# taz.de -- Demonstrationen im Sudan: Mit Ziegelsteinen für Gerechtigkeit | |
> Sudans Bürger lehnen sich auf gegen die herrschenden Militärs. Sie | |
> verlangen eine Rückkehr zur Zivilregierung. | |
Bild: Proteste am 1. Juli im sudanesischen Kartum | |
KAMPALA taz | Trotz zahlreichen Toten gingen die Proteste im Sudan über das | |
Wochenende weiter. Das Ärztekomitee in Sudan meldet mittlerweile neun Tote, | |
darunter ein 15-jähriger Junge, und mehr als 500 Verletzte bei den | |
Demonstrationen in Sudans Hauptstadt Khartum. Ärzte in Karthum berichteten, | |
Soldaten hätten Tränengas in ein Krankenhaus geschossen, das Demonstranten | |
behandelte, und versucht, es zu stürmen. | |
Das erhöht die Gesamtzahl der bei Protesten – seit dem [1][Putsch gegen | |
Diktator Omar al-Bashir] 2019 – ums Leben gekommenen Menschen auf insgesamt | |
113, darunter 18 Kinder, so das Ärztekomitee, das die Vorfälle bei den | |
Demonstrationen statistisch erfasst. | |
Anlass des Protests war vergangenen Donnerstag der Jahrestag der großen | |
Protestaktion gegen die Machtübernahme des Militärs nach dem Putsch gegen | |
Bashir 2019. Der 30. Juni ist zudem der Jahrestag des Militärputsches 1989, | |
durch welchen Bashir damals an die Macht kam – es war das Ende der letzten | |
zivilen Regierung des Sudan. | |
Über Zehntausende Menschen hatten sich in verschiedenen Stadtteilen von | |
Khartum und den jenseits des Nil-Flusses gelegenen Städten Omdurman und | |
Bahri am Donnerstag zusammengefunden. Sie schwenkten Fahnen, skandierten | |
Slogans, verlangten Gerechtigkeit für all diejenigen, die in den | |
vergangenen drei Jahren bei Protesten ums Leben gekommen waren. Mit | |
Ziegelsteinen und brennenden Reifen errichteten die Demonstranten | |
Straßensperren. Ziel war es, aus allen Richtungen auf den Präsidentenpalast | |
zuzumarschieren. | |
## Sicherheitskräfte stoppten die Protestierenden | |
Die Demonstranten verlangen eine Rückkehr zu einer zivilen Regierung. Beim | |
letzten Putsch im Oktober 2021 war Premierminister Abdalla Hamdok aus dem | |
Amt gehoben worden, der die wackelige Transitregierung zwischen Zivilisten | |
und Militärs anführte. Die Militärjunta unter Armeechef Abdel Fattah Burhan | |
übernahm damit vollends die Macht. | |
Doch unterwegs wurden die Protestanten von Sicherheitskräften gestoppten. | |
Diese schlossen die Brücken über den Nil nach Karthum, feuerten Tränengas, | |
benutzten Wasserwerfer und schossen letztlich in die Menge. Die Regierung | |
befahl gleichzeitig den Telekommunikationsfirmen des Landes, das Internet | |
und die sozialen Medien abzuschalten, über welche die Protestaktionen seit | |
Wochen geplant wurden. | |
Am Freitag und Samstag organisierte die führende Demokratiebewegung „Kräfte | |
zur Erklärung von Freiheit, Wandel“ in Karthum 24-stündige Sitzblockaden. | |
Am Sonntag meldeten einige Quellen, Polizei, Militärs und die gefürchtete | |
Schnelle [2][Eingreiftruppe von General Mohamed Hamdan Daglo] hätten | |
strategisch wichtige Kreuzungen in der Hauptstadt besetzt, um Proteste zu | |
verhindern. | |
## In Darfur kommt es immer wieder zu Kämpfen | |
In den vergangenen Wochen kriselt es nicht nur in der Hauptstadt, sondern | |
auch in anderen Landesteilen. In der Konfliktregion Darfur flammten die | |
Kämpfe wieder auf. Entlang der Grenze zu Äthiopien kam es zu militärischen | |
Auseinandersetzungen, nachdem sudanesische Soldaten in der umstrittenen | |
Grenzregion Al Fashaga von der äthiopischen Armee getötet worden waren. | |
Fotos der zur Schau gestellten Leichen der Soldaten zirkulierten in den | |
sozialen Medien. Sudans Armee startete daraufhin eine Militäroperation | |
jenseits der Grenze. | |
Die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und der regionale | |
Staatenbund IGAD, dem Sudan angehört, bemühen sich um Verhandlungen | |
zwischen Militärs und Demonstranten. „Wir sind sehr, sehr besorgt über die | |
anhaltende Anwendung exzessiver Gewalt durch die Sicherheitskräfte der | |
Regierung im Sudan“, sagte UN-Sprecher [3][Stéphane Dujarric] in New York: | |
„Es ist zwingend erforderlich, dass sich die Menschen frei und friedlich | |
ausdrücken können.“ | |
4 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Sudans-Ex-Diktator-Omar-al-Baschir/!5788399 | |
[2] https://www.theguardian.com/world/2019/may/29/hemedti-the-feared-commander-… | |
[3] https://twitter.com/stephdujarric?lang=de | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
## TAGS | |
Militär | |
Protest | |
Regierung | |
Sudan | |
Sudan | |
Kunst | |
Sudan | |
Wagner | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nach Protesten im Sudan: Militär verspricht Demokratisierung | |
Die Militärregierung im Sudan scheint auf die Forderungen der | |
Protestierenden einzugehen. Experten sehen darin eher eine Konsolidierung | |
ihrer Macht. | |
Galerien lehnen Raubkunstdebatte ab: Der maskierte Markt | |
Monika Edelmaier verkauft Kunst aus Afrika. Woher diese kommt, weiß sie | |
nicht immer. In diesem Markt wird wenig nach Raubkunst geschaut. | |
Darfur-Sudan-Konflikt: Ein neuer Bürgerkrieg | |
In Darfur sterben Hunderte bei Kämpfen und Vertreibungen. Seit das Militär | |
im Sudan wieder regiert, nehmen die Konflikte zu. | |
Moskaus enger Partner in Afrika: Neurussland in den Tropen | |
Die Zentralafrikanische Republik ist Russlands wichtigster Partner in | |
Afrika. Der russische Einfluss geht weit über die Söldnertruppe Wagner | |
hinaus. |