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# taz.de -- Moskaus enger Partner in Afrika: Neurussland in den Tropen
> Die Zentralafrikanische Republik ist Russlands wichtigster Partner in
> Afrika. Der russische Einfluss geht weit über die Söldnertruppe Wagner
> hinaus.
Bild: Wagner-Soldaten wachen über eine Parade im zentralafrikanischen Bangui i…
Kampala taz | Zwei afrikanische Soldaten in Flecktarnuniform und Stiefeln
posieren auf einer ukrainischen Straße für die Kamera. „Zwei Söldner
(Wagner) aus der Zentralafrikanischen Republik, die für Russland kämpften,
wurden im Donbass, der südöstlichen Ukraine, getötet“, heißt es [1][in dem
Tweet]. Daneben: Fotos ihrer Reisepässe, in kyrillischer Schrift.
Wer die beiden jungen Afrikaner waren und ob sie wirklich im Donbass
getötet wurden, lässt sich nicht unabhängig bestätigen. Doch es mehren sich
die Anzeichen, dass die russische Söldnerfirma Wagner afrikanische Kämpfer
rekrutiert hat, um in der Ukraine für Russland zu kämpfen. Auf den
Uniformen der beiden mutmaßlich gefallenen Kämpfer prangt an der Schulter
das schwarze Wagner-Abzeichen mit dem Totenkopf. Beide tragen schwere Uhren
– ein mögliches Anzeichen, dass sie als Kämpfer gut bezahlt wurden.
Die einst von Veteranen des russischen Ukrainekrieges 2014 gegründete und
später in [2][Syrien und Libyen eingesetzte „Wagner Group“] hat sich
nirgends so festgesetzt wie in der Zentralafrikanischen Republik. Das
bitterarme Land zerfiel in den Bürgerkriegen von 2013 und 2014, als erst
die [3][muslimische Rebellenallianz Seleka] aus dem Norden die südlich
gelegene Hauptstadt Bangui stürmte und dann [4][antimuslimische Milizen]
sie wieder vertrieben. Die Armee zerfiel, Milizen und Bürgerwehren machten
sich breit, der Staat war kaum existent: ein perfektes Umfeld für Wagner.
Präsident Faustin Touadéra, der 2016 durch Wahlen an die Macht kam, schloss
einen geheimen Vertrag mit Moskau: Russische Ausbilder sollten die
Regierungsarmee trainieren, so hieß es offiziell. Doch [5][als die ersten
russischen Ausbilder 2018 landeten, erklärte der damalige Innen- und
Sicherheitsminister Sergej Bokassa], Sohn des ehemaligen Diktators
Jean-Bédel Bokassa, der taz, es seien weit mehr Russen gekommen als die
vereinbarten 300. „Wer dort einreist und was diese Leute mit sich führen –
darüber hat unsere Regierung keine Kontrolle, ich durfte nicht einmal deren
Pässe kontrollieren“, beschwerte er sich.
## Wagner soll in Kämpfe verwickelt sein
Zweifel hatte Bokassa auch an der offiziellen Mission dieser „Ausbilder“.
Zeugen, darunter Soldaten der Armee, berichteten der UN-Expertengruppe, die
das geltende Waffenembargo gegen die Zentralafrikanische Republik
überwacht, dass die Russen in direkte Kampfhandlungen verwickelt seien. Auf
bis zu 2.100 schätzen die UN-Experten ihre Zahl mittlerweile.
Erst am vergangenen Freitag gerieten Rebellenoffiziere im Norden des
Landes, in der Nähe zur Grenze zum Tschad, in einen Hinterhalt – von
Wagner-Söldnern gelegt. Die Russen, so die zentralafrikanische
Onlinezeitung Corbeau News, hätten drei Motorradtaxifahrer mit Waffen
bedroht, um ihnen Informationen zu entlocken. Als sie sich weigerten, sei
einer erschossen worden. Letztlich zeigten die anderen beiden den Russen
die Rebellenstellung. Die wurde am nächsten Morgen mit Artilleriefeuer
bombardiert.
Dass russische Militärtrainer in Kämpfe verwickelt seien, streitet Russland
ab. Als die UN-Ermittler im vergangenen Jahr solche Vorfälle untersuchten,
erklärte der russische Ausbildungskoordinator in Bangui, sie seien
lediglich „zum eigenen Schutz bewaffnet“. Außerdem seien alle Ausbilder
„vom Verteidigungsministerium der Russischen Föderation rekrutiert“. Sie
seien „nicht angeheuert von einem Privatunternehmen“, also Wagner.
„Wagner ist wie der Muskel eines umfassenden Pakets“, so [6][Joseph Siegle,
Direktor des Afrika-Zentrums für Strategische Studien in Washington], der
seit Jahren zu Wagner forscht. Das Schema sei immer das selbe, so Siegle:
„Russland sucht sich einen schwachen Präsidenten und bietet ihm
Unterstützung an.“ In Syrien, in Sudan, neuerdings in Mali – und eben in
der Zentralafrikanischen Republik. Dort stellt Wagner die Leibgarde des
Präsidenten Touadéra. „Ihr Auftrag ist es wohl, ihn als Proxy für Russland
an der Macht zu halten“, so Siegle: „Das schließt das aggressive Vorgehen
gegen Oppositionelle mit ein.“
## Russisch ist an Schulen erste Fremdsprache
Dafür bekomme Russland Zugang zu strategischen Ressourcen. Mit Touadéra hat
Moskau eine umfassende Partnerschaft vereinbart: Russische Firmen sollen
die vom Krieg zerstörte Infrastruktur wieder aufbauen, mit Krediten von
russischen Banken. „Wir haben Straßenbauprojekte im Wert von sechs
Milliarden Dollar, Eisenbahnprojekte von drei Milliarden Dollar sowie
Städtebauprojekte von zwei Milliarden Dollar ausgeschrieben“, so Pascal
Bida Koyagbélé, Zentralafrikas Minister für strategische Investitionen, in
einem Interview mit dem russischen Radiosender Sputnik. Der staatliche
russische Sender sendet mittlerweile in Zentralafrika.
Seit 2019 lernen zentralafrikanische Kinder in der Schule Russisch als
erste Fremdsprache. Wagner-Kämpfer schützen zentralafrikanische Gold- und
Diamantenminen, die das russische Goldunternehmen M-Invest über
Tochterfirmen erworben hat. [7][M-Invest] ist eine in Sankt Petersburg
registrierte Firma, die dem russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten
Jewgeni Prigoschin gehört, dem Finanzmogul hinter Wagner. Die Russen
kassieren Zölle an den Grenzen zu Tschad und Sudan. Wagner sei ein
„profitorientiertes Unternehmen“, das sich selbst trägt, erklärt Pauline
Bax von der International Grisis Group (ICG). Erhalte Wagner keine
lukrativen Minenaufträge, dann „bezahlen sie sich durch Raubzüge und
Plünderungen“.
Für Siegle ist Wagner der „verlängerte Arm des russischen
Militärgeheimdienstes GRU“. Dieser lasse sich „kostengünstig und effektiv
im Ausland einsetzen“ – unter Umgehung von Recht und Gesetz. „Bei Wagner
gibt es keine Menschenrechtsstandards und Verantwortlichkeiten für ihr
Handeln“, so Siegle. „Wagner operiert unter dem Radar, so lässt sich alles
abstreiten, auch Menschenrechtsverbrechen.“
Eine UN-Expertengruppe veröffentlichte 2021 einen 250 Seiten langen Bericht
über Menschenrechtsverletzungen durch Wagner-Kämpfer in der
Zentralafrikanischen Republik: Journalisten, Zivilisten, Mitarbeiter von
Hilfswerken sowie der UN-Mission Minusca seien „gewaltsam belästigt und
eingeschüchtert“ worden, heißt es darin. Zu den Verstößen zählten
„Massenhinrichtungen im Schnellverfahren, willkürliche Festnahmen, Folter
bei Verhören, Verschwindenlassen, Zwangsvertreibungen der Zivilbevölkerung,
wahllose Angriffe auf zivile Einrichtungen, Verletzungen des Rechts auf
Gesundheit und zunehmende Angriffe auf humanitäre Akteure“.
## Wagner soll an Kriegsverbrechen beteiligt sein
[8][Reporter des US-Fernsehsenders CNN] interviewten Überlebende in der
zentralafrikanischen Stadt Bambari, wo sich Zivilisten vor Kämpfen in einer
Moschee versteckt hatten. Ein Mann, der mit einer Kugel im Bein davonkam,
berichtete, wie russische Söldner die Moschee beschossen. CNN zeigte Bilder
der Leichen auf dem Gebetsteppich: 12 Tote. Eine Frau aus Bambari
berichtete, wie ihr 15-jähriger Sohn von einem russischen Kampfhubschrauber
aus erschossen wurde. Als ihr Ehemann aus dem Haus lief, um den Jungen zu
retten, sei auch er erschossen worden.
Das klare Fazit des UN-Expertenteams: Kriegsverbrechen. „Vertreter der
Wagner-Gruppe haben Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt begangen gegen
Frauen, Männer und junge Mädchen“, so der Bericht. Überlebende hätten
Angst, ihre Fälle vorzubringen. Da Wagner auf Geheiß von Präsident Touadéra
im Land sei und ihn beschütze, bestünde hier faktisch Straflosigkeit. Die
UN-Experten forderten die Regierung in Bangui auf, „alle Beziehungen zu
privatem Militär- und Sicherheitspersonal zu beenden, insbesondere der
Wagner-Gruppe“.
Am Mittwoch beschäftigte sich damit in Genf der UN-Menschenrechtsrat.
[9][UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet] äußerte sich besorgt
über zunehmende Menschenrechtsverletzungen in der Zentralafrikanischen
Republik durch die Regierungstruppen und „ihre bewaffneten Verbündeten“ –
UN-Sprachregelung für die Wagner-Kämpfer. Der unabhängige UN-Experte für
die Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik, Yao Agbetse,
berichtete, er habe „mehrere übereinstimmende Zeugenaussagen erhalten, in
denen von Verstößen russischer bilateraler Streitkräfte gegen die
Zivilbevölkerung berichtet wird“. Dazu gehören „sexuelle Gewalt,
Einschüchterung, Zerstörung von Wohnungen, Drohungen, Erpressung“.
Der Nigerianer Chris Kwaja ist zuständig für Afrika in der
UN-Expertengruppe über Söldnereinsätze. Er fürchtet, dass das Beispiel
Zentralafrika Schule macht: „Wenn wir uns nicht mit Land A
auseinandersetzen, ist die Tendenz, dass die selben Sachen in Land B oder C
geschehen, sehr hoch“, so Kwaja zur taz. Die größte Herausforderung sei,
die Identitäten der Täter festzustellen – Russland streite offiziell alle
Verbindungen zu Wagner ab. „Wir gehen von der Tatsache aus, dass jeder
Söldner ein Heimatland hat und in diesem Land registriert ist“, so Kwaja:
„Unabhängig davon, welche Menschenrechtsverletzungen diese Leute außerhalb
dieses Landes begehen, ist es wichtig, dass das Heimatland informiert wird
und angemessene Schritte zur Rechenschaftspflicht einleitet. Denn es gibt
keine staatenlosen Personen und Organisationen.“ Und die mutmaßlichen
Täter, die in der Zentralafrikanischen Republik ermittelt wurden, seien
„alle Russen oder zumindest russischsprachig“.
## Russland blockiert Erneuerung einer Expertengruppe
Im Juni 2021 kam es im UN-Sicherheitsrat zum Eklat: Die USA forderten
Moskau auf, die Vorwürfe gegen russische Bewaffnete in der
Zentralafrikanischen Republik zu untersuchen. Der russische Vertreter Ivan
Khoroshev tat die Anschuldigungen als „Propaganda“ ab: „Was Berichte
betrifft, dass Ausbilder Hühner und Matratzen von Zivilisten stehlen –
diese Berichte diskreditieren nur diejenigen, die solche Anschuldigungen
erheben“, sagte er und höhnte, russische Ausbilder erhielten „volle
Unterstützung und Zulagen, einschließlich Betten, Matratzen und
Bettwäsche.“
Danach blockierte Russland im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto monatelang
die Erneuerung von UN-Expertengruppen, die Sanktionen und Waffenembargos in
Kriegsgebieten überwachen – die Demokratische Republik Kongo, Mali,
Somalia, Libyen, Syrien, die Zentralafrikanische Republik. Bis heute bleibt
die Expertengruppe für die Zentralafrikanische Republik blockiert – durch
Russland.
UN-Ermittler geben gegenüber der taz zu, dass sie bei Recherchen um ihr
Leben fürchten. 2018 reisten drei russische Investigativreporter in die
Zentralafrikanische Republik, um über Wagner zu recherchieren. Auf dem Weg
von der Hauptstadt Bangui gen Norden, wo Wagner-Truppen stationiert waren,
fuhren sie in einen Hinterhalt: Alle drei starben an Schussverletzungen.
Das UN-Expertenteam stellte seine Ermittlungen letztlich ein. „Aus Angst
vor Wagner.“
Kurz darauf ging in Russland der Journalist Pjotr Wersilow den Spuren
seiner Kollegen nach. Wersilow ist der Ehemann von Nadeschda Tolokonnikowa,
Mitglied der Punkrockband Pussy Riot. Er wurde krank, fiel ins Koma.
Ehefrau Tolokonnikowa konnte ihn über Kontakte in die Berliner Charité
ausfliegen, ähnlich wie der Oppositionspolitiker Alexei Nawalny 2020. Die
[10][Diagnose bei Wersilow: Vergiftung]. „Wir erhalten ständig Warnungen“,
so UN-Experte Kwaja. „Das ist Teil des Jobs, wenn man zu Wagner arbeitet.“
1 Apr 2022
## LINKS
[1] https://twitter.com/markito0171/status/1508025972473450499?s=20&t=HU-7Y…
[2] /Krieg-in-der-Ukraine/!5841496
[3] /Zentralafrikanische-Republik/!5743251
[4] /Verhaftung-des-Rebellenfuehrers-Mokom/!5842218
[5] /Russlands-Griff-nach-Afrika/!5509166
[6] https://africacenter.org/experts/joseph-siegle/
[7] https://www.business-humanrights.org/en/latest-news/sudan-cnn-investigation…
[8] https://edition.cnn.com/2021/06/15/africa/central-african-republic-russian-…
[9] https://www.ohchr.org/en/statements/2022/03/bachelet-updates-human-rights-c…
[10] https://de.euronews.com/2018/09/13/pussy-riot-mitglied-im-krankenhaus-wir-…
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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