# taz.de -- Massaker an UN-Soldaten im Kongo: Schwere Waffen, die ganze Nacht | |
> Verübte eine Rebellentruppe das blutige Massaker an UN-Soldaten im Kongo? | |
> Rätselraten über einen hochprofessionellen Angriff. | |
Bild: Die Särge der toten UN-Soldaten bei der Trauerfeier in Beni, Kongo | |
KAMPALA taz | 14 weiße Särge, bedeckt mit der tansanischen Flagge, werden | |
aus dem Bauch eines großen Militärflugzeugs geladen. Soldaten der | |
tansanischen Armee salutieren auf dem Rollfeld des Flughafens in | |
Daressalam. „Wir sind hier, um unsere Helden zu empfangen“, erklärt | |
Verteidigungsminister Hussein Mwinyi. | |
Die 14 tansanischen Soldaten waren am Donnerstagabend im Osten der | |
Demokratischen Republik Kongo getötet worden. Der Angriff war der | |
tödlichste in der Geschichte der UN-Mission im Kongo und der schlimmste | |
gegen UN-Truppen weltweit seit 1993. Am Montag wurden die Toten feierlich | |
in ihre Heimat überführt | |
Tansania entsandte 2013 rund 1.200 Spezialkräfte zur UN-Mission im Kongo | |
(MONUSCO) in die ostkongolesische Provinz Nord-Kivu, um in einer speziellen | |
Eingreiftruppe Milizen zu bekämpfen. Die Blauhelme dieser „Force | |
Intervention Brigade“ (FIB) bekamen das Mandat, ihre Gegner anzugreifen – | |
dies machte sie nun zum Opfer. | |
Ein Großteil der FIB-Truppen ist seit Anfang 2014 im Gebiet um die | |
Großstadt Beni stationiert, am Fuß des Rwenzori-Gebirges entlang der Grenze | |
zu Uganda. Gemeinsam mit Kongos Armee FARDC sollen sie dort die | |
Rebellenarmee ADF (Vereinte Demokratische Kräfte) bekämpfen, ursprünglich | |
eine ugandische Gruppe, die mittlerweile im Dschungel der | |
Rwenzori-Berghänge mit kongolesischen Milizen kooperiert. | |
Im Gebiet um Beni sind Massaker an Zivilisten an der Tagesordnung, ebenso | |
Angriffe gegen FARDC-Soldaten und UN-Einheiten. Zuletzt wurden im Oktober | |
zwei UN-Soldaten getötet und 18 verletzt, angeblich von der ADF. | |
## Rundherum dichter Dschungel | |
Doch die neue Attacke war anders. Am frühen Abend, es dämmerte schon, | |
stürmten schwerbewaffnete Männer in Uniformen der kongolesischen Armee aus | |
drei verschiedenen Richtungen die UN-Basis am Semuliki-Fluss, eine | |
strategische Stellung entlang einer Straße nach Uganda. Die Brücke über den | |
Fluss liegt direkt neben der Militärbasis, rundherum dichter Dschungel – | |
ADF-Gebiet. | |
Ein Armeeposten neben der Brücke wurde überwältigt, fünf Soldaten getötet. | |
Dann feuerten die Angreifer mit Panzerabwehrgranaten auf das UN-Lager. Der | |
UN-Kommandant alarmierte per Funk seine Zentrale in Beni. Doch unmittelbar | |
darauf brach der Funkkontakt ab. | |
Die halbe Nacht sollen die Gefechte angedauert haben. Neben den 14 Toten | |
wurden laut MONUSCO 53 tansanische Soldaten verletzt, ein oder zwei werden | |
angeblich immer noch vermisst. | |
Der erste UN-Hubschrauber überflog erst am frühen Freitagmorgen die | |
UN-Station. Die MONUSCO erklärte, schlechtes Wetter und Dunkelheit habe es | |
verhindert, den Helikopter früher loszuschicken, obwohl er mit | |
Nachtsichtgeräten ausgestattet ist. | |
Die Bergung der Verletzten und Toten per Hubschrauber dauerte den ganzen | |
Freitag an. Dutzende Schwerverletzte werden immer noch im UN-Krankenhaus | |
versorgt. | |
## „ADF“, was auch immer das ist | |
Die UNO verlangt nun von Kongos Regierung Aufklärung. Die MONUSCO | |
verdächtigte von Anfang an die ADF. Doch UN-Experten und Analysten warnen | |
vor voreiligen Schlussfolgerungen. Weil die ADF einst von Muslimen in | |
Uganda gegründet wurde, ist bei ADF-Angriffen oft von „Islamisten“ die Rede | |
und sogar von Kontakten zu al-Qaida. | |
Beweise gibt es dafür nicht, im Gegenteil: Kongos Regierung nutzt den | |
Verweis auf angebliche Islamisten als Vorwand, um von ihrer eigenen | |
Verantwortung abzulenken. | |
Denn immer wieder berichten lokale Gruppen nach mutmaßlichen ADF-Angriffen, | |
die Täter hätten ungehindert in der Nähe von Armeestellungen zugeschlagen | |
und würden Armeeuniformen tragen. | |
In ihrem jüngsten Bericht beschreibt die UN-Expertengruppe, die die | |
Sanktionen gegen Kongos bewaffnete Gruppen überwacht, die ADF als | |
Zweckbündnis verschiedener Milizen unter einer eher losen Befehlskette. | |
Seit der Verhaftung des ADF-Militärchefs Jamil Mukulu 2015 in Tansania | |
scheint die Gruppe zusammengefallen zu sein. Ugandas Armeesprecher Richard | |
Karemire warnte allerdings vergangene Woche, die ADF habe wieder an Stärke | |
gewonnen, er sprach von mehr als 700 Kämpfern. | |
Am selben Tag wie die jüngste Attacke besprachen in der ugandischen | |
Grenzstadt Kasese ugandische und kongolesische Armeeoffiziere ein | |
gemeinsames Vorgehen gegen die ADF. Ugandische Quellen vermuten, der | |
Angriff an jenem Tag müsse als Warnung verstanden werden. | |
## In einer komplizierten Zeit | |
Der Angriff auf die UN-Basis hatte eine ganz neue Qualität an Feuerkraft. | |
Mit schweren Waffen aus drei Richtungen koordiniert angreifen und | |
Feuergefechte über Stunden hinweg halten können – das zeugt von einer | |
Professionalität, die der ADF nicht zugetraut wird. | |
Die Attacke geschieht in einer komplizierten Zeit, da die UN-Mission | |
MONUSCO unter Sparzwang dabei ist, ihre Militärstrategie zu ändern. Ziel | |
ist es, kleinere mobile Einheiten nahe der Bevölkerung und nahe an den | |
Rebellengebieten zu stationieren, anstatt große gesicherte Stützpunkte zu | |
unterhalten. | |
Die Konsequenz war nun, dass die UN-Station am Semuliki-Fluss, direkt neben | |
dem ADF-Territorium, nur mit Nato-Draht und Sandsäcken befestigt war. Wie | |
konnte jedoch der Funkverkehr zusammenbrechen und keinerlei Verstärkung | |
eintreffen? Warum reagierten kongolesische Armeesoldaten nicht? | |
UN-Experten haben in der Vergangenheit potenzielle Kollaborationen zwischen | |
FARDC-Einheiten und der ADF wie auch anderen Milizen nicht ausgeschlossen. | |
Bereits beim tödlichen Hinterhalt auf den Konvoi des | |
FARDC-Frontlinienkommandanten, Oberst Mamadou Ndala, zu Beginn der | |
Militäroperationen gegen die ADF Anfang 2014 war davon die Rede gewesen; | |
für den der ADF zugeschriebenem Angriff verurteilte ein Militärtribunal | |
später einen kongolesischen Armeeoberst zum Tode. | |
In der aufkochenden Gerüchteküche werden auch jetzt solche Konstellationen | |
diskutiert. Kongos Regierung will die MONUSCO schon lange aus dem Land | |
haben. Die Ermordung zweier UN-Experten im Frühjahr in Kasai warf | |
Vermutungen auf, dass auch hier die Regierung mit dahintersteckt. Dieser | |
Angriff wird die Beziehungen weiter verschlechtern. | |
13 Dec 2017 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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