# taz.de -- Kolumne Afrobeat: Hammer und Machete | |
> Nicht die Volksrepublik China, sondern das Russland von Wladimir Putin | |
> ist das Vorbild der meisten afrikanischen Autokraten. | |
Bild: Zimbabwes Machthaber Robert Mugabe | |
Lange Zeit dachte man, afrikanische Staaten auf der Suche nach einem | |
effizienten Entwicklungsmodell orientierten sich vor allem an China: | |
straffe Einparteiendiktatur plus geplante Modernisierung. Hohes | |
Wirtschaftswachstum, keine lästige Parteienvielfalt, dazu neue östliche | |
Märkte und Finanzquellen als Alternative zu den ehemaligen europäischen | |
Kolonialmächten mit ihrer ständigen Besserwisserei – das schien der Weg zu | |
sein, von Sudan bis Simbabwe, von Äthiopien bis Angola. | |
Aber unter Afrikanern wurde China nie so unkritisch geliebt wie der | |
neidische Westen dachte. Pekings ritualisiertes und kollektivistisches | |
KP-Modell hat in Afrika keine Wurzeln geschlagen, und das zuweilen | |
rassistische Gebaren vieler Chinesen gegenüber Afrika hat verhindert, dass | |
menschliche Nähe entstehen konnte. Es ging immer nur ums Geld, und mit | |
erlahmendem chinesischen Rohstoffhunger wird das Geld rar und die | |
Freundschaft erkaltet. | |
Die Politik afrikanischer Autokratien, soweit man das überhaupt | |
verallgemeinern kann, hat andere typische Merkmale. Nicht ein Kollektiv | |
regiert, sondern ein „Big Man“, ohne dessen Zustimmung nichts geht. | |
Es zählt nicht Legitimität durch Verfahren, sondern durch Freundschaft und | |
Verwandtschaft. Der Staatschef pflegt informelle Machtstrukturen, die im | |
Zweifelsfall über mehr Gewicht, Macht und Geld verfügen als die ganzen auf | |
dem Papier existierenden formellen Institutionen der | |
Mehrparteiendemokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit. | |
Das politische Ziel ist nicht der allgemeine Wohlstand für die Bevölkerung, | |
sondern der Machterhalt und die Lebensqualität der oberen zehn Prozent. Die | |
verfügen über alles – die ungebildete, kranke und verelendete | |
Bevölkerungsmehrheit kann sehen wo sie bleibt, beziehungsweise um sie darf | |
sich die westliche Entwicklungspolitik kümmern. | |
Das ist die Realität Afrikas auch in so manchen Ländern, die sich nach | |
außen als Inbegriffe strahlender Moderne präsentieren, mit Hochhäusern, | |
Shopping Malls, privat bewachten Villensiedlungen und 4G-Internet. Die | |
Söhne und Töchter der Elite gehen an die Spitzenuniversitäten der Welt, die | |
Eltern in die entsprechenden Bank- und Luxusmarkenfilialen, und alle treten | |
sie selbstbewusst „afrikanisch“ auf, wollen nicht mehr unterwürfig sein | |
gegenüber Europäern und Amerikanern. Es ist ein neues, stolzes, zutiefst | |
brutales Afrika. | |
## Kampf gegen Homo- und Frauenrechte | |
Nicht China, sondern das neue Russland von Wladimir Putin funktioniert in | |
allen Facetten ähnlich wie dieses neue Afrika: der kämpferische | |
Nationalstolz; die unbekümmerte Bling-Elite; die Aushöhlung der | |
Institutionen; die mafiösen Strukturen in Politik und Wirtschaft, die | |
informellen Herrschaftsinstrumente unter direkter Kontrolle des | |
Staatschefs; die Huldigung des großen Führers, der das Land zu neuer Größe | |
gebracht hat; die Ablehnung dekadenter westlicher Liberalität, der Kampf | |
gegen Homo- und Frauenrechte und für Tradition und Familie. | |
Gangsterstaaten respektieren und applaudieren einander, von Kontinent zu | |
Kontinent. Als Russland die Krim annektierte, gab es quer durch den | |
afrikanische Kontinent Beifall: Endlich hat es mal jemand dem Westen | |
gezeigt. Der Griff nach der Krim war die postsowjetische Parallele zur | |
Erstürmung weißer Farmen in Simbabwe durch Robert Mugabe, praktisch ein | |
Desaster, symbolisch aber effektiv. | |
Die russische Beihilfe zum Massenmord des syrischen Regimes an der eigenen | |
Bevölkerung – das stört niemanden in Afrikas Modernisierungsdiktaturen mit | |
ihren Vernichtungskriegen und ihren brutalen Repressionsformen gegenüber | |
jeglichem Protest. Wen stören in Zeiten des Syrienkrieges die paar hundert | |
Opfer der niedergeschlagenen Demokratieproteste in Kongo, Gabun oder | |
Äthiopien? | |
Die Geschichte ist dabei hilfreich. Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts war | |
Moskau der Freund afrikanischer Befreiungsbewegungen; ihre Kader studierten | |
dort, fanden Aufnahme, Militärausbildung und nach erfolgreicher | |
Machtübernahme massive Hilfe. Millionen von Menschen starben in Angola und | |
Mosambik, Äthiopien und Somalia in den 1970er und 1980er Jahren in den | |
Bürgerkriegen zwischen sowjetisch gestützten Diktatoren und vom Westen | |
alimentierten Rebellen, und das wirkt bis heute nach. | |
## Waffen und Alkohol | |
Das Kalaschnikow-Sturmgewehr und die Antonow-Transportmaschine sind noch | |
heute Afrikas beliebtesten und bewährtesten Rüstungsgüter. Waffen und | |
Alkohol – das sind zwei Dinge, ohne die kein afrikanischer Warlord | |
durchhält und bei denen Russland bis heute führend ist. Inzwischen geht es | |
auch um Kampfjets, Panzer und Ausspähungstechnik. Nach offiziellen | |
russischen Angaben belaufen sich die derzeitigen Rüstungsbestellungen aus | |
Afrika auf 21 Milliarden US-Dollar, mehr als Russlands gesamte | |
Militärexporte im Jahr. | |
Russland investiert in Afrikas Rohstoffextraktion, will in Südafrika | |
Atomkraftwerke bauen, pflegt Energiepartnerschaften mit Angola, Nigeria und | |
Algerien, verkauft Kampfhubschrauber an Angola, Mali, Nigeria, Ruanda, | |
Sudan und Uganda und hält regelmäßige Wirtschaftsgipfel mit afrikanischen | |
Staaten ab. Auf dem letzten in Jekaterinburg im Juli wurde die besonders | |
enge russisch-ägyptische Freundschaft zelebriert, der nächste Gipfel soll | |
im Februar 2017 in Ghana stattfinden, eigentlich ein Vorzeigeland des | |
westlichen Modells. | |
So entwickelt sich Afrikas politische Kultur in Richtungen, die mit | |
westlichen Vorstellungen immer weniger zu tun haben. Putins angeblich auf | |
der Leningrader Straße als Kind gelernte Maxime, im Falle drohenden Streits | |
müsse man als erster zuschlagen, ist die Leitlinie jedes afrikanischen | |
Autokraten im Kampf gegen das eigene Volk. Verbrechen zu begehen und dann | |
alles abzustreiten war noch nie so einfach und effektiv wie heute, wo es | |
sogar in der Ukraine und Syrien funktioniert. | |
Auf Russland ist Verlass, wenn man sich vor UN-Sanktionen schützen muss und | |
wenn man lernen will, wie man Dreistigkeit zur politischen Kultur erhebt. | |
In Russland finden Afrikas Autokraten alles, was sie brauchen, um sich auf | |
der Schattenseite der Welt einzurichten. | |
26 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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