# taz.de -- Experte über Anti-Terror-Krieg nach 9/11: „Eine Etappe im Abstie… | |
> 20 Jahre US-geführter „Krieg gegen den Terror“ haben den Terrorismus | |
> nicht besiegt. Ganz im Gegenteil, sagt der Islamwissenschaftler Guido | |
> Steinberg. | |
Bild: Nach dem misslungenen Krieg gegen den Terror: Evakuierung des Flughafens … | |
taz: Herr Steinberg, was sagen der [1][Anschlag am Flughafen von Kabul] | |
letzte Woche und die Antwort der USA darauf über den 20 Jahre währenden | |
Krieg gegen den Terror? | |
Guido Steinberg: Das ist der Versuch des Islamischen Staats, es so | |
erscheinen zu lassen, als würden die Amerikaner jetzt unter seinem Feuer | |
Afghanistan verlassen. Die Bilder werden die politischen Kosten des Abzugs | |
für die Regierung Biden erhöhen. Der Anschlag zeigt, dass die Amerikaner | |
ihr Ziel, den [2][Terrorismus in Afghanistan] und darüber hinaus | |
auszumerzen, nicht erreicht haben. Der US-Drohnenangriff auf IS-Personal | |
ist der Versuch, Stärke zu zeigen, doch wird er den Eindruck nicht | |
beseitigen können, dass die US-Regierung überhastet abgezogen ist und so | |
das [3][Chaos am Flughafen] mitversursacht hat, das den Anschlag erst | |
möglich machte. | |
US-Präsident Biden hat den Abzug damit begründet, dass von Afghanistan aus | |
kein internationaler Terroranschlag mehr verübt werden wird. | |
Dass einer Organisation gelingt, noch einmal einen Anschlag vom Ausmaß wie | |
am 11. September zu verüben, ist zurzeit unwahrscheinlich. Aber in | |
Afghanistan haben wir heute mehrere Gruppen, die darauf abzielen, Anschläge | |
zu verüben – in Afghanistan, in Nachbarländern und vielleicht weltweit. Wir | |
haben den IS, al-Qaida und kleine usbekische Gruppierungen. Das | |
Terrorproblem ist nicht beseitigt. Biden hat versucht, seinen Abzug auf | |
unzulässige Art zu beschönigen. Insgesamt gibt es 2020/21 mehr | |
islamistische Terroristen an mehr Orten weltweit und die verübten in den | |
letzten Jahren mehr Anschläge mit mehr Todesopfern als um 2001. Vor allem | |
in Syrien, Irak und Afghanistan ist die Situation schlimmer als 2001. | |
20 Jahre nach ihrem Sieg über die Taliban konnten die USA jetzt deren | |
[4][Rückkehr an die Macht in Kabul] nicht verhindern. Was bedeutet das | |
politisch? | |
Das ist eine schwere Niederlage. Sie hat sich seit Februar 2020 | |
abgezeichnet, als die Trump-Administration in ihrem Wunsch, Afghanistan zu | |
verlassen, den Taliban das Land überlassen hat, ohne eigene Forderungen | |
durchzusetzen. | |
Hat Trump nicht nur eingestanden, was offensichtlich war: dass die USA in | |
Afghanistan militärisch nicht gewinnen konnten? | |
Das ist umstritten. Die meisten Beobachter gingen davon aus, dass man mit | |
einer relativ kleinen Truppe von bis zu 15.000 Mann einen Zusammenbruch des | |
Staates Afghanistan verhindern könne. Trump hatte nicht nur eine Option. | |
Welche Fehler haben die USA und ihre Verbündeten in der Sicherheitspolitik | |
seit 9/11 gemacht? | |
Der größte Fehler vor allem der USA war, sich zu Überreaktionen hinreißen | |
zu lassen. Terroristen wollen mit öffentlichkeitswirksamen Anschlägen den | |
Gegner zu Fehlern provozieren. Die USA haben die Organisation al-Qaida zu | |
einem großen weltweiten Netzwerk aufgeblasen, das es nun gelte, mit ganz | |
großen Maßnahmen zu bekämpfen wie u.a. mit der Invasion in Afghanistan, der | |
Verfolgung von al-Qaida-Terroristen und solchen, die man dafür hielt in | |
vielen Ländern der Welt und dann mit dem Irak-Krieg. Das war nicht | |
angemessen. Die Mitgliederzahl von al-Qaida ging nie über eine eher | |
niedrige vierstellige Zahl hinaus. Auch Guantanamo fällt unter die | |
Überreaktionen. Es hätte gereicht, Taliban als Kriegsgefangene zu nehmen | |
und al-Qaida-Kämpfer mit Verbindungen zum 11. September vor Gericht zu | |
stellen. | |
Der Krieg in Afghanistan war der erste Bündnisfall der Nato. Hat er die | |
Nato verändert und ihrem Ruf geschadet? | |
Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer | |
Paktes war die wichtigste Funktion des Nordatlantischen Bündnisses | |
weggefallen. Die Nato suchte Ersatzprojekte. Die Amerikaner sind mit großem | |
Verve in den Afghanistan-Einsatz gegangen, haben aber gemerkt, dass ihre | |
Verbündeten in ihrem Windschatten zumindest militärisch sehr wenig machen. | |
Das hat dem Zusammenhalt geschadet. Das Verhalten der Deutschen im Norden | |
Afghanistans, die sich ja fast konstant geweigert haben, am Kampf gegen die | |
Taliban teilzunehmen, hat unser Verhältnis negativ beeinflusst. | |
Offiziell war der Krieg gegen den Terror eine Defensivreaktion der USA auf | |
den 11. September. Doch wurde er nicht spätestens mit dem Irak-Krieg zu | |
einem neo-imperialistischen Projekt, um hegemoniale Ziele durchzusetzen? | |
Das ist nicht mein Vokabular, aber die Beschreibung ist richtig. Der Krieg | |
in Afghanistan war sicherheitspolitisch nachvollziehbar und gerechtfertigt, | |
denn damit wurden diejenigen angegriffen, welche die Täter vom 11. | |
September beherbergt hatten. Die Invasion des Irak aber hat mit dem 11. | |
September nichts zu tun. Das Regime von Saddam Hussein hatte keine | |
Beziehungen zu islamistischen Terroristen, im Gegenteil, er hat sie | |
bekämpft. | |
In der Diagnose der Bush-Administration hatte der Irak mit dem 11. | |
September zu tun, weil al-Qaida im Nahen Osten entstanden ist im Kampf | |
islamistischer Bewegungen gegen ihre Regierungen in Kairo und Riad. Diese | |
haben sie gewaltsam unterdrückt, worauf die Islamisten nach Afghanistan | |
gezogen sind und von dort die USA angegriffen haben, um sie zum Rückzug aus | |
Ägypten und Saudi-Arabien zu zwingen. Diese Diagnose war richtig, doch hat | |
Bush den unverzeihlichen Fehler begangen, den Irak anzugreifen, um dort | |
einen „Leuchtturm der Demokratie“ zu schaffen, der die Demokratisierung der | |
gesamten Region ermöglichen und so die Entstehung von Terrororganisationen | |
dort verhindern sollte. Das war schon damals eine absurde Idee. | |
Wurde mit Osama Bin Ladens Tötung 2011 al-Qaida besiegt? | |
Al-Qaida hatte sich schon seit 2003 durch die Schaffung von | |
Regionalorganisationen in Saudi-Arabien, Algerien, Jemen und Irak | |
verändert. Die haben häufig die terroristische Initiative übernommen. Aus | |
der irakischen al-Qaida ist dann der IS hervorgegangen. Dieser Prozess war | |
2011 schon vollendet und al-Qaida war da schon geschwächt. Seit dem | |
Anschlag in London 2005 hatte al-Qaida keinen großen Terroranschlag mehr in | |
der westlichen Welt verübt. Bin Ladens Tötung war ein Ereignis in einer | |
ganzen Kette, denn die Amerikaner töteten zwischen 2010 und 2012 die | |
wichtigsten al-Qaida-Figuren in Pakistan. Das schwächte die Organisation | |
erheblich und führte ab 2013/14 dazu, dass der IS erstarken und al-Qaida | |
den Rang ablaufen konnte. | |
Wenn es heute weltweit mehr Dschihadisten als 2001 gibt, hat der Krieg | |
gegen den Terror dann mehr Feinde produziert als besiegt? | |
Ursache und Wirkung nachzuweisen ist schwierig. Man wird nein sagen müssen, | |
wenn man argumentiert, dass die Ideologie des Salafismus ursächlich ist für | |
das Erstarken des Dschihadismus. Die Dschihadisten wären auch dann | |
erstarkt, wenn die Amerikaner „vernünftiger“ reagiert hätten. Aber in | |
einzelnen Konfliktfeldern kann man schon nachweisen, dass die Präsenz der | |
Amerikaner zu einer besonders heftigen Gegenreaktion geführt hat. 2008/09 | |
zählten die Taliban einige Zehntausend, heute sprechen wir von über 100.000 | |
Kämpfern, die an der Offensive teilgenommen haben. | |
Nennen Sie ein Beispiel für eine Gegenreaktion. | |
Insgesamt war der Ansatz der USA zu breit, es lag weniger an einzelnen | |
Maßnahmen. Die Behandlung Gefangener in Guantanamo oder Abu Ghraib war ein | |
Verbrechen. Aber dass sich deswegen junge Leute den Taliban oder | |
Dschihadisten anschließen, ist nicht nachzuweisen. Nachweisen kann man | |
hingegen, dass jede Intervention in der islamischen Welt dazu führte, dass | |
sich die Dschihadisten neue Rekrutierungspools erschließen konnten. Zum | |
Beispiel das Vorgehen der Russen 1999 in Tschetschenien. Da haben sich | |
viele Türken den Dschihadisten angeschlossen, weil Tschetschenien für sie | |
aus historischen Gründen so wichtig ist. Auch der Irak-Krieg 2003 hatte | |
eine enorme Mobilisierungsfunktion und natürlich auch Syrien. Das war die | |
wichtigste Etappe im letzten Jahrzehnt und hat mobilisiert in einer Art, | |
wie sich das niemand hat vorstellen können. | |
Vor allem die Präsenz von Ausländern in einem Gebiet, das Muslime für sich | |
beanspruchen, mobilisiert. Denn die Idee, dass Muslime sich dagegen zu | |
wehren haben, ist sehr wirkmächtig. | |
Im Syrien-Konflikt spielen die USA nur eine Nebenrolle. | |
Richtig. Ursächlich für das Erstarken der Terroristen sind neben | |
amerikanischen Interventionen auch die russische in Tschetschenien 1999 und | |
die äthiopische in Somalia 2006 sowie der Kampf von Regimen wie in Syrien | |
gegen ihre eigene Bevölkerung. | |
Hat der Krieg gegen den Terror dem Ruf der USA geschadet? | |
Viele Einzelmaßnahmen haben dem Ruf der USA geschadet, am meisten der | |
Irak-Krieg. Der war ein schwerer Fehler. Er hat den USA selbst viel mehr | |
geschadet als genützt. Die enormen Kosten stehen in keinem Verhältnis zum | |
Ergebnis. Die Amerikaner haben ein halbwegs stabiles Regime gestürzt und an | |
seine Stelle eine Regierung gesetzt, die sie den Iranern auslieferten. Nur | |
noch einige tausend US-Soldaten stehen einer fast vollständigen iranischen | |
Machtergreifung im Irak im Wege. Fast alle Beobachter schütteln den Kopf, | |
dass eine Supermacht in ihrem politischen Urteil so falsch liegen kann. | |
Hat der Krieg gegen den Terror Chinas Aufstieg beschleunigt? | |
Das kann man wohl sagen. Zwar ist Chinas Aufstieg unabhängig von den | |
Ereignissen in Afghanistan oder im Irak, aber der relative Abstieg der USA | |
hat mit den dortigen Kriegen und ihren enormen Kosten zu tun. Der | |
machtpolitische Vorsprung auf die Chinesen und die Russen ist in dieser | |
Zeit geschrumpft. Bisher ist das nur ein relativer Abstieg, aber drei | |
amerikanische Regierungen haben inzwischen die Konzentration auf den Nahen | |
Osten und Afghanistan als Fehler gesehen: Obama hat vom „Pivot to Asia“ | |
gesprochen, Trump hat China als wichtigsten Konkurrenten ausgemacht und im | |
Umfeld von Biden wird gar von einer Art neuem Kalten Krieg gesprochen. | |
China hat ein Terrorismusproblem mit militanten Uiguren. In China werden | |
Muslime stark unterdrückt. Warum sind die USA für Dschihadisten trotzdem | |
der Erzfeind, während niemand zum Dschihad gegen Peking aufruft? | |
Die Amerikaner waren in den 90er Jahren die verbleibende Supermacht und | |
auch diejenige, die in den Heimatländern der Dschihadisten besonders stark | |
vertreten war, also etwa in Saudi-Arabien, Ägypten, Pakistan, Afghanistan, | |
Irak. Das macht die USA zu einem natürlichen Gegner. In dem Maße aber, in | |
dem China ebenfalls zur Supermacht wird mit Interessen in all den Staaten, | |
werden auch Chinesen zum Gegner. | |
Es stimmt, dass China in der Behandlung der „eigenen“ Terroristen noch viel | |
brutaler reagiert hat. Was ich als amerikanische Überreaktion beschrieben | |
habe, sehen wir auch bei den Chinesen. Es gibt einige hundert uigurische | |
Terroristen, die vor einigen Jahren wenige Messeranschläge verübt haben, | |
was nur wenig Einfluss auf die innere Sicherheit Chinas hatte. Doch die | |
Chinesen versuchen inzwischen zehn, elf Millionen Uiguren vollständig | |
„[5][umzuerziehen]“ und ihre Identität auszulöschen. Chinas Überreaktion | |
ist viel schlimmer, aber auch viel effektiver. | |
Zur Terrorbekämpfung wurden weltweit sogenannte Sicherheitsgesetze | |
verschärft. Wie hat sich das auf die politische Kultur bei uns ausgewirkt? | |
Das deutsche Beispiel ist nicht so aussagekräftig, weil sich die | |
sicherheitspolitischen Reformen in einem engen Rahmen bewegt haben und das | |
zugleich nicht dazu geführt hat, dass unsere Sicherheitsbehörden effektiv | |
gegen islamistische oder rechtsextreme Terroristen vorgehen. Die Toleranz | |
gegenüber sicherheitspolitischen Maßnahmen ist aber enorm gewachsen. | |
Ein Beispiel ist der Umgang mit deutschen Terrorverdächtigen im Ausland. | |
Als sich die Bundesregierung nach Ansicht der deutschen Öffentlichkeit | |
nicht hinreichend um Murat Kurnaz gekümmert hatte, der in Guantanamo | |
einsaß, gab es große Entrüstung. Heute sehen wir, dass sich über hundert | |
deutsche terrorverdächtige Männer und Frauen in syrisch-kurdischen | |
Gefängnissen und Lagern aufhalten. Als deutsche Staatsbürger haben sie ein | |
Anrecht auf eine Rückkehr nach Deutschland. Dass die Bundesregierung sich | |
da seit vier Jahren weigert zu handeln, findet in der Öffentlichkeit kaum | |
einen Widerhall. Das ist ein Hinweis darauf, dass auch wir uns verändert | |
haben. Viele Maßnahmen, die wir vor zwanzig Jahren noch für unvorstellbar | |
oder skandalös gehalten haben, akzeptieren wir heute, wenn es sich denn um | |
potenziell gefährliche Terroristen handelt. Und das gilt nicht nur für | |
Deutschland. | |
Hat die Terrorismusbekämpfung zu sehr die militärische Seite des Konfliktes | |
betont und Fragen von Identität, Bildung, Teilhabe und sozialem Ausgleich | |
vernachlässigt? | |
Ich glaube nicht, dass das für Deutschland gilt. Wenn man insgesamt den | |
Krieg gegen den Terror sieht, insbesondere in Afghanistan und Irak, ist die | |
militärische Seite überbewertet worden. Auch bei Mali kann man so | |
argumentieren, in Deutschland sehe ich das eher weniger, auch weil es bei | |
uns fast keine militärische Terrorismusbekämpfung gibt. Seitdem das KSK vor | |
2008 in Afghanistan mitgekämpft hat, gibt es das nicht mehr. Unsere | |
Sicherheitsbehörden haben aus meiner Sicht eher Schwächen in der | |
repressiven Bekämpfung, während gleichzeitig eine große Präventions- und | |
Deradikalisierungsindustrie entstanden ist. Ich wundere mich eher darüber, | |
wieviele Präventionsprojekte es in Deutschland für die ein- bis zweitausend | |
Dschihadisten hier gibt. | |
Was müsste geschehen, um die Zahl der dschihadistischen Akteure zu | |
reduzieren? | |
Stabilität ist in der Regel das beste Gegenmittel, weil Staaten selbst | |
meist gut in der Lage sind, die eigenen Terroristen zu bekämpfen. Dazu | |
müssen die Staaten aber stabil sein und dazu gehört auch ein gewisses Maß | |
an Legitimität sowie Ressourcen. Derzeit herrscht in vielen Weltregionen | |
Instabilität. Man sieht das vor allem im Nahen Osten und Nordafrika seit | |
2011, im Irak schon seit 2003, in Afghanistan seit 2001. Diese Staaten | |
müssen stabiler werden und aus sich heraus mit der eigenen Opposition und | |
den eigenen Terroristen besser klarkommen. Geschieht dies nicht, wird sich | |
die Lage nicht grundsätzlich verbessern. Die Fähigkeit auswärtiger Akteure | |
wie der USA, der Russen oder Chinesen ist begrenzt, wenn sie weitab der | |
eigenen Grenzen operieren. | |
Favorisiert Ihr Plädoyer für Stabilität nicht autoritäre oder gar | |
diktatorische Regime und ist das letzlich eine Absage an Demokratie? | |
Fakt ist, ein stabiler autoritärer Staat wie etwa Saudi-Arabien ist einem | |
Bürgerkriegsstaat vorzuziehen. Aber die Situation ist umso besser, je | |
legitimer ein Regime ist. Ein starker autoritärer Staat wie Saudi-Arabien | |
mag oberflächlich für Stabilität sorgen, aber sorgt vielleicht auch dafür, | |
dass die Opposition den bewaffneten Kampf beginnt, wie Osama bin Laden das | |
gemacht hat. Es wäre also viel besser, würde das Regime in Saudi-Arabien | |
über noch mehr Legitimität verfügen. | |
Die Herrscher in Riad beteiligen ja schon die Bevölkerung an den | |
Öleinnahmen und haben auch eine historische Legitimität, es sieht also | |
nicht so schlecht aus wie anderswo. Momentan sind wir aber in einer | |
Situation, in der Staaten wie Syrien, Libyen, Jemen oder vielleicht auch | |
Irak vollkommen zerbrechen. Da ist autoritäre Stabilität erstmal besser – | |
für die Menschen dort, für die Region und für uns. Zufrieden geben sollten | |
wir uns damit nicht. Aber Afghanistan, Irak und Mali zeigen unsere Grenzen, | |
solche Staaten tatsächlich auf eine neue Grundlage zu stellen. | |
Was wird vom Krieg gegen den Terror international bleiben? | |
Diese zwanzig Jahre werden eingehen als eine weitere Etappe im Abstieg des | |
Westens in der Welt. Der Krieg gegen den Terror ist Teil einer Phase, die | |
mit dem Ende des Kalten Krieges Mitte der 80er Jahre begann. Wir waren | |
Zeugen einer Ära, in der vor allem die USA geglaubt haben, dass sie nicht | |
nur die Weltpolitik bestimmen können, sondern auch die Politik in einzelnen | |
sehr fremden Staaten wie etwa Afghanistan und Irak, also dass sie die Welt | |
zum Besseren verändern können. Diese Illusion führte dazu, dass die | |
Amerikaner große innenpolitische und wirtschaftliche Probleme haben und | |
relativ zu China abgestiegen sind. Das wird das wichtigste Ergebnis | |
bleiben. Ansonsten sind die Organisationen der Terrorszene heute etwas | |
schwächer, aber die Gesamtszene stärker. Denn es gibt mehr junge | |
Dschihadisten in mehr Ländern, die eine Bedrohung für ihre Gegner | |
darstellen, zu denen auch China gehören wird. | |
Diese fragmentierte Szene werden wir noch einige Jahrzehnte erleben. Das | |
zeigt auch das aktuelle Attentat in Kabul: Da bestimmen jetzt neue Akteure | |
das Geschehen, die nicht mehr viel zu tun haben mit al-Qaida 2001. Wir | |
können nur hoffen, dass wir das wenigstens in unser näheren Umgebung unter | |
Kontrolle halten können. | |
(Langfassung des Interviews aus der Printausgabe der taz vom 31. August | |
2021) | |
1 Sep 2021 | |
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