| # taz.de -- Russlands Griff nach Afrika: Gold und Sold | |
| > Putins globale Machtpolitik richtet sich neu aus – auf Afrika. Ihm geht | |
| > es um Rohstoffe, Lawrow spricht sogar von einer neuen „Weltordnung.“ | |
| Bild: Gold ist ein wichtiger Rohstoff – auch für Russland | |
| Kampala taz | So viel Afrika-Politik hat es in Russland seit dem Ende der | |
| Sowjetunion nicht gegeben. Der russische Außenminister Sergei Lawrow war | |
| vor einer Woche in Ruanda, danach in Südafrika. Sein Vize Michail Bogdanow | |
| wurde am Dienstag in Kinshasa empfangen, Hauptstadt der Demokratischen | |
| Republik Kongo. | |
| Bereits im März war Russlands Chefdiplomat in Simbabwe, Mosambik, Angola | |
| und Äthiopien gewesen – alles Länder, zu denen bereits die Sowjetunion enge | |
| Beziehungen gepflegt hatte. Im Mai war Ugandas Vize-Außenminister Henry | |
| Oryem in Moskau zu Besuch. In derselben Woche reiste Faustin Archange | |
| Touadéra, Präsident der Zentralafrikanischen Republik, nach St. Petersburg | |
| zum Internationalen Wirtschaftsforum und sprach dort ausführlich mit | |
| Russlands Präsident Wladimir Putin. | |
| Das ist kein Zufall. Putins Machtpolitik richtet sich global neu aus. Im | |
| Juni hat Russland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernommen, eine | |
| einmalige Chance, die Weichen dafür neu zu stellen. Und da spielen, wie | |
| schon zu Zeiten des Kalten Krieges, die afrikanischen Staaten eine | |
| wesentliche Rolle. | |
| Von einer „neuen Weltordnung“, in welcher Afrika ein „wichtiger Eckstein�… | |
| darstelle, sprach Russlands Außenminister Lawrow in Ruanda. Dessen | |
| Präsident Paul Kagame hat in diesem Jahr den Vorsitz der Afrikanischen | |
| Union (AU) inne und will die verstaubte Union fit machen: mehr eigene | |
| Friedenseinsätze, weniger Abhängigkeit vom Westen – da kommt Russlands | |
| diplomatische Offensive gerade recht. | |
| Lawrow versprach den Afrikanern in Kigali mehr Mitspracherecht im | |
| UN-Sicherheitsrat. Sein Vize versicherte kurz darauf den Kongolesen weniger | |
| Einmischung in die inneren Angelegenheiten und sagte gleichzeitig mehr | |
| militärische Zusammenarbeit zu. Klagen über Korruption und mangelnde | |
| Demokratie, wie sie vom Westen kommen – Fehlanzeige. Für Kongos Präsident | |
| Joseph Kabila, der schon anderthalb Jahre über das Ende seiner legitimen | |
| Amtszeit hinaus regiert, klingt das wie ein Heilsversprechen. | |
| ## Militärisches Engagement und Energiediplomatie | |
| Russland „versucht in Afrika jetzt aufzuholen“, erklärt Ronak Gopaldas, | |
| Direktor der Beratungsfirma Signal Risk in Südafrika. Der afrikanische | |
| Kontinent sei schon lange im Fokus der Supermächte. Seit Europa sich aber | |
| hauptsächlich mit Migration beschäftige und US-Präsident Donald Trump | |
| „America First“ ausgerufen hat, bemühten sich neben den Chinesen vermehrt | |
| Inder, Türken und Japaner um lukrative Deals in Afrika, so Gopaldas: | |
| „Russland will bei diesem Wettlauf nicht außen vor bleiben.“ | |
| Der russische Ansatz in Afrika sei ganz klar: „harte Machtpolitik, | |
| angeführt durch militärisches Engagement, kombiniert mit | |
| Energie-Diplomatie“. | |
| Von 2005 bis 2015 hat Russland seine Direktinvestitionen in Afrika um 185 | |
| Prozent gesteigert. Wie weit die wirtschaftlichen Interessen gehen, zeigen | |
| die Gespräche zwischen Russland und Uganda Ende Mai. Eine gemeinsame | |
| Erklärung, die der taz vorliegt, listet die Diskussionspunkte auf: | |
| Atomenergie, Gesundheitsprojekte, Telekommunikation, Verschlüsselung von | |
| Regierungsdaten, Flughafen- und Grenzsicherung bis hin zu den klassischen | |
| russischen Sektoren Öl und Gas – Russland hat viel zu bieten, was Afrika | |
| dringend braucht. | |
| Auch was die Finanzierung betrifft: Russlands zweitgrößte Bank VTB hat eine | |
| Tochtergesellschaft in Angola eröffnet, die dort den Großteil der | |
| russischen Investitionen mit Krediten deckt. Diese schielt jetzt auch in | |
| andere Länder Afrikas, ebenso wie die Promswjasbank, Gazprombank oder | |
| Eximbank. Russische Banken finanzieren Großprojekte wie Pipelines, die sich | |
| afrikanische Regierungen nicht allein leisten können. Das ist neu. | |
| ## „Versorgungszentrum für Kriegsschiffe“ am Roten Meer | |
| Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion war Russland in Afrika | |
| hauptsächlich militärisch präsent: Von der berühmten Kalaschnikow AK-47 | |
| über Panzer bis zum Kampfjet – afrikanische Armeen kaufen gerne bei den | |
| Russen. 13 Prozent seiner Rüstungsexporte liefert Russland nach Afrika. | |
| Russisches Gerät ist preiswerter und in der Regel gibt es Mechaniker und | |
| Piloten gleich dazu. | |
| Für die UN-Truppen im Kongo (Monusco), Südsudan (Unmiss) oder Sudans Region | |
| Darfur (Unamid) stellen Russen und Ukrainer den Löwenanteil der | |
| Hubschrauber und Transportflugzeuge. Russland hat durch seine Piloten mehr | |
| Personal in afrikanischen UN-Missionen als Frankreich, Großbritannien und | |
| die USA zusammen. | |
| Diesen Einfluss will Russland ausbauen. Jahrelang suchten die Russen nach | |
| einem geeigneten Marinestützpunkt in Afrika. In Dschibuti, wo unter anderem | |
| Frankreich, die USA und China Basen haben, wurde ihnen der Zugang verwehrt. | |
| Da guckte sich Putin anderweitig um. | |
| Ausgerechnet der mit Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof | |
| gesuchte sudanesische Präsident Omar al-Bashir bot ihm eine Basis am Roten | |
| Meer an. Strategisch ebenso gut gelegen, entlang der wichtigsten | |
| Handelsroute zum Suezkanal. | |
| Als Bashir im November im russischen Schwarzmeerressort Sotschi Putin die | |
| Hand schüttelte und dieses Angebot unterbreitete, bot er sich als | |
| „Türöffner“ in Afrika an. Putin schlug sofort ein. Im Gegenzug versprach … | |
| Sudans Diktator, dessen marode Armee aufzurüsten. Kurz darauf bot Bashir | |
| den Russen „ein Versorgungszentrum für russische Kriegsschiffe im Roten | |
| Meer“, wie der russische Botschafter in Khartum an diesem Samstag | |
| konkretisierte. | |
| Bashir ließ seine Kontakte spielen – vor allem ins krisengebeutelte | |
| Nachbarland Zentralafrikanische Republik. | |
| ## Militärausbildung „für umsonst“, betont Moskau | |
| Der zentralafrikanische Präsident Faustin-Archange Touadéra, 2016 gewählt, | |
| hat in der Schule einmal russisch gelernt. Touadéra befindet sich in einer | |
| misslichen Lage: Sein Land ist in Milizengebiete zerfallen, er regiert kaum | |
| mehr als die Hauptstadt, den Flughafen dort kontrolliert die ehemalige | |
| Kolonialmacht Frankreich, und seine eignen Leibwächter haben nicht einmal | |
| Pistolen, er wird von ruandischen Blauhelmen beschützt. | |
| Dann kam Putin ins Spiel. „Touadéra hat persönlich um Hilfe gebeten“, so | |
| Artjom Koschin, Sprecher des Außenministeriums in Moskau. Russland erwirkte | |
| im UN-Sicherheitsrat eine Ausnahme zum geltenden UN-Waffenembargo. | |
| Handfeuerwaffen, Maschinengewehre und Raketenwerfer wurden geliefert. | |
| Und, so Koschin weiter: „Mit dem Wissen des UN-Sicherheitsrats sind auch | |
| fünf Militärausbilder und 170 Zivilisten entsandt worden“. Sie sollen in | |
| Zentralafrika die Spezialeinheiten trainieren – „für umsonst“, betont | |
| Koschin. | |
| Als Präsident Touadéra Ende März zum ersten Mal eine Parade seiner frisch | |
| ausgebildeten 200 Soldaten abnahm, standen zwischen seinen ruandischen | |
| Leibwächtern Weiße neben ihm, in Uniform, aber ohne Abzeichen. Daneben: | |
| nigelnagelneue russische Ural-Panzer. | |
| Die waren per Schiff über Tunesien und Kamerun angeliefert worden – ohne | |
| Genehmigung der UNO. Touadéra hat aber keine Scheu, die Fotos auf seinem | |
| Facebook-Profil zu zeigen. | |
| ## „Russische Exklave“ im zentralafrikanischen Berengo | |
| Die Parade fand im heruntergekommenen Palast von Berengo statt, 70 | |
| Kilometer außerhalb von Bangui. Zentralafrikas Diktator Jean-Bédel Bokassa | |
| hatte sich dort 1977 zum Kaiser auf Lebenszeit krönen lassen. „In diesem | |
| Palast ist nicht nur mein Vater, sondern alle meine Vorfahren sind dort | |
| begraben – jetzt darf ich nicht einmal mehr das Grab besuchen“, entrüstet | |
| sich dessen Sohn Jean-Serge Bokassa telefonisch aus Bangui gegenüber der | |
| taz. | |
| Bis vor kurzem war er Innen- und Sicherheitsminister, dann überwarf er sich | |
| mit Touadéra. Der Grund: „Er hat meinen Privatbesitz heimlich an die Russen | |
| vergeben.“ | |
| Der Exminister klagt: Eigentlich müsste das Parlament über internationale | |
| Abkommen abstimmen. „Doch über die Beziehungen zu den Russen hat der | |
| Präsident heimlich alleine entschieden.“ Jetzt sei der alte Kaiserpalast zu | |
| einer „russischen Exklave“ verkommen, „jenseits der Kontrolle unserer | |
| Regierung“, so Sohn Bokassa. Berengo verfügt über eine Flugpiste, die lang | |
| genug ist für russische Transportflugzeuge. | |
| Nicht nur 175 Ausbilder hausen dort, sondern mindestens 300 bis 400 Russen, | |
| behauptet Bokassa: „Wer dort einreist und was diese Leute mit sich führen – | |
| darüber hat unsere Regierung keine Kontrolle, ich durfte nicht einmal deren | |
| Pässe kontrollieren“, so der Exsicherheitsminister. | |
| Er ist sich sicher: Lediglich fünf Russen seien offizielle Armeeausbilder, | |
| die übrigen sind „Gestalten mit zweifelhafter Visage und Kleidung – für | |
| mich sehen sie eindeutig aus wie Söldner“. | |
| ## Heute Öl in Syrien, morgen Gold in Afrika | |
| „Wagner“ heißt die private Sicherheitsfirma, unter deren Deckmantel der | |
| russische Militärauslandsgeheimdienst (GRU) mittlerweile weltweit agiert. | |
| Ob in der Ostukraine, auf der Krim, in Syrien oder Libyen – Wagner ist der | |
| entscheidende Player in Putins Kriegen, ähnlich wie einst die US-Firma | |
| Blackwater. | |
| Firmengründer Dimitri Utkin war bis 2013 Oberstleutnant und befehligte eine | |
| Speznas-Einheit des GRU. 2014 kämpfte er mit seiner Söldnereinheit in | |
| Syrien. Er registrierte seine Firma offiziell in Argentinien. Der | |
| Finanzmogul hinter Wagner ist Jewgeni Prigoschin, auch bekannt als „Putins | |
| Koch“, weil seine Cateringfirma die ausladenden Partys des Präsidenten | |
| ausrichtet. Sie liefert auch Nahrungsmittelrationen für Russlands Armee. | |
| Nach Einsätzen in Syrien und Libyen bereiteten sich Wagner-Söldner zu | |
| Beginn des Jahres für Sudan und die Zentralafrikanische Republik vor – dies | |
| berichtete der russische Investigativ-Journalist Igor Puschkarjow im März, | |
| nachdem er heimlich im Wagner-Trainingscamp im Kaukasus Söldner interviewt | |
| hatte. | |
| Zur selben Zeit erhielt die russische Firma M-Invest Ltd. Konzessionen für | |
| Goldminen in den beiden Ländern. Auch hinter dieser Firma steckt Oligarch | |
| Prigoschin. | |
| Wagner-Sicherheitsleute sollen nun in der Zentralafrikanischen Republik und | |
| im Sudan die M-Invest-Goldminen sichern. Der Sprecher des russischen | |
| Außenministeriums bestätigt: „2018 wurde mit der Erkundung von Mineralien | |
| und Rohstoffreserven begonnen“, um die zentralafrikanische Wirtschaft zu | |
| „stabilisieren“. Im Norden des Landes gibt es neben Gold Diamanten, Öl und | |
| Uran – fast alles unerschlossen. | |
| ## Besonderes Interesse am Uran | |
| Das Problem: Den Norden der Zentralafrikanischen Republik beherrscht | |
| Noureddine Adam, ein muslimischer Rebellengeneral, der 2013 mit der | |
| Rebellenallianz Seleka kurz sogar in Bangui regiert hatte. Jüngst wurden | |
| aber auch in Adams Territorium russische Cessna-Flugzeuge gesichtet. | |
| Adam will sich zu seiner Russen-Connection gegenüber der taz nicht äußern. | |
| Laut verschiedenen Quellen soll er sich mit russischen Unterhändlern in | |
| Khartum getroffen und eine Villa im Tschad gebaut haben. | |
| Für Uran interessieren sich die Russen in Afrika besonders. Der russische | |
| Nuklearkonzern Rosatom reichert 36 Prozent des weltweiten Urans an, vor | |
| allem für die zivile Nutzung. Die soll auch in Afrika, wo der Bedarf an | |
| Strom enorm ist, den Energiehunger stillen. | |
| In der gemeinsamen Erklärung Russlands mit Uganda steht die Atomenergie an | |
| erster Stelle. In Kigali nannte Lawrow als wichtigen Verhandlungspunkt die | |
| „friedliche Nutzung der Kernenergie“. | |
| 11 Jun 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
| ## TAGS | |
| Zentralafrikanische Republik | |
| Sudan | |
| Ruanda | |
| Uganda | |
| Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo | |
| Angola | |
| Russland | |
| Afrika | |
| Datenschutz | |
| Afrika | |
| Ehud Arye Laniado | |
| Sudan | |
| Zentralafrikanische Republik | |
| Russland | |
| Kamerun | |
| Russland-Ermittlungen | |
| Russland | |
| Afrika | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Trolle auf Facebook: Labor digitaler Demagogen | |
| Afrika biete ideale Bedingungen, um günstig die Effektivität von Kampagnen | |
| zu prüfen. Das Thema Datenschutz kommt zu kurz. | |
| Russland-Afrika-Gipfel: Gewehre als „Türöffner“ | |
| Beim ersten Russland-Afrika-Gipfel überhaupt umgarnt Putin in Sotschi seine | |
| Gäste. Rüstung und Technologie stehen im Vordergrund. | |
| Zum Tod von Ehud Arye Laniado: Ein fantasievolles Ende | |
| Der israelische Diamantenmogul Laniado verkehrte im Kreis der Mächtigen. | |
| Nun ist er bei einer Penisoperation gestorben. | |
| Proteste gegen Diktatur im Sudan: Das Regime lässt scharf schießen | |
| Es begann mit Demos gegen Preiserhöhungen. Aus ihnen wurde ein breiter | |
| Protest gegen Langzeitherrscher Omar Hassan al-Bashir. | |
| Russischer Einfluss in Zentralafrika: Moskau setzt sich in Bangui fest | |
| Russland und die zentralafrikanische Republik unterzeichnen ein | |
| Militärabkommen. Präsident Touadéra sieht sich im Aufwind. | |
| Journalisten in Zentralafrika getötet: Gefährliche kremlkritische Recherchen | |
| Drei russische Journalisten wurden in Zentralafrika erschossen. Sie | |
| recherchierten über dubiose Geschäfte einer russischen Sicherheitsfirma. | |
| Krise in Kamerun: Am Rande des Abgrunds | |
| Separatisten, Islamisten, ein unbewegliches Regime: Kamerun zittert. Im | |
| Oktober will sich der 85-jährige Präsident wiederwählen lassen. | |
| Beziehungen zwischen USA und Russland: Gipfeltreffen bestätigt | |
| US-Präsident Donald Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin kommen im | |
| Juli in Helsinki zusammen. Die US-Sanktionen sollen trotzdem bestehen | |
| bleiben. | |
| Russland rüstet Zentralafrika auf: Neue Waffen braucht das Land – nicht | |
| Der UN-Sicherheitsrat gewährt Russland eine Ausnahmegenehmigung, um Waffen | |
| an die Zentralafrikanische Republik zu liefern. | |
| Kolumne Afrobeat: Hammer und Machete | |
| Nicht die Volksrepublik China, sondern das Russland von Wladimir Putin ist | |
| das Vorbild der meisten afrikanischen Autokraten. |