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# taz.de -- Europäische Söldner im Kongo: Kongos geheime weiße Armee
> Erst suchte die Demokratische Republik Kongo Russlands Hilfe gegen die
> M23-Rebellen. Nun stehen in Goma Söldner aus Rumänien. Eine
> taz-Recherche.
Bild: Weiße in Kampfmontur unterwegs in Goma
Kampala taz | Die Leiche eines weißen Mannes in Flecktarnuniform liegt im
Dreck am Straßenrand. „Das passiert den Russen von Wagner“, so der
Kommentar unter dem [1][Foto aus der Demokratischen Republik Kongo], das
auf Twitter die Runde macht. Gemeint ist damit die private Söldnerfirma
Wagner, die im Auftrag Russlands nicht nur in der Ukraine für grausame
Menschenrechtsverbrechen an Zivilisten verantwortlich gemacht wird, sondern
auch in [2][Mali] und in der [3][Zentralafrikanischen Republik].
Sind die Russen etwa auch im Kongo aktiv, um der maroden Armee gegen die
Rebellengruppe M23 (Bewegung des 23. März) zu helfen? Westliche Diplomaten
zeigen sich gegenüber der taz zutiefst besorgt. Dabei hatte noch im Oktober
Kongos Präsident Félix Tshisekedi das im [4][Interview mit der Financial
Times] ausgeschlossen. „Ich weiß, dass es jetzt in Mode ist“, hatte er
gesagt. „Nein, wir müssen keine Söldner einsetzen.“
Auf Anfrage der taz bestätigt die M23-Führung, dass der getötete Weiße im
Kampf gefallen sei, am 30. Dezember im Dorf Karenga – direkt an der
Frontlinie nördlich der Millionenstadt Goma. Ein M23-Kämpfer habe das Foto
gemacht. Er habe keinerlei Flagge oder gar ein Wagner-Abzeichen auf der
Uniform getragen, seine Nationalität sei „schwer zu sagen“. Ein
M23-Kommandeur behauptet, weitere vier weiße Söldner seien gefallen.
Beweise liefert er nicht.
Recherchen der taz bestätigen: Das [5][Hotel Mbiza] im Stadtzentrum von
Goma, unweit des Flughafens und nur wenige Straßenecken von der Grenze zu
Ruanda entfernt, ist voll von Weißen mit Waffen. „Es sind Dutzende,
vielleicht sogar hundert weiße Männer in Uniform“, berichtet ein lokaler
Journalist, der im Auftrag der taz das Hotel aufgesucht hat und dessen Name
aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden kann. „Sie tragen verschiedene
Uniformen ohne Landesflagge und Pistolen am Gürtel.“ Die meisten sprächen
fließend Französisch.
Der Eingangsbereich wird streng bewacht von Soldaten der kongolesischen
Präsidentengarde. Sie bestätigen: Das ganze Hotel sei für einen längeren
Zeitraum von Ausländern angemietet worden. „Es ist jetzt das Hauptquartier
der Weißen“, erklärt ein Soldat am Eingang, mehr Auskunft will er nicht
geben.
Bei einem kurzen Blick in den Konferenzraum des Hotels sieht man dort
Kongos Flagge aufgestellt, kongolesische Offiziere der Spezialeinheiten
gehen ein und aus. Fotos, die die taz erhalten hat, zeigen muskelbepackte
Schwergewichte mit kurz geschorenen Haaren und verspiegelter Sonnenbrille,
die im verdunkelten Auto durch Goma fahren – mit bewaffneten kongolesischen
Soldaten als Begleitschutz.
## Aus der Fremdenlegion über Bangui nach Goma
Die Kongolesen in Goma bezeichnen die Söldner als „Russen“, mit der
Anspielung auf die in Afrika berüchtigten Wagner-Truppen. Doch ob es sich
nun um Russen oder andere Osteuropäer handele, „das können die meisten
Kongolesen tatsächlich nicht auseinanderhalten“, so der lokale Journalist.
Ein Angestellter von Kongos Immigrationsbehörde am Flughafen in Goma
versichert der taz: Er habe beim Eintreffen der weißen Militärs am 22.
Dezember mit einer Boeing 737, die von der rumänischen Fluggesellschaft
Hello Jets gechartert worden war, Pässe aus Rumänien abgestempelt. Und ein
weiteres Foto, das am 2. Januar online gestellt wurde, gibt konkretere
Hinweise. Ein weißer, schon etwas älterer Mann mit kurz geschorenen Haaren,
in ziviler Kleidung aber mit einem AK-47-Sturmgewehr in den Händen steht
zwischen zwei kongolesischen Soldaten auf einer Straße nördlich von Goma.
Bei diesem Mann handelt es sich um einen gestandenen Söldner aus Rumänien:
Horatiu Potra.
Geboren 1970 in der rumänischen Stadt Medias in Transsilvanien, ging Potra
in den 1990er Jahren zur französischen Fremdenlegion. Ende der 1990er wurde
er der persönliche Chefleibwächter des Emirs von Katar. Seit der
Jahrtausendwende trieb er sich meist in Afrika herum: Er trainierte in der
Zentralafrikanischen Republik Leibwächter des damaligen Präsidenten
Ange-Félix Patassé und brachte Aufständischen im Tschad das Kämpfen bei.
Unter seinem Kriegsnamen [6][„Leutnant Henry“] hatte er es von 2002 an auch
mit dem kongolesischen Rebellenführer Jean-Pierre Bemba zu tun, der damals
mit seiner Rebellenorganisation MLC (Bewegung zur Befreiung des Kongo)
Patassé in der Zentralafrikanischen Republik unter die Arme griff. 2016
soll Horatiu Potra im Auftrag Moskaus in der Zentralafrikanischen Republik
die Leibwächter des aktuellen Präsidenten Faustin Touadéra ausgebildet
haben.
Ob Potra einer der sogenannten Instrukteure auf der Gehaltsliste der
russischen Söldnerfirma Wagner war, lässt sich bislang nicht bestätigen –
die taz hat zahlreiche internationale Wagner-Experten sowie die
UN-Expertengruppe zur Überwachung der Demokratischen Republik Kongo danach
gefragt. Potra ist Geschäftsführer der rumänischen Söldnerfirma
[7][Associata RALF] mit Sitz in Sibiu in Transsilvanien, die auf ihrer
Internetseite angibt, sie trainiere Leibwächter für VIPs, beschütze
„sensible Gebiete“ wie Minen in Afrika und bilde Spezialeinheiten aus. Sie
verweist dabei ausdrücklich auf ihren Kodex, der der französischen
Fremdenlegion entnommen ist. Auf taz-Anfragen antworten die Firma und
Geschäftsführer Potra nicht.
## Modernes Kriegsgerät aus Moskau
Kongos Regierung hat im vergangenen Jahr die Beziehungen zu Russland
intensiviert. Im August war Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda in
Moskau [8][zu einer Sicherheitskonferenz eingeladen] und lobte in seiner
Rede die „Unterstützung“ Russlands im Kampf gegen die Rebellen im Ostkongo.
Russland wiederum sagte Kongos maroder Armee modernes Kriegsgerät zu:
Panzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge.
So etwas war bislang gar nicht so einfach. Das 2003 im Rahmen des
Friedensvertrages für Kongo verhängte Waffenembargo gegen Kongo wurde zwar
2008 teilweise aufgehoben, doch weiterhin musste der UN-Sicherheitsrat
informiert werden, wenn Kongos Armee oder Polizei von außerhalb des Landes
Ausrüstung oder Ausbildung erhalten sollte.
Diese Auflagen wurden erst im Dezember 2022 abgeschafft, vor allem dank
Russland im UN-Sicherheitsrat. Die Resolution zur Beendigung der Pflicht
zur „Notifizierung“ [9][verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 20.
Dezember]. Zwei Tage später trafen die weißen Söldner mit rumänischen
Pässen in Goma ein.
Kongos Luftwaffe besteht hauptsächlich aus russischen Beständen, darunter
vier russische Mi-8 Kampfhubschrauber und acht Mi-24 Kampfhubschrauber.
Einer der beiden Transport-Hubschrauber Mi-26 ist letztes Jahr im Einsatz
abgestürzt. Das übrige Gerät, das derzeit im Kampf gegen die M23 ständig
gebraucht wird, muss dringend gewartet werden, um weitere Unfälle zu
vermeiden. Doch Russland braucht derzeit im Krieg gegen die Ukraine sein
Material selbst – das Angebot auf dem Weltmarkt ist dementsprechend gering
und noch dazu sehr teuer.
In den vergangenen Monaten hat der russische Botschafter, Wiktor Tokmakow,
immer wieder Vertreter des kongolesischen Sicherheitsrates sowie Mitglieder
des Senatsausschusses für Sicherheit in Kinshasa getroffen. Tokmakow war
von 2015 bis 2021 Botschafter in Bangui, der Hauptstadt der
Zentralafrikanischen Republik, wo Russen von Wagner und des
Militärgeheimdienstes GRU die Armee ausbilden und ausrüsten und im Gegenzug
Firmen im Wagner-Umfeld Bergbaurechte erhalten haben.
Hat Russland auf einen ähnlichen Deal im Kongo gehofft? Armee und Regierung
äußern sich dazu nicht. Aus Kreisen von Kongos Spezialeinheiten in Goma
heißt es gegenüber der taz: Die Russen hätten zu hohe Preise verlangt. Man
wandte sich anderen Partnern aus Osteuropas zu.
## Bulgarische Techniker für die Luftwaffe
Als Kongos Verteidigungsminister Gilbert Kabanda im Mai auf dem Flugfeld
der Luftwaffe in der Hauptstadt Kinshasa eine Flugdemonstration abnahm,
standen auf dem Rollfeld Osteuropäer in Uniformen mit dem Abzeichen der
privaten Firma „Agemira“. Kabanda lobte: Die hätten in nur 57 Tagen die
alten russischen Kampfhubschrauber wieder flottbekommen.
UN-Ermittler im Kongo bestätigen der taz: Die bulgarische Firma Agemira mit
Hauptsitz in Sofia hat eine Tochterfirma in Kinshasa gegründet, die für
Kongos Armee Hubschrauber und Kampfjets wartet. Am Flughafen von Goma habe
Agemira rund 40 Ingenieure und Flugtechniker stationiert, um dort
Reparaturen durchzuführen. Diese Techniker sind nicht nur Bulgaren, unter
ihnen sind auch Georgier und Weißrussen, die sich mit russischen Maschinen
auskennen. Kongos Luftwaffe beschäftigt georgische Piloten.
All diese Männer aus ehemaligen Sowjetländern sind nun offensichtlich mit
den Rumänen im Hotel Mbiza einquartiert. Nach einem Bericht des
französischen Fachbriefes Africa Intelligence ist Potras Auftraggeber
offiziell nicht Kongos Verteidigungsministerium, sondern die Firma Congo
Protection, die dem Geschäftsmann Bijou Eliya und dem
Parlamentsabgeordneten Patrick Bologna gehört; Bologna ist Gründer und
Präsident der Kleinpartei ACO (Avenir du Congo) des kongolesischen
Premierministers Sama Lukonde.
Jetzt bewachen die rumänischen Söldner den Flughafen von Goma, auf dem die
Techniker der bulgarischen Agemira die Fluggeräte fit machen. Kongos Armee
will ausschließen, dass das strategisch wichtige Rollfeld, das erst vor
wenigen Jahren [10][mit Geld aus Deutschland instandgesetzt] wurde, in die
Hände der M23-Rebellen fällt – wie beim letzten Krieg 2012. Damals hatten
die M23-Kämpfer die Armeedepots am Flughafen geplündert – darin lagerten
auch Mittelstreckenraketen, die Kongos Armee frisch aus Russland eingekauft
hatte.
9 Jan 2023
## LINKS
[1] https://twitter.com/Josemubad2/status/1609949814669590530
[2] /Wachwechsel-in-Mali/!5871972
[3] /Krise-der-Zentralafrikanischen-Republik/!5778148
[4] https://www.ft.com/content/8e720aa2-1cb3-474c-b4eb-805c03504f8f
[5] http://www.mbizahotel.com
[6] https://www.legal-tools.org/doc/23cf54/pdf/
[7] http://asociatiaralf.ro/home-6/
[8] https://b-onetv.cd/rdc-russie-le-ministre-de-la-defense-gilbert-kabanda-au-…
[9] https://media.un.org/en/asset/k1e/k1enkqjelb
[10] /Entwicklungshilfe-im-Kongo/!5019750
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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