgebremst. Nach einer Brandmeldung räumte die Polizei den
Sicherheitsbereich.
Flüchtlingskonflikt mit Belarus: Bundespolizei soll an Polens Grenze
Was tun mit immer mehr Flüchtlingen aus Belarus? Innenminister Seehofer
will die Bundesbehörden einschalten, die EU den Druck auf Minsk erhöhen.
Migration über Belarus nach Deutschland: Zwischen den Fronten
Belarus lässt Migranten durchreisen, um es der EU heimzuzahlen, Polen
versucht die Einreise der Menschen zu stoppen. Ein Ortsbesuch nahe der
Grenze.
Kurdischer Familie droht Abschiebung: Protest mit Polizeieskorte
Seit einem Monat sitzt eine Familie im Transitbereich des BER fest. Am
Freitag soll sie in die Türkei abgeschoben werden. Den Eltern droht dort
Haft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.