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# taz.de -- Jagd auf den „Islamischen Staat“: Dschihad im Herzen Afrikas
> Massaker im Kongo, Bomben in Uganda: Angst und Schrecken verbreitet die
> Rebellengruppe ADF. Nun bereiten die USA den Antiterrorkrieg vor.
Bild: Zielscheibe: Ein ugandischer Polizist bewacht eine Straße im Zentrum der…
Kampala taz | Gespenstische Stille herrscht in Kampala. Ugandas sonst
staugeplagte Hauptstadt ist wie leergefegt. Soldaten sperren die Straßen um
die Regierungsgebäude ab, wo sich am 16. November zwei Selbstmordattentäter
[1][in die Luft sprengten].
„Terror von innen“, titelte Ugandas Boulevardzeitung Red Pepper. Staatschef
Yoweri Museveni bezeichnet die Täter als „Schweine“. Vielen Ugandern ist
der Schock anzumerken: Der „Islamische Staat“ (IS) hat sich zu den
Anschlägen bekannt. Im ugandischen Kontext heißt das: die islamistische
Rebellengruppe ADF (Vereinigte Demokratische Kräfte), die ursprünglich aus
Uganda kommt und heute vor allem in der Demokratischen Republik Kongo
wütet.
Die Täter seien „heimische Terroristen mit Verbindungen zu ADF“, sagte
Polizeisprecher Fred Enanga und verkündete eine Jagd auf
ADF-Schläferzellen. Die Bilanz: 34 Verhaftete, darunter sechs Kinder. Vier
Verdächtige wurden von der Polizei erschossen, darunter ein Prediger.
Dessen Familie sagt, das war „kaltblütiger Mord“.
Der IS nennt in seinem Statement als Täter „Abdul Rahman, der Ugander“ und
„Abu Shahid, der Ugander“ sowie „Abu Sabr, der Ugander“. Die Explosionen
hätten „über 30 ugandische Soldaten und Polizisten sowie einige Christen“
getötet. Das stimmt nicht – aber 27 der 37 Verletzten sind Polizisten. Eine
Bombe explodierte direkt vor dem Polizeihauptquartier.
## Die IS-Provinz „Zentralafrika“
Seit März bereits steht die ADF [2][auf der Terrorliste der US-Regierung],
ebenso die islamistischen Rebellen in Mosambik. Es heißt, beide Gruppen
seien Teil des „Islamischen Staats – Provinz Zentralafrika“ (ISCAP), die
der IS 2018 ausrief und die sich von Somalia über Mosambik bis nach Kongo
erstrecken soll.
Schon im November 2018 war die US-Botschaft in Kongos Hauptstadt Kinshasa
wochenlang geschlossen – wegen einer IS-Terrorwarnung. In Kampala baut die
US-Regierung ihre Botschaft derzeit zu einem anschlagssicheren Bunker aus.
Großbritannien und Frankreich warnten bereits im Oktober vor
Terroranschlägen in Ugandas Hauptstadt.
Die ADF hat eine alte Geschichte. Sie entstand einst unter ugandischen
Muslimen im Grenzgebiet zu Kongo. In den 1990er Jahren war sie für
zahlreiche Anschläge in Uganda verantwortlich, 1995 zog sie sich unter
ihrem Anführer Jamil Mukulu, der in Afghanistan trainiert worden war, in
die Rwenzori-Berge entlang der Grenze zu Kongo zurück – ein Grund, dass
Uganda 1998 im Nachbarland einmarschierte und fünf Jahre lang große Teile
Kongos besetzt hielt.
Danach wurde es um die ADF relativ ruhig. Mukulu wurde 2015 [3][in Tansania
verhaftet] und nach Uganda ausgeliefert. Er sitzt in Kampala im
Hochsicherheitsgefängnis, krank und schwach. Seit Januar wird ihm der
Prozess gemacht wegen Terrorismus. Derweil führt Kongos Armee im Ostkongo
gegen die rund 1.500 verbliebenen ADF-Kämpfer einen Feldzug nach dem
anderen, wobei immer wieder kongolesische Offiziere der Kumpanei mit den
Rebellen verdächtigt werden.
Je mehr die Miliz in Bedrängnis gerät, desto brutaler wird ihre
Vorgehensweise: [4][nächtliche Überfälle auf Dörfer, Massaker an
Zivilisten]. Im Januar 2020 [5][eroberte Kongos Armee] in den Bergen an der
Grenze zu Uganda das ADF-Hauptquartier „Medina“, benannt nach der heiligen
Stadt in Saudi-Arabien. Laut Armee wurden dabei über 40 ADF-Kämpfer und
fünf ihrer Kommandeure getötet. Die Soldaten fanden Gebetsbücher auf
Arabisch.
Seitdem ist die ADF auf der Flucht und hinterlässt eine Blutspur durch zwei
Provinzen des Ostkongo. Fast wöchentlich dokumentiert die UN-Mission im
Kongo (Monusco) brutale Verbrechen. UN-Ermittler nennen in ihrem jüngsten
Bericht rund 800 zivile ADF-Opfer innerhalb eines Jahres. Mitte November
[6][fand das Rote Kreuz] in einem Dorf nahe der Stadt Beni 38 Tote, die
Kehlen durchgeschnitten, einige lebendig verbrannt. Die ADF feiert diese
Überfälle in Videos aus ihrem neuen Hauptquartier „Medina II“.
## Eine junge, radikalisierte Kämpfergeneration
Einst galt die ADF unter Kongos zahlreichen Milizen als die
geheimnisvollste. Ihre Anführer traten nie öffentlich auf. Das hat sich
geändert. „Die ADF gibt es nicht mehr“, erklärte der neue ADF-Anführer M…
Baluku im September 2020 in einem Video. „Wir sind jetzt die
Zentralafrikanische Provinz, eine von zahlreichen Provinzen des Islamischen
Staates, der vom Kalifen und Führer aller Muslime regiert wird“.
Ermittler der UN-Expertengruppe, die die Einhaltung des Waffenembargos
gegen Kongos bewaffnete Gruppen überprüft, haben über 45 Videos der ADF
analysiert. „Sie zeigen eine klare Ausrichtung hinsichtlich des IS“, heißt
es in ihrem [7][Bericht vom Juni] an den UN-Sicherheitsrat.
Eine direkte Befehlskette zum IS konnten sie jedoch nicht feststellen. Die
Hinwendung zum Dschihad sei eher ein Instrument, um junge Rekruten
anzuwerben. Die neue radikalisierte Generation macht die alte Miliz für
neue Technologien fit. Im März meldete die UN im Kongo sogar
Überwachungsdrohnen über dem ADF-Hauptquartier.
„Diese Entwicklung geht einher mit der Absorption ausländischer Kämpfer aus
Tansania, Kenia und Burundi“, erzählt Dino Mahtani von der International
Crisis Group, der die ADF seit Langem studiert. Seit Kongos
Militäroperationen die ADF schwächten, suche sie Unterstützung bei den
Shabaab-Rebellen in Somalia und Mosambik. Mathani nennt einen tansanischen
ADF-Kämpfer namens Jundi. „Er war einer derjenigen, die 2019 die IS-Flagge
ins ADF-Hauptquartier mitbrachten.“
Als Kommandant der jüngsten Anschläge in Uganda gilt ein 30-jähriger
Ugander aus der jungen ADF-Generation: Meddie Nkalubo alias „Punisher“ (der
Bestrafer). „Es ist wahrscheinlich, dass ‚Punisher‘ vom Kongo aus
Anweisungen nach Uganda schickt“, so Mahtani. Auch im Zusammenhang mit
vereitelten Anschlägen in Ruanda deuten die Beweise auf ihn. Dort nahm die
Polizei im Oktober 13 Terrorverdächtige fest. Auf sichergestellten Laptops
fanden die Ermittler Anleitungen zum Bombenbasteln – geschickt von
„Punisher“ aus Kongo.
## Ein US-Milliardär und eine verschwiegene Stiftung
Für Ugandas Präsident Museveni, der in 35 Jahren an der Macht schon viele
Rebellen jenseits der ugandischen Grenzen bekämpft hat, ist die Sache jetzt
ganz einfach. „Die Terroristen haben uns eingeladen, wir werden sie jagen“,
erklärte er und fügte hinzu, er werde eng mit Kongo zusammenarbeiten, „das
ist kein schwieriges Problem“.
Unter Kongos Präsidenten Felix Tshisekedi, seit 2019 im Amt, haben sich die
einst schlechten Beziehungen zu Uganda verbessert. Die Geheimdienste beider
Länder haben im kongolesischen Beni ein gemeinsames Operationszentrum
aufgebaut, Verbindungsoffiziere entsandt. Vermittelt hat dies mutmaßlich
der ehemalige Coca-Cola-Chef Howard Buffett. Der US-Milliardär engagiert
sich mit seiner Stiftung für Naturschutz in Afrika, darunter der
[8][Virunga-Nationalpark] im Ostkongo, der an Uganda und Ruanda grenzt. In
den dichten Wäldern des Parks leben die vom Aussterben bedrohten
Berggorillas – und Milizen wie die ADF.
Mit Ruandas Präsident Paul Kagame versteht Buffett sich bestens, ebenso mit
Ugandas Präsident Yoweri Museveni. Sie verbindet die Leidenschaft für
Landwirtschaft und Rinder.
Im Oktober war der US-Amerikaner wieder einmal zu Besuch in Uganda. Er kam
in Begleitung einer blonden Frau: Shannon Sedgewick Davis, Chefin der
Bridgeway Foundation. Die Stiftung ist der philanthropische Arm von
Bridgeway Capital, ein Hedgefonds. Die junge Anwältin aus Texas ist nicht
nur in Washington, sondern auch in Afrika einflussreich.
Unter internationalen NGOs gilt Bridgeway als Gigant. Sie finanziert Human
Rights Watch, den Virunga-Nationalpark sowie den Kivu Security Tracker
(KST), eine Beobachtungsstelle für Gewaltakte im Ostkongo. Anders als
andere Stiftungen hält sich Bridgeway jedoch bedeckt. Sie veröffentlicht
keine Berichte, keine Pressemitteilungen.
Die taz erfuhr von einem gemeinsamen Workshop des US-Außenministeriums mit
Buffett und Bridgeway im Hotel Africana in Kampala. Die höchsten
Geheimdienstler von Kongo und Uganda waren eingeladen. Es ging um die
Frage: Wie können mehr ADF-Kämpfer mit ihren Frauen und Kindern aus den
Fängen ihrer Anführer entkommen? Wie kann die ADF zerschlagen werden?
Im August genehmigte Kongos Präsident die Stationierung von
US-Antiterrorexperten im Land. Laut US-Botschaft in Kinshasa verbrachte
eine Delegation von US-Spezialkräften mehrere Wochen im Kongo, um „Kongos
zukünftige Antiterroreinheit, die sich auf den IS im Ostkongo konzentrieren
soll, zu evaluieren“. Pentagon-Vertreter trafen bereits im Januar im
Ostkongo auf Bridgeway.
## Wie einst die Jagd auf Joseph Kony
Bridgeway steht mit ihren Projekten noch ganz am Anfang, erklärt
Operational Manager Laren Poole der taz am Telefon. Die Stiftung suche in
Kongo und Uganda nach lokalen NGOs als Partner und habe Feldforscher
angeheuert, um von Kenia über Uganda, Kongo, Tansania bis nach Mosambik
festgenommene oder desertierte Kämpfer zu interviewen.
Auch die Männer, die nach den ersten Anschlägen in Uganda festgenommen
wurden, hat Poole interviewt. „Im März fingen sie an, Selbstmordwesten zu
basteln“, so Poole. Die Anweisungen hätten sie von „Punisher“ aus Kongo
erhalten, angelockt mit Geld und IS-Ideologie. Einer habe nicht einmal
gewusst, was er da zusammenschraubt, bis er am Ende angewiesen wurde, es zu
zünden.
Es ist nicht Bridgeways erster Ausflug ins Geschäft der Rebellenjagd. Laren
Poole gehört zu den Gründern der Organisation „[9][Invisible Children]“ in
Uganda, die durch das Video „Kony2012“ weltberühmt wurde. Joseph Kony, laut
Video „Afrikas grausamster Rebellenführer“, war mit seiner Rebellenarmee
LRA (Widerstandsarmee des Herrn) von Uganda erst nach Südsudan, dann nach
Kongo und schließlich Richtung Zentralafrikanische Republik unterwegs und
hinterließ eine Spur des Terrors. Mit Spezialkräften sollte er zur Strecke
gebracht werden.
Auch damals war Howard Buffett mit von der Partie, gemeinsam mit Shannon
Sedgewick Davis. Fotos zeigen die blonde Frau neben dem korpulenten
Milliardär in Camouflage im Dschungel. Bridgeway bezahlte Hubschrauber und
Transportflüge und ließ südafrikanische Söldner als Trainer einfliegen –
unter dem weißen Exsoldaten Eeben Barlow, der als Spezialkraft in die
schmutzigen Kriege des Apartheidregimes verwickelt war.
Es brachte wenig: Joseph Kony ist bis heute auf freiem Fuß. Heute sind
dieselben US-Terrorjäger wieder in Uganda. Dieses Mal gegen die ADF.
22 Nov 2021
## LINKS
[1] /Bombenanschlaege-in-Uganda/!5816196
[2] https://www.state.gov/state-department-terrorist-designations-of-isis-affil…
[3] /Ugandischer-Rebellenfuehrer-gefasst/!5008287
[4] /ADF-Rebellen-im-Kongo/!5661450
[5] /Kongos-Krieg-gegen-den-Terror/!5654162
[6] https://actualite.cd/2021/11/15/adf-un-nouveau-carnage-fait-vendredi-au-moi…
[7] https://www.ecoi.net/en/document/2053905.html
[8] /Der-Virunga-Nationalpark-und-seine-Hueter/!5204085
[9] https://invisiblechildren.com/
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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