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# taz.de -- Ugandas Militäreinsatz in Kongo: Der Nachbar soll es richten
> Ugandas Armee will jetzt in der Demokratischen Republik Kongo die
> ADF-Rebellen zerschlagen. Vor Ort stößt die Intervention auf viel
> Zustimmung.
Bild: Der Zollposten im kongolesischen Grenzort Nobili: Hier kam Ugandas Armee …
Beni taz | Die Soldaten kamen zu Hunderten, mit modernen Waffen, Panzern
und Panzerfahrzeugen. Unter erstaunten und bewundernden Blicken der
kongolesischen Einwohner marschierte Ugandas Armee am Abend des 30.
November in der Demokratischen Republik Kongo ein, ganz regulär über den
Grenzübergang Nobili in der Provinz Nord-Kivu. Weitere Truppen
überschritten in Bahumu, Kamango und Bwisegha die Grenze.
„Wir hatten das nicht erwartet, aber wir sind erleichtert“, sagt ein
Bewohner von Nobili. „Die mussten doch irgendwann mal kommen, um uns
Hoffnung zu geben. Unsere eigenen Soldaten waren überfordert und genervt
vom Aktivismus der ADF“ – [1][die islamistische Rebellengruppe Allied
Democratic Forces aus Uganda], die seit Jahren in diesem Teil Kongos die
Zivilbevölkerung massakriert.
Ugandas Truppen sind willkommen, ist die einhellige Meinung der
organisierten Zivilgesellschaft von Watalinga, dem Bezirk der Intervention.
„Wir hoffen, dass diese Intervention uns dauerhaften Frieden bringt“, sagt
Mabele Musaidi, Vizepräsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes.
„Wir haben so viel gelitten.“
Die „Chefferie“ Watalinga ist größtenteils von dichtem Wald bedeckt, durch
den sich der Semliki-Fluss schlängelt, der weiter nördlich die Grenze zu
Uganda bildet. Es ist der Nachbarkreis des ugandischen Distrikts
Bundibugyo, historisches Ursprungsgebiet der ADF, deren Kämpfer sich
problemlos hin und her durch die Wälder bewegen. Die großen ADF-Bastionen
befinden sich in den Wäldern von Watalinga, und es ist die einzige Stelle,
wo die Miliz unbemerkt die Grenze überschreiten kann.
Mit dem Rest Kongos ist Watalinga hingegen nur durch eine einzige Straße
verbunden, die 80 Kilometer durch die Wälder des Virunga-Nationalparks zur
Distrikthauptstadt Beni führt, aber in Reichweite von ADF-Angriffen
verläuft und viel zu unsicher für normalen Reiseverkehr ist. Um gefahrlos
nach Beni zu kommen, muss man einen mehrere hundert Kilometer langen Umweg
durch Uganda in Kauf nehmen.
So ist Watalinga automatisch nach Uganda ausgerichtet: Alle Güter des
täglichen Bedarfs kommen aus Uganda, die ugandische Währung ist weiter
verbreitet als die kongolesische, sogar die kongolesischen
Staatsbediensteten schliefen bis zur Schließung der Grenze durch Uganda
wegen Covid-19 lieber auf der ugandischen Seite, aus Sicherheitsgründen.
## Kongolesisches Gebiet, aber mit Uganda verbunden
Gegen die ADF-Präsenz in Watalinga hat es keine [2][Großoffensiven von
Kongos Armee] mehr gegeben, seit um Weihnachten 2013 Kamango, der größte
Ort der Region direkt neben dem Grenzposten Nobili, von der ADF angegriffen
und zerstört wurde, mit über 50 Toten. Die Bevölkerung floh danach in die
Wälder – wie immer, wenn die ADF ein Dorf angreift, plündert und Geiseln
nimmt.
Nun stoßen Ugandas Soldaten in diese Wälder vor, nachdem sie zunächst
[3][mutmaßliche ADF-Basen] mit Artillerie und aus der Luft beschossen
hatten. Die ugandische „Operation Shujja“ ist eine Reaktion darauf, dass
Kongos Militäroperationen gegen die ADF seit 2013 die Gewalt nicht
verringert haben. Sogar die Militärbehörden, die seit der Ausrufung des
Kriegsrechts in Nord-Kivu und Ituri im Mai die beiden Provinzen regieren,
sind an ihre Grenzen gestoßen.
„Wir haben es gesagt und denunziert: Das Kriegsrecht ist ein klarer
Fehlschlag“, sagt Jean-Paul Ngahangondi, Abgeordneter des aufgelösten
Provinzparlaments aus der Stadt Beni. „Man muss neu denken und etwas
Kraftvolles und Ernsthaftes erfinden, das den Bevölkerungen nützt.“
Aber ist diese ugandische Intervention das, was es jetzt braucht? Viele
Kongolesen erinnern sich an vergangene Greueltaten Ugandas auf
kongolesischem Boden während der Besatzung von 1998 bis 2003 und fragen
sich, ob Kongos Regierung überhaupt einen Überblick darüber hat, was
Ugandas Armee jetzt treibt. „Haben Kongos Sicherheitsdienste vermerkt,
welche Waffenbestände Ugandas Truppen mit ins Land bringen, damit man bei
ihrem Abzug vergleichen kann, was sie wieder mitnehmen?“ fragt Edgar
Mateso, Sprecher der Koordination der Zivilgesellschaft in Nord-Kivu.
Das politische Bündnis des früheren kongolesischen Präsidenten Joseph
Kabila, die FCC (Front Commun pour le Congo), behauptet sogar: „Heute
bekommen die Nachbarn serviert, was ihnen 1998 fehlte: das förmliche Recht,
den Osten unseres Landes zu besetzen.“
Richard Ngekeninge, Völkerrechtsdoktorand an der belgischen Universität
Antwerpen, meint: „Die Erinnerung an die Besetzung von Teilen unseres
Landes durch die Armeen Ruandas und Ugandas ist noch lebendig. Uganda wurde
sogar vom Internationalen Gerichtshof für Schadenersatz an Kongo wegen der
Verbrechen seiner Armee verurteilt. Die Schlächter von einst können nicht
die Befreier von heute sein.“
Aber die meisten lokalen Politiker sind zufrieden. „Wir haben beim
Staatschef insistiert, unser Würdenträger haben auch insistiert und wir
haben erreicht, dass die ugandische Armee in unser Land eingeladen wurde“,
erklärt der Parlamentsabgeordnete Grégoire Kiro aus Beni. „Uns kommt es auf
Frieden an – dass unsere Bevölkerungen frei und unbesorgt in ihrer Gegend
und in ihrem Alltag leben können. Die Tötungen haben zu lange gedauert.“
Einfacher drückt es ein Bauer aus: „Wir wollen, dass die Massaker im
Ostkongo enden. Das ist alles, was uns im Moment wichtig ist.“
## „Eine richtige Armee, nicht so wie unsere“
Uganda war zur Jagd auf die ADF in Kongos Wäldern entschlossen, seit
[4][eine Reihe von Bombenanschlägen] Mitte November die ugandische
Hauptstadt Kampala erschütterte. „Es ist keine Überraschung, Uganda hat
sich seit Langem vorbereitet“, erklärt der Universitätsprofessor Kahindo
Muhesi. „Die anderen Staaten nehmen unsere Sicherheitsprobleme sehr ernst,
vor allem seit die USA die ADF als Terrorgruppe gelistet haben. Uganda
weiß, was es tut.“
Kongolesen, die die Ugander sehen konnten, äußern sich beeindruckt von
ihrer Ausrüstung: schwere Artillerie, Kampfpanzer, Kampfhubschrauber, sogar
ein Kampfflugzeug war im Einsatz. „Wir sehen eine richtige Armee, nicht so
wie unsere!“, freut sich ein Bewohner von Nobili, der anonym bleiben will.
„Mit schweren Waffen, die Angst machen, aber auch Sicherheit geben. Ich
glaube, die Rebellen werden nicht lange durchhalten. Die Soldaten sind gut
ausgerüstet, sie bringen sogar ihr eigenes Mineralwasser mit, sie
belästigen niemanden.“
Was für ein Kontrast mit Kongos Soldaten, die meist auf Versorgung durch
die Bevölkerung im Einsatzgebiet angewiesen sind. Man spricht von 1.700
ugandischen Soldaten unter Kommando von Generalmajor Kayanja Muhanga. Ihr
logistisches Hauptquartier befindet sich im Dorf Mukakati.
Wenngleich alle sich den Erfolg dieser Intervention wünschen – für
Befremden sorgt die Kommunikation von kongolesischer Seite. Die Sprecher
von Kongos Armee nehmen keine Anrufe mehr an. Informationen über die
Intervention gibt es nur in den ugandischen Medien. Aus ihnen erst haben
die Kongolesen erfahren, dass die Intervention „Operation Shujja“ heißt und
zwei Monate dauern soll, mit der Option auf Verlängerung.
Aber von kongolesischer Seite gibt es überhaupt keine offizielle
Information. Sogar als die ugandischen Soldaten die Grenze überschritten
hatten, Fotos und Videos die Runde machten und internationale Medien
darüber berichteten, leugnete das Informationsministerium in Kongos
Hauptstadt Kinshasa das noch.
„Nicht gut zu kommunizieren, ist ein schwerer Irrtum“, findet Professor
Kahindo Muhesi. „Das hat dem Land schon einmal geschadet, als 2009
ruandische Truppen auf Einladung der Regierung auf kongolesisches Gebiet
vordrangen“ – er bezieht sich auf die „[5][Operation Umoja Wetu]“ gegen
die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung
Ruandas). „Man muss kommunizieren und die öffentliche Meinung
zufriedenstellen.“
Edgar Mateso vom Dachverband der Zivilgesellschaft sagt: „Wir haben
berechtigte Fragen. Wir verstehen zum Beispiel nicht, wie das eine
gemeinsame Operation mit Kongos Armee sein soll, da unsere Armee in ihren
existierenden Stellungen bleibt.“
## „Unser Land von den Mördern befreien“
Tatsächlich ist nirgends zu sehen, dass kongolesische Soldaten sich in
Bewegung gesetzt hätten, um sich am ugandischen Kampf gegen die ADF zu
beteiligen. Es ist wie immer: Die Soldaten bleiben in ihren Basen und
schießen höchstens zurück, wenn sie selbst angegriffen werden – aber gegen
Massaker an der Zivilbevölkerung bleiben sie untätig. Erst vor wenigen
Tagen starben drei Zivilisten bei einem ADF-Angriff in Luna, die letzte
Stellung der kongolesischen Armee in Nord-Kivu vor der Grenze in die
Nachbarprovinz Ituri. Man hat den Eindruck, dass Kongo die Initiative
komplett Uganda überlässt.
Am Sonntag liest der Bischof von Beni-Butembo, Sikuli Paluku, die Messe in
Mbau, der Ort, wo die Waldstraße aus Kamango auf die große Fernstraße
Richtung Beni trifft. Die katholische Kirche hat in den vergangenen Jahren
fünf Priester an die ADF verloren. „Schande auf diejenigen, die sich Söhne
Gottes nennen, aber Morde begehen“, predigt der Bischof. „Wir sind dazu
aufgerufen, unser Militär und ihre Helfer zu unterstützen an allen Fronten,
wo sie sich hergeben, um unser Land von den Mördern zu befreien.“
7 Dec 2021
## LINKS
[1] /Jagd-auf-den-Islamischen-Staat/!5814083
[2] /Kongos-Krieg-gegen-den-Terror/!5654162
[3] /Massaker-an-UN-Soldaten-im-Kongo/!5465267
[4] /Bombenanschlaege-in-Uganda/!5816196
[5] /123-Tag-Kongo-Kriegsverbrecherprozess/!5074337
## AUTOREN
Kennedy Muhindo
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