Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Islamistischer Terror in Afrika: Kabul ist angeblich überall
> Immer mehr Rebellen in Afrika werden als Ableger des „Islamischen Staat“
> designiert. Die Antiterrorkriege führen zu ungewöhnlichen
> Konstellationen.
Bild: Ruandische Truppen unterstützen mosambikanische Einheiten bei der Terror…
Die Islamisten hatten die Stadt überrannt, es gab Berichte über Morde und
Brandschatzungen. Verzweifelt versuchten Tausende, auf das letzte sichere
Gelände zu gelangen, wo sich die weißen Ausländer gesammelt hatten.
Das ist nicht Kabul in diesen Tagen, [1][sondern das war Palma im März
2021. Die Stadt an der Küste des Indischen Ozeans in Mosambik fiel am 24.
März an die islamistischen Shabaab-Rebellen], die große Teile von Mosambiks
nördlichster Provinz Cabo Delgado an der Grenze zu Tansania unter ihre
Kontrolle gebracht haben.
Der letzte sichere Ort war zuerst das Amarula-Hotel am Strand, wo unter
anderem private Sicherheitskräfte und Ingenieure für die im Aufbau
befindliche Flüssiggasanlage Afungi zehn Kilometer südlich einquartiert
waren, und dann Afungi selbst. Tausende von Menschen suchten dort Einlass.
Viele hatten sich in den Wäldern versteckt und erreichten die Zuflucht erst
nach tagelangen Fußmärschen, die manche nicht überlebten. Die Evakuierungen
übernahmen schließlich private und staatliche Elitekämpfer aus
verschiedenen Ländern mit Hubschraubern und Booten.
Internationale Aufmerksamkeit erregte das Drama von Palma kaum. Hier war
schließlich keine internationale Militärintervention zuvor gescheitert. Der
Bürgerkrieg in Mosambik mit Tausenden Toten und Hunderttausenden
Flüchtlingen spielt sich fern von der Weltöffentlichkeit ab – obwohl die
Rebellen dort als Teil des globalen „Islamischen Staats“ (IS) gelten und
ihr Krieg für Afrikas größtes neues Erdgasprojekt das vorläufige Aus
bedeutet.
## Massaker an Zivilisten
Mosambiks Shabaab-Rebellen als IS-Ableger zu listen war am 10. März eine
der ersten afrikapolitischen Entscheidungen des neuen US-Präsidenten Joe
Biden. Ebenso als Teil des IS gelistet wurde damals die Rebellenarmee ADF
(Allied Democratic Forces) in der Demokratischen Republik Kongo, der
Tausende von Menschen zum Opfer gefallen sind. Bereits dem IS zugerechnet
werden Somalias Shabaab-Islamisten, [2][Boko Haram in Nigeria] und der
„Islamische Staat in der Großen Sahara“, die radikalste der islamistischen
Untergrundarmeen des Sahel.
So gibt es nun in jeder Region Afrikas reale oder angebliche IS-Ableger.
Die Kriege, die sie führen und die gegen sie geführt werden, sind brutal.
Massaker an Zivilisten mit zweistelligen Todeszahlen sind
Routineereignisse. Aber sie machen kaum jenseits der betroffenen Länder
Schlagzeilen, manchmal nicht einmal mehr dort.
Dafür aber sind Afrikas Antiterrorkriege zum Tummelplatz für
Militärinterventionen in ungewöhnlichen Konstellationen geworden sowie zum
Exerzierfeld für neue Formen der Kriegsführung. In der Sahelzone treibt
Frankreich mit der multinationalen Eingreiftruppe G5-Sahel die Integration
afrikanischer Armeen unter einem gemeinsamem Kommando voran und baut
Afrikas erste europäische Spezialkräftemission auf.
In [3][Somalia] perfektionierten die USA die Eliminierung von Dschihadisten
per Drohne, und die Afrikanische Union setzt dort ihre erste multinationale
Eingreiftruppe ein. Im Kongo wird der Kampf gegen Rebellen mit der
Militarisierung des Schutzes von Nationalparks verknüpft, wo solche Gruppen
sich gern aufhalten. In Mosambik hat das ferne Ruanda in den letzten Wochen
mit einer bilateralen Militärintervention die von den Shabaab-Islamisten
gehaltenen Städte im Norden des Landes zurückerobert.
## Militärinterventionen geraten aus der Mode
Direktes Eingreifen von außerhalb Afrikas, wie es Frankreich noch im Sahel
betreibt, gerät aus der Mode. Überall stützt man den Aufbau von
Spezialkräften, zu denen sich nichtstaatliche Sicherheitsunternehmen
gesellen: vor allem, damit nicht stattdessen Russland mit seinen
berüchtigten Wagner-Söldnern als Erstes den Fuß in die Tür setzt, wie
bereits in der Zentralafrikanischen Republik.
[4][Aber wie sinnvoll ist es, all diese Konflikte über den islamistischen
Kamm zu scheren?] Eine bewaffnete Rebellion als IS abzustempeln nützt vor
allem der jeweiligen Regierung. Sie bekommt dann jede Militärhilfe, um die
sie bittet; die unangenehme Frage, ob man mit den Rebellen reden sollte,
statt sie einfach zu töten, stellt niemand mehr. Lokale Konfliktfaktoren
kann man ignorieren, Aufständische sind Freiwild. Aber wenn man genauer
hinguckt, sind gerade die beiden neuesten IS-Klassifizierungen fragwürdig.
Mosambiks Shabaab sind nicht einfach eine Kreation von ausländischen
Predigern, wie es im offiziellen Diskurs dargestellt wird. Diese Prediger
gibt es, aber Zulauf erhalten sie nur, weil Menschen im bitterarmen Norden
des Landes gute Gründe haben, sich zu empören, wenn plötzlich vor ihrer
Nase Milliarden zur Erdgasgewinnung in abgeschotteten
Hochtechnologieanlagen investiert werden und ihre lokale Wirtschaft dadurch
zerstört wird, nachdem sich bisher noch nie eine Regierung in der 2.500
Kilometer entfernten Hauptstadt Maputo für sie interessiert hat.
Kongos ADF-Rebellen ordnet kaum jemand vor Ort wirklich dem „Islamischen
Staat“ zu – es handelt sich ursprünglich um eine lokale Rebellion im Westen
Ugandas für mehr Autonomie, die sich in den Kongokriegen in den
benachbarten Ostkongo verlagerte und dort später zu einer Zweckallianz
zwischen Kämpfern für Selbstbestimmung und Schmugglern mit guten
Auslandskontakten wurde. Das IS-Label legitimiert in allzu vielen Ländern
brutales Armeevorgehen und dient zugleich Scharfmachern auf Rebellenseite
zur Profilierung – eine Konstellation, von der man aus Nigeria und Mali
weiß, dass daraus Dauerkriege entstehen.
Der Fall von Kabul dürfte sich in den betroffenen Ländern Afrikas nicht
wiederholen. Alle Konflikte spielen sich fern von Hauptstädten ab, und
selbst in Somalia, wo das nicht der Fall ist, droht Mogadischu keine
ernsthafte Gefahr mehr. Aber genauso unwahrscheinlich ist eine Rückkehr zum
Frieden. Das Drama von Palma ist ein Vorbote einer neuen afrikanischen
Normalität.
23 Aug 2021
## LINKS
[1] /Kampf-gegen-Islamisten-in-Mosambik/!5764487
[2] /Entfuehrungsopfer-von-Boko-Haram/!5788030
[3] /Krise-in-Somalia/!5762731
[4] /Militarisierter-Naturschutz-in-Afrika/!5669805
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Afrobeat
Afrika
Terror
„Islamischer Staat“ (IS)
Boko Haram
Wagner
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Uganda
Uganda
Mosambik
Schwerpunkt Islamistischer Terror
Schwerpunkt 9/11
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Mosambik
Nigeria
## ARTIKEL ZUM THEMA
Moskaus enger Partner in Afrika: Neurussland in den Tropen
Die Zentralafrikanische Republik ist Russlands wichtigster Partner in
Afrika. Der russische Einfluss geht weit über die Söldnertruppe Wagner
hinaus.
Jagd auf den „Islamischen Staat“: Dschihad im Herzen Afrikas
Massaker im Kongo, Bomben in Uganda: Angst und Schrecken verbreitet die
Rebellengruppe ADF. Nun bereiten die USA den Antiterrorkrieg vor.
Bombenanschläge in Uganda: Rauch über Kampala
Im Zentrum der ugandischen Hauptstadt gehen zwei Bomben hoch. Die Zahl der
Toten und Verletzten bleibt zunächst unklar.
Anschlagsserie in Uganda: Die Handschrift des IS
Nagelbomben im Bus, in der Handtasche, in einer Plastiktüte: Eine Reihe von
Terrorattacken macht den Menschen in Uganda Angst.
Bürgerkrieg in Mosambik: Lob für Ruandas Eingreifen
Die Präsidenten Nyusi und Kagame haben gemeinsam Mosambiks
Bürgerkriegsgebiet besucht. Die islamistischen Rebellen sind
zurückgedrängt.
Militäreinsatz im Sahel: Das zweite Afghanistan?
In Sahelstaaten wie Mali und Niger ist die Regierung vielerorts abwesend.
Um jungen Menschen Perspektiven aufzuzeigen, braucht es langfristige
Strategien.
Experte über Anti-Terror-Krieg nach 9/11: „Eine Etappe im Abstieg des Westen…
20 Jahre US-geführter „Krieg gegen den Terror“ haben den Terrorismus nicht
besiegt. Ganz im Gegenteil, sagt der Islamwissenschaftler Guido Steinberg.
Kriegsrecht im Kongo: Viel Krieg, wenig Recht
Seit Mai regiert Kongos Militär die Provinzen Nord-Kivu und Ituri. Das
sollte die Gewalt beenden und Frieden bringen. Das Gegenteil ist der Fall.
Frankreichs Strategie für die Sahelzone: Nichts wie weg hier
Nach 8 Jahren „Krieg gegen den Terror“ beginnt Frankreich den Rückzug aus
der Sahelzone. Die islamistischen Gruppen dort sind stärker denn je.
Afrikas neuer Krieg gegen den Terror: Alles will nach Mosambik
Die Welt kämpft gegen Mosambiks Islamlistenrebellen. Kräfte aus Ruanda,
Truppen aus dem südlichen Afrika und eine Mission der EU sind im Einsatz.
Krise in Nigeria: Zwei rätselhafte Todesfälle
Erst wird Boko Harams Chef Shekau getötet, dann stirbt Armeechef Attahiru
bei einem Flugzeugabsturz. Die Stimmung ist zunehmend angespannt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.