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# taz.de -- Europäische Ausbilder im Kongo: Verdeckter Einsatz
> Private europäische Militärausbilder helfen Kongos Armee im Kampf gegen
> Rebellen. Sind diese Firmen in Kampfhandlungen verstrickt? Eine
> Spurensuche.
Bild: Ein Beobachtungsposten von kongolesischen Soldaten und rumänischen Ausbi…
Goma, Kinshasa, Bukarest, Sofia und Kampala Ein Kongolese in Uniform liegt
auf dem Bauch auf einer Plastikfolie, unter ihm vulkanisches Gestein. Er
hat sein Sturmgewehr im Anschlag. Am Horizont hinter einem Stacheldraht
erhebt sich majestätisch der gewaltige Nyiragongo-Vulkan. Im Hintergrund
hört man das Dröhnen der Flugzeuge: Auf der anderen Seite des
Stacheldrahtzauns erstreckt sich die geteerte Landebahn des internationalen
Flughafens von Goma. Die Millionenstadt im Osten der Demokratischen
Republik Kongo – direkt an der Grenze zu Ruanda – ist dieser Tage
eingekesselt von Rebellen.
„Pass auf den Wind auf, der Wind ist dein Feind“, sagt ein Rumäne in
Uniform dem kongolesischen Soldaten auf dem Boden und legt ihm eine Münze
auf den Gewehrlauf: Damit soll er lernen, still zu halten, die Münze darf
nicht herunterfallen. Der Soldat mit dem Sturmgewehr am Boden drückt ab.
„So ist es gut, sehr gut“, lobt ihn der rumänische Ausbilder. Der Soldat
reagiert nicht. Wenn die Münze auf den Boden fällt, muss er Liegestütze
stemmen.
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo herrscht Krieg. Millionen
Menschen sind auf der Flucht. Die von Ruanda unterstützten Rebellen der M23
(Bewegung des 23. März) dehnen das von ihnen eroberte Gebiet stetig aus. In
und um Goma sind Regierungssoldaten, lokale Milizen, Eingreiftruppen aus
dem südlichen Afrika und UN-Blauhelme aus aller Welt stationiert – aber
auch bewaffnete Weiße aus Europa, die keiner staatlichen Armee angehören.
Diese privaten, europäischen Militärausbilder machen [1][kongolesische
Rekruten fit für den Kampfeinsatz]. Ein Teil des Flughafengeländes ist zu
ihrem Trainingszentrum umfunktioniert. Fünf Monate dauert die
Grundausbildung. Die Frage ist, ob sich die Ausbilder auch aktiv an
Kampfhandlungen beteiligt haben. Die EU verurteilt den Einsatz von
Söldnern. Gemeinsam mit der französischen Tageszeitung Libération und dem
rumänischen Onlinemedium PressOne ist die taz diesem Kapitel des Krieges
nun nachgegangen.
„Ein Soldat an der Front muss wissen, wie er seine Waffe benutzt“, erklärt
Chefausbilder Radu. Der Rumäne will seinen Nachnamen nicht nennen. Das
Training beinhalte auch Erste-Hilfe-Kurse, Völkerrecht, Umgang mit
Kriegsgefangenen bis hin zum Schießtraining, sagt er. Neben ihm übt eine
Gruppe kongolesische Soldaten, Kalaschnikows auseinanderzunehmen und wieder
zusammensetzen. Eine andere Gruppe sitzt auf dem kantigen Lavagestein im
Kreis, blaue Notizbücher in der Hand. Daneben steht ein Pick-up mit
aufgebocktem Maschinengewehr auf der Ladefläche. „Welche Waffe ist das?“,
fragt ein Ausbilder.
Was hier hinter dem Stacheldrahtzaun am Flughafen vor sich geht, war lange
Zeit nicht bekannt. Selbst europäische Diplomaten geben an, nicht zu
wissen, was genau die Rumänen da treiben. Publik wurde die Anwesenheit
ausländischer Ausbilder im Januar 2023, als ein Foto in den sozialen Medien
für Wirbel sorgte. Darauf zu sehen: ein bewaffneter weißer Offizier nahe
der Frontlinie nördlich von Goma.
Damals zirkulierten Gerüchte, [2][russische Wagner-Truppen] seien im Kongo
gelandet. Weiße in Uniform hatten sich bereits in einem Hotel in Goma
einquartiert. Das feuerte die Gerüchte zusätzlich an. Die taz begann zu
recherchieren. Es stellte sich heraus: Die weißen Uniformierten, die zuerst
am 22. Dezember 2022 aus einem gecharterten Flugzeug in Goma stiegen, waren
Rumänen und Moldauer, keine Russen.
Als Felix Tshisekedi 2019 Kongos Präsident wurde, versprach er der
kriegsmüden Bevölkerung Friede und Sicherheit. Er wollte alles anders
machen als sein Vorgänger Joseph Kabila, dem es in 18 Jahren nicht gelungen
war, den Osten zu stabilisieren, wo über hundert Milizen ihr Unwesen
treiben.
Mit Tshisekedi an die Macht kam auch eine neue Riege Generäle, die anders
als Kabilas gestandene Militärs keine Kampferfahrung hatten. 2021 begann
ein erneuter Krieg mit den M23-Rebellen, die 2012 schon einmal gegen Kongos
Armee gekämpft und sogar kurz Goma erobert hatten. Laut UN-Ermittlungen hat
Ruanda inzwischen mehr als 3.000 Soldaten entsandt, um die M23 zu
unterstützen. Die Tutsi-geführten Rebellen kontrollieren einen weiten
Landstrich rund um Goma, fast so groß wie das Nachbarland, und die
Millionenstadt ist seit Anfang 2024 eingekesselt.
Im Kampf gegen die M23 musste Kongos Armee zahlreiche Niederlagen hinnehmen
und verlor teures Gerät wie Hubschrauber und Jets. Doch anstatt sich auf
Verhandlungen mit der M23 einzulassen, wie 2013, entschied Tshisekedi, alle
Mittel einzusetzen, um den Krieg zu gewinnen. Laut Angaben des schwedischen
Verteidigungs-Think-Tank Sipri (Stockholm International Peace Research
Institute) verdoppelte Kongos Regierung innerhalb nur eines Jahres, von
2022 auf 2023, die Verteidigungsausgaben. Präsident Tshisekedi lud
befreundete Truppen aus Burundi und dem südlichen Afrika ein und
mobilisierte lokale Milizen, um die Armee zu unterstützen.
In der Militärbasis Mubambiro außerhalb der Kleinstadt Sake, 25 Kilometer
westlich von Goma, sind nun alle Kräfte zusammengezogen, um Goma zu
verteidigen. Es ist die letzte Frontstadt vor dem Rebellengebiet: Kongos
Armee, UN-Blauhelme, südafrikanische Eingreiftruppen, lokale „patriotische“
Milizen, Kämpfer der aus den Tätern des Völkermordes an Ruandas Tutsi
hervorgegangenen Hutu-Milizionäre – und die weißen Ausbilder, auf sicherer
Distanz, aber alle im Auftrag des kongolesischen Präsidenten und mit einem
gemeinsamen Feind.
Der Ukrainekrieg bedeutete für den Krieg im Kongo zunächst jede Menge
Schwierigkeiten: Kongos veraltetes Kriegsgerät stammt fast vollständig aus
sowjetischen Beständen. Die Luftwaffe besteht aus zwei alternden
Sukhoi-Su-25-Kampfjets, während des letzten M23-Kriegs 2012 in der Ukraine
erstanden, und einigen Mi-24-Kampfhubschraubern. Die staatliche ukrainische
Rüstungsschmiede Ukroboronprom war bis 2022 auch wichtiger Lieferant von
Ersatzteilen und Munition. Seit 2022 benötigt die Ukraine ihr Gerät aber
selbst, und ein Einkauf in Russland ist unmöglich. Also schickte General
Franck Ntumba, Leiter von Tshisekedis Militärstab, Logistiker um die Welt,
um Ersatz zu besorgen.
Ntumba war auch auf der Suche nach privaten Sicherheitsfirmen.
Ex-Blackwater-Chef Erik Prince, in Söldnerkreisen eine Ikone, ließ für ihn
laut einem UN-Bericht von Ende 2023 seine Kontakte spielen und klopfte in
Kolumbien, Mexiko, Argentinien und Südafrika an. Fündig wurden die
Kongolesen schließlich in Rumänien und Bulgarien und in französischen
Kreisen, die seit jeher in Afrika aktiv sind.
Der Rumäne Horatiu Potra, Spitzname „Leutnant Henry“, ist Geschäftsführer
verschiedener Firmen mit Sitz in Transsilvanien, sowie Vorsitzender des
Verbandes ehemaliger rumänischer Angehöriger der französischen
Fremdenlegion (RALF). Laut Webseite trainiert er VIP-Leibwächter, beschützt
„sensitive Gebiete“, wie etwa Minen in Afrika, und bildet Spezialeinheiten
aus. Verwiesen wird auf den Ehrenkodex der französischen Fremdenlegion, in
der Potra in den 1990er fünf Jahre diente – seitdem hat er auch einen
französischen Pass und kennt viele Exsoldaten mit Kampferfahrung. 2022 zog
es ihn in die DR Kongo, wo er einen Vertrag zur Bereitstellung von
Ausbildern für Kongos Armee unterzeichnete.
Eingefädelt hat den Vertrag laut des französischen Onlinemagazins Africa
Intelligence Patrick Bologna, ein ostkongolesischer Geschäftsmann, der in
Kinshasa als Honorarkonsul der Ukraine fungiert. Er hat angeblich unter
seinem Namen die Sicherheitsfirma Congo Protection registriert. Diese nimmt
die rumänischen Partner unter Vertrag. Auf Anfragen reagiert Bologna nicht.
„Wir arbeiten mit mehreren Partnern zusammen“, bestätigt Kongos
Armeesprecher General Sylvain Ekenge: „Die Franzosen bilden höhere
Offiziere aus, die Belgier bilden Kommandos aus und helfen uns auch im
Hauptquartier.“ Die israelische Firma Fortress trainiere eine
Spezialeinheit der Präsidentengarde. Ingenieure aus Frankreich, Algerien,
Georgien und Bulgarien warten am Flughafen von Goma Kongos marode
Kampfjets.
Neben Potras Verband ist die zweite in Goma präsente Sicherheitsfirma
Agemira RDC. Die Firma, spezialisiert auf die Wartung von Hubschraubern und
Jets, beschäftigt rund 100 Leute – Mechaniker und Ingenieure aus Georgien
und Belarus, Piloten aus Algerien und 20 Mann „Sicherheitspersonal“,
zumeist Franzosen. Auf Anfrage antwortet Frankreichs
Verteidigungsministerium: „Kein Kommentar.“
Diese im Kongo registrierte Firma trägt denselben Namen wie die in
Bulgarien gemeldete Firma Agemira, spezialisiert auf die Wartung von
Fluggerät. In der bulgarischen Hauptstadt Sofia hatte Agemira laut
Handelsregister bis Oktober ihren Sitz an derselben Adresse wie die private
Rüstungsschmiede Metalika, die mehrfach wegen Brüchen von UN-Waffenembargos
in Skandale verwickelt gewesen ist. Im Jahr 2023 hat die DR Kongo in
Bulgarien laut offiziellen Zahlen Kriegsgerät im Wert von 46 Millionen Euro
eingekauft, vor allem Sturmgewehre, und ist damit Bulgariens bester Kunde
in Afrika. Auf Anfrage reagiert Metalika nicht.
Im bulgarischen Handelsregister der Firma, die Anfang Oktober in „Bulgarian
Global Solutions“ umbenannt wurde, ist als Geschäftsführer der ehemalige
französische Gendarm Olivier Bazin eingetragen, der ebenso die
kongolesische Agemira RDC leitet. Unter dem Spitznamen „Colonel Mario“ ist
Bazin seit Jahrzehnten in Afrika aktiv – zunächst in Gabun, in der
Elfenbeinküste und in der Zentralafrikanischen Republik. Später zog es ihn
nach Mali, wo seine Teams Armeehubschrauber warteten. Dann putschten in
Mali die Generäle und warfen die Franzosen hinaus. Russische Wagner-Kämpfer
übernahmen den Job.
2021 zog es Bazin in die DR Kongo. Als 2023 Kongos damaliger
Verteidigungsminister Jean-Pierre Bemba, einst Rebellenführer mit
Beziehungen in die Zentralafrikanische Republik, erstmals in seiner
Ministerfunktion an die Front nach Goma flog, war Bazin an seiner Seite.
Auf Anfrage erklärt Bazin, dass zwischen den gleichnamigen Firmen Agemira
im Kongo und in Bulgarien keine Verbindungen bestünden: „Die beiden
Unternehmen haben unterschiedliche Aktivitäten, unterschiedliche Aktionäre
und keine Kapitalbeziehung zwischen ihnen.“ Mit den Geschäftsführern von
Metalika sei man zwar bekannt, „wir arbeiten jedoch nicht mit diesem
Unternehmen zusammen“, so Bazin. Er gibt jedoch zu: Agemira RDC übernahm
bei Verträgen zwischen Kongos Regierung und China, wo die DR Kongo jüngst
Kampfdrohnen einkaufte, eine „beratende Funktion“.
Die Verträge zwischen Kongos Regierung, Congo Protection, Agemira RDC und
Potras Verband sind unter Verschluss. Der taz ist es jedoch gelungen,
jemanden zu sprechen, der diese Abkommen vorliegen hat. Darin sei von
„Ausbildung“ die Rede. Doch die tatsächlichen Tätigkeiten gehen offenbar
darüber hinaus.
„Leider haben wir einige Kameraden verloren“, bedauert Potra. In
khakifarbener Hose und schwarzem Hemd mit dem Logo seiner Firma auf der
Brust sitzt der Rumäne im Restaurant des Mbiza-Hotels in Goma unweit des
Flughafens. In seinem Gürtel steckt eine Pistole. Vier rumänische Ausbilder
seien seit 2022 im Kongo ums Leben gekommen, bestätigt das rumänische
Außenministerium.
Das Hotel Mbiza mit Konferenzräumen und einem veralteten Fitnessstudio ist
wie eine Reihe weiterer Hotels in Goma seit Ende 2022 von den Rumänen
ausgebucht. Ein rumänischer Koch serviert heimische Speisen: „Wenn hier
Friede wäre, wäre es fast das Paradies“, sagt Potra.
Die rund 800 Rumänen gehören mittlerweile zum Stadtbild. Man sieht sie in
Geländewagen oder im Supermarkt beim Zigarettenkaufen. „Romeos“ werden sie
genannt, nach ihrem Funkgerät-Signalcode. Sie treiben sich auch auf der
Online-Datingplattform Tinder herum. Aber sie dürfen abends nicht ausgehen.
„Alkohol und Waffen gehören nicht zusammen“, sagt Potra.
Der 54-Jährige erklärt die Mission: „Als wir 2022 das erste Mal kamen,
wurde uns von den Behörden klar vorgegeben, dass wir die Armee ausbilden
sollten“, so Potra und führt aus: „Wir kamen zunächst mit 300 Mann, nicht
nur mit Ausbildern, denn unsere Bedingung war, dass wir auch Leute haben
müssten, die die Ausbilder beschützen. Denn im Falle eines Angriffs der
Rebellen werden wir nicht als Freunde betrachtet.“
Auf X zirkulierten im Februar dieses Jahres Fotos von zwei toten Rumänen.
Rumäniens Außenministerium bestätigte später, dass Rumänen ums Leben kamen,
als M23-Rebellen die Kleinstadt Sake 25 Kilometer westlich von Goma
angriffen. Der rumänische Afghanistan-Veteran Constantin Timofti, einer von
Potras Kämpfern, berichtet: „Die Schusswechsel waren intensiv, es dauerte
etwa 45 Minuten.“
Danach wurde das Training an den Flughafen von Goma verlegt, weg von der
Frontlinie. Die Rumänen richteten rund auf den Hügeln Beobachtungsposten
ein. Einer lag rund sieben Kilometer nördlich von Goma, berichtet Potra:
„Aufgrund des Vormarsches der Rebellen um unsere Position herum waren wir
gezwungen, uns an den Stadtrand zurückzuziehen, quasi die letzte Stellung
am Stadteingang.“
Bei einem Mörserangriff auf diesen Hügel wurde im Juni ein weiterer Rumäne
getötet und drei verletzt, als sie gerade eine Aufklärungsdrohne steigen
ließen. Einer der Verletzten hatte einen französischen Pass und wurde nach
Paris ausgeflogen. Ein weiterer starb später in seiner Heimat.
In den Augen der M23-Rebellen sind dies „Söldner“, die sich aktiv in den
Krieg einmischen. „Die Regierung gibt das ganze Geld diesen Söldnern, und
diese Osteuropäer kommen nun hierher, um uns Kongolesen zu töten“, regt
sich M23-Sprecher Lawrence Kanyuka am Telefon auf. Er lacht bei dem
Hinweis, dass es sich um Ausbilder handelt. „Was machen diese Weißen in
Uniform an der Front?“, fragt Kanyuka. „Wenn es sich um Ausbilder handelt,
dann sollten sie im Trainingslager sein.“
Potra reagiert darauf empört: „Die Welt kritisiert uns, es heißt immer
wieder, rumänische Söldner seien gekommen, um zu töten“, sagt er. „Unsere
Leute kommen nicht zum Spaß hierher, sondern weil sie Geld verdienen
müssen, um ihre Kredite oder Steuern zu bezahlen.“ Die meisten Ausbilder
seien ehemalige rumänische Soldaten, die nun im Kongo bis zu 6.000 Dollar
im Monat verdienen. Zum Vergleich: Kongos Soldaten verdienen gerade einmal
150 Dollar.
Potra stellt klar: „Wir haben keinen direkten Kontakt mit der M23, es sei
denn, wir werden angegriffen.“ M23-Sprecher Kanyuka lässt wiederum keinen
Zweifel daran, dass er die Ausbilder als Feinde betrachtet. Im Januar traf
eine Kampfdrohne das Fahrzeug von M23-Geheimdienstchef Oberst Castro
Mberabagabo nahe der Handelsstadt Kitchanga, 100 Kilometer von Goma
entfernt. Er war sofort tot. Sein Kamerad Erasto Bahati, zuständig für
Finanzen, überlebte schwer verletzt. Ein schwerer Schlag für die M23.
Abgefeuert wurde die Drohne von einem Kongolesen – gesteuert wurde sie
allerdings von Agemira-Ingenieuren.
Für Agemira RDC ist in Goma der Franzose Romuald Létondot zuständig. Der
pensionierte Oberstleutnant der französischen Armee sitzt in der Lac Kivu
Lodge, einem schicken Hotel am Ufer des Kivu-Sees, wo UN-Leute und
Diplomaten absteigen. Er bestellt Kaffee und Croissants. „Romu“, wie er
genannt wird, ist ein redseliger Zeitgenosse. „Ich habe den Eindruck,
nützlich zu sein“, sagt er. Während des Völkermords an den Tutsi 1994 sei
er in Ruanda gewesen, „ich half bei der Evakuierung von Franzosen. Diesen
dreißigjährigen Krieg würde ich gerne abschließen“, erklärt er seine
Mission. Als sein alter Freund Bazin, den er „in Mali getroffen“ habe, ihm
vorschlug, an einem „Abenteuer“ teilzunehmen, habe er nicht gezögert.
„Unsere ersten Leute kamen im Juni 2022“, berichtet er. „Es gab eine Zeit,
in der wir den Krieg hätten gewinnen können“ sagt er. „Aber die ruandisch…
Truppen wurden mit neuer Ausrüstung ausgestattet.“ Ferngesteuerte Raketen,
Flugabwehrbatterien, Flugabwehrradare: Damit konnte die M23 mit ruandischer
Hilfe zwei der in China eingekauften Kampfdrohnen der kongolesischen Armee
abschießen, eine dritte kollidierte auf dem Rollfeld mit einem
Feuerwehrauto. „Wir haben die Drohnen verloren, jetzt müssen wir das
Waffenarsenal weiter aufrüsten“, so Létondot: „Wir versuchen, die
Schlagkraft der Armee zu erhöhen.“
„Agemira RDC und Congo Protection intensivierten ihre strategische und
taktische Unterstützung der Gegenoffensive“, bestätigt ein
UN-Expertenbericht Ende 2023. „Congo Protection beriet bei den
Artillerie-Angriffen auf M23-Stellungen“, Agemira RDC leiste „strategische
Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Operationen“, darunter
„Bodenaufklärung in Echtzeit sowie Waffenlieferungen.“
In ihrem jüngsten Report vom Juli 2024 publizierten die UN-Experten Fotos,
wie der lokale ostkongolesische Milizenchef Guidon Shimiray, ein
berüchtigter Kriegsverbrecher, der derzeit die Armee unterstützt, in einen
Armeehubschrauber steigt, den eine Agemira-Crew fliegt. In seiner
Stellungnahme erklärt Bazin ausdrücklich: „Agemira RDC unterhält keine
Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppen.“ Bei diesem „einmaligen Vorfall“
wurde „unseren Mitarbeitern die Identität des von Ihnen genannten
Passagiers nicht mitgeteilt“, so Bazin. Dieser habe eine Uniform der
kongolesischen Armee getragen. Bazin stellt klar: „Seit diesem Vorfall
wurden unsere Besatzungen angewiesen, die Identität von Passagieren in
Transportflugzeugen zu überprüfen und Personen, die möglicherweise
bewaffneten Gruppen angehören, das Einsteigen zu verweigern.“
## Über die Grauzonen im Klaren
„Das fällt in die Grauzone, die wir mit Söldnerakteuren in Verbindung
bringen“, erläutert Jovana Ranito, Chefin der Arbeitsgruppe des
UN-Menschenrechtsrats für Söldnerangelegenheiten. „Wenn sie sich auf dem
Schlachtfeld befinden, wenn sie in direkte Kampfhandlungen verwickelt sind,
gelten sie für uns nicht mehr nur als private Sicherheitsfirma. Das wären
Söldner oder mit Söldnern verbundene Akteure“. Dies gelte auch, wenn sie
„beispielsweise die Drohnen auf dem Schlachtfeld steuern“.
Létondot ist sich über die Grauzone im Klaren. „Im vergangenen Sommer
wollten wir die Roméos in Kitchanga stationieren“, sagt er. Doch dann
rückte die M23 auf den Ort, rund 100 Kilometer von Goma entfernt, vor. „Man
hätte uns vorwerfen können, dass wir an einer Offensive teilnehmen“, so
Létondot. „In diesem Fall hätten wir dann tatsächlich als Söldner
fungiert.“
Die EU verurteilt den Einsatz von Söldnern und kritisiert die Aktivitäten
der russischen Wagner-Kämpfer in Afrika. Auch in Frankreich sind Söldner
illegal. Deswegen befragen ihn die französischen Geheimdienste regelmäßig,
wenn er aus Goma nach Hause zurückkehrt, so Létondot. Sie wollen
sicherstellen, dass es sich nicht um Söldneraktivitäten handelt. Man habe
ihm gesagt, er handle „gegen die Interessen Frankreichs“, berichtet er.
„Manchmal sage ich ihnen: Wenn wir abziehen, übernimmt Wagner.“
Die Recherche wurde durch ein Stipendium des Investigative Journalism for
Europe (IJ4EU) unterstützt.
27 Nov 2024
## LINKS
[1] /Europaeische-Soeldner-im-Kongo/!5904737
[2] /Wagner-Nachfolger-in-Afrika/!5998414
## AUTOREN
Andreea Câmpeanu
Patricia Huon
Simone Schlindwein
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