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# taz.de -- Peter Tschentscher über politische Ziele: „Gesundheit ist keine …
> Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) über Gesundheitspolitik,
> Klimaschutz, Mobilität und seinen Willen, Bürgermeister zu bleiben.
Bild: Will Bürgermeister von Hamburg bleiben: Peter Tschentscher (SPD)
taz: Herr Tschentscher, wollen Sie Bürgermeister-Kandidat der SPD bei der
Bürgerschaftswahl 2020 werden?
Peter Tschentscher: Ja. Dafür werde ich auf dem Landesparteitag im November
kandidieren.
Dann wären Sie konkurrenzlos: Die CDU traut sich nicht mehr, die Grünen
trauen sich noch nicht.
Das ist mir auch schon aufgefallen. Aber nach den Gründen müssen Sie die
anderen fragen.
Es wird Ihr erster Wahlkampf als Spitzen- und Bürgermeisterkandidat – eine
ungewohnte Rolle?
Das ist ja nicht mein erster Wahlkampf, nur mein erster als
Spitzenkandidat. Ich habe den Wechsel von Schwarz-Grün zum SPD-Senat schon
mitgestaltet, insofern habe ich Wahlkampferfahrung und bin tatkräftig
gestimmt.
Sie sind Mediziner. Bereitet ihnen die zunehmende Kommerzialisierung im
Gesundheitssystem Sorgen?
Man darf es nicht übertreiben. Ein Krankenhaus hat betriebliche Strukturen
und ist insofern ein Unternehmen. Es hat aber eine soziale Aufgabe, die wir
nicht kommerzialisieren dürfen. Gesundheit ist keine Ware und Ärzte sind
keine Kaufleute. Heute neigen viele Krankenhäuser dazu, den
betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt als allein maßgeblichen Faktor zu
betrachten. Das ist eine Gefahr.
Hamburg hat seinen Landesbetrieb Krankenhäuser 2007 verkauft, die Stadt ist
nur noch mit 25,1% an den Hamburger Asklepios-Kliniken beteiligt. Welchen
Einfluss kann die Stadt mit dieser Minderheit denn überhaupt geltend
machen?
Einen nur sehr begrenzten Einfluss, bei Investitionsentscheidungen
beispielsweise. Aber bei 75-prozentiger Mehrheit eines privaten
Anteilseigners ist der Einfluss auf den Geschäftsbetrieb entsprechend
gering.
Sie haben sich damit abgefunden, dass die 25 Prozent an den
Asklepios-Kliniken keinen Vorteil bringen?
Nein, aber ich bin realistisch genug zu sehen, dass ein überwiegend
privatisiertes Unternehmen entsprechend privatisiert betrieben wird. Die
Entscheidung, die Krankenhäuser in Hamburg weitgehend zu verkaufen, war
eine schlechte politische Entscheidung des damaligen CDU-Senats und hat
eindeutig negative Folgen.
Die Klage des Senats gegen die Volksinitiative für mehr Personal im
Krankenhaus hat nicht den Eindruck erweckt, dass der Senat die Personalnot
lindern will.
Wir haben diesen Volksentscheid nicht abgelehnt, weil das Ansinnen nicht
berechtigt wäre, sondern weil der Inhalt nicht verfassungsmäßig war. Die
Stadt hätte ihn gar nicht umsetzen können. Deshalb hat das
Verfassungsgericht entschieden, dass eine solche Abstimmung nicht
stattfinden darf. Die Frage der Personalausstattung ist aber eine
drängende, deshalb kümmern wir uns darum.
Und wie?
Indem wir die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege deutlich erhöht
haben. Es gibt Stellen, die nicht besetzt werden können, weil zu wenige
Menschen in diesen Berufen arbeiten. Das liegt daran, dass über Jahre
hinweg nicht genug ausgebildet wurde und diese Berufe als unattraktiv
galten, weil sie nur mäßig bezahlt werden und eine hohe Arbeitsbelastung
haben. Und an diesen Stellschrauben müssen wir arbeiten.
[1][Die Gesundheitssenatorin hat die „Allianz für die Pflege“ gestartet].
Asklepios und Helios machen aber nicht mit.
Wir haben aber eine Strategie mit allen Häusern in der Alten- und
Krankenpflege. Es geht darum, dass wir auf Bundesebene neue Vorgaben für
eine Mindestpersonalausstattung haben. Aber auch dieses Personal muss man
erst einmal haben.
Sie haben sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben. Wildern Sie
absichtlich im Revier Ihres grünen Koalitionspartner?
Nein, wir kümmern uns im Senat um Themen, die wichtig für die Stadt sind.
Ich habe als Bürgermeister die „Chicago Climate Charta“ unterzeichnet, die
besagt, dass die großen Städte dieser Welt sich zum Pariser
Klimaschutzabkommen bekennen und den Klimaschutz auf der Handlungsebene
umsetzen müssen. Das war weit vor der heutigen Erkenntnis, dass das Thema
das ganze Land bewegt.
Eine grüne Stadt mit höchster Lebensqualität versprachen Sie schon im März
2018 auf einem Grünen-Parteitag. Wann gibt es die?
Wir setzen diese Strategie Schritt für Schritt um. Erst vor kurzem haben
wir mit dem Naturschutzbund einen Vertrag geschlossen, der sicherstellt,
dass diese Stadt grün bleibt und die Qualität des Grüns sogar noch zunimmt
– obwohl wir eine wachsende Stadt sind, obwohl wir wirtschaftsstark sind
und bleiben wollen und obwohl wir 10.000 Wohnungen jedes Jahr bauen. An
diesem Bündnis sieht man, worauf es ankommt: Die Kunst liegt darin, all
diese Planungen zueinander zu bringen. Und darin liegt auch die Stärke
meines Senats.
Und der grüne Umweltsenator Jens Kerstan beklagt, dass die SPD besseren
Lärmschutz für die Bevölkerung verhindere.
Ich erwarte, dass wir relativ bald Vorschläge bekommen für den
Lärmaktionsplan und für die Klimaschutzzstrategie. Wir müssen jetzt einen
Plan mit vielen konkreten Maßnahmen für die kommenden Jahre beschließen, um
die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren. Deswegen ist es jetzt an der
Behörde, da voran zu schreiten. Wir haben da als Gesamtsenat einen Auftrag.
Vor zwei Wochen erklärten Sie einen „umweltfreundlichen und komfortablen
Nahverkehr zum zentralen Thema des nächsten Jahrzehnts“. Hätte man da nicht
schon früher drauf kommen können?
Damit haben wir auch schon früher begonnen. Wir haben uns in den letzten
zehn Jahren mit besonderer Intensität dem Wohnungsbau gewidmet, und mit der
gleichen Intensität und Prioritätensetzung widmen wir uns die nächsten zehn
Jahre dem Verkehr. Denn das sind die Themen, die die Menschen bewegen. Dazu
gehört die E-Mobilität, aber vor allem der U- und S-Bahn-Bau. Und damit
lösen wir ein Versprechen ein, den so genannten Hamburg-Takt. Der soll
sicherstellen, dass alle Menschen in Hamburg an jedem Ort innerhalb von
fünf Minuten ein Angebot bekommen, mit dem öffentlichen Personennahverkehr
unterwegs zu sein.
Schnellbahnen schön und gut – aber sie kosten Milliarden und fahren erst in
15 Jahren: Was passiert jetzt?
Wir bauen U- und S-Bahnhöfe: Die Station Elbbrücken ist gerade eröffnet
worden, Oldenfelde und Ottensen werden folgen. Wichtig ist die Strategie,
und die besteht darin, die leistungsfähigsten Verkehrsträger, die
Schnellbahnsysteme, auszubauen: Sie sind das Rückgrat der Mobilität in
einer Metropole wie Hamburg. Und wir warten ja nicht, bis die letzte
Station fertig ist, bevor die U-Bahn fährt. Auf dem Weg dahin gibt es
weitere Schritte, das bestehende System leistungsfähiger zu machen.
Insofern ist das eine Dekadenstrategie, wo es Jahr für Jahr vorangeht:
Ausbau des Busverkehrs, höhere Taktfrequenz und längere Züge. Die neue U5
gibt dieser Strategie nur ein Gesicht.
Die Kieler Klimaforscherin Friederike Otto forderte vor wenigen Tagen im
[2][taz-Interview], jede Stadt müsse bei jeder Entscheidung den
verbindlichen Klimacheck machen – alles müsse der CO2-Neutralität dienen.
Sinnvoll? Realistisch?
Ja, wir machen das ja auch schon seit geraumer Zeit, dass wir jede Frage
auf ihre Umweltverträglichkeit hin prüfen. Wir haben schon 2011
entschieden, dass wir ein emissionsfreies Bussystem brauchen. Ab 2020 – mit
solchem Vorlauf muss man bei solchen Projekten leider rechnen – ist die
Hochbahn dann in der Lage, nur noch emissionsfreie Busse anzuschaffen und
die alten Dieselbusse auszumustern. Das ist nur ein Beispiel unter vielen.
Zur Inneren Sicherheit: Der [3][Hamburger Verfassungsschutz setzt jetzt
eine Spezialeinheit zur Beobachtung von Rechtsextremisten ein]. Ein
bisschen spät, oder?
Nein, die Sicherheitsbehörden in Hamburg haben sich schon seit Jahren
intensiv um die Entwicklungen im rechten Spektrum gekümmert. Aber natürlich
kann man immer eine neue Konzeption entwerfen, um noch zeitgemäßer und
wirksamer zu werden. Insofern ist das ein weiterer Schritt, aber eigentlich
nichts Neues.
Die Hintergründe der Ermordung von Süleyman Taşköprü sind immer noch nicht
aufgeklärt. Braucht Hamburg einen NSU-Untersuchungsausschuss?
Diese Frage müssen sie der Bürgerschaft stellen, ein Bürgermeister setzt
keinen Untersuchungsausschuss ein. Ich bin aber sicher, dass die Hamburger
Behörden alles zur Aufklärung auch von Sachverhalten im Zusammenhang mit
dem NSU-Komplex beitragen. Insofern stellt sich auch die Frage, ob ein
solcher Untersuchungsausschuss neue Erkenntnisse und einen Fortschritt
bringen würde.
[4][Bestimmt. Denn vor einem Jahr sagte VerfassungsschutzChef Torsten Voß
bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts auf Nachfrage, über den
NSU wisse er nichts].
Man muss sich ja überlegen, in welchem Zusammenhang Vorgänge in Hamburg mit
diesem NSU-Komplex stehen. Und alle Sachverhalte, die aus Hamburg dazu eine
Beziehung haben werden selbstverständlich sorgfältig aufgeklärt. Und
selbstverständlich gibt es eine enge Kooperation der Sicherheitsbehörden in
Deutschland, in die auch unser Verfassungsschutz einbezogen ist.
Sie gestatten, dass wir daran Zweifel haben?
Und Sie gestatten, dass ich sage, was aus meiner internen Kenntnis der
Strategie unseres Innensenators und der Sicherheitsbehörden richtig ist.
Meine Überzeugung ist, dass wir mit größter Aufmerksamkeit und allen
Maßnahmen und Möglichkeiten der Gefahr durch das rechte Spektrum gerecht
werden.
Ihr Schulsenator Ties Rabe ließ sich Ende März wegen ein paar Stickern an
einer Schule von der AfD durch die Stadt treiben. Peinlich, oder?
Nein, unser Schulsenator hat eine sehr kluge Vorgehensweise bei solchen
Fragen. Die Schule ist ein Raum, in dem Politik eine Rolle spielt und sich
junge Menschen äußern können, aber es darf keine parteipolitischen
Grundvorgaben geben. Und in dieses Grundprinzip hat der Senator einzelne
Sachverhalte eingeordnet. Uns ist wichtig gewesen, den Schülerinnen und
Schülern der Ida-Ehre- Schule nicht irgendwelche Vorwürfe zu machen,
sondern ihr politisches Engagement gegen rechtes Gedankengut sehr
wertzuschätzen.
Durch Schweigen? In der Bürgerschaftsdebatte erklärten RednerInnen von SPD,
Grünen und Linken, aber selbst der CDU, Antifaschismus zur Grundlage dieser
Gesellschaft. [5][Der Senator aber schwieg].
Das war eine Bürgerschaftsdebatte, und es ist nicht immer sinnvoll, dass
der Senat sich darin einbringt. Die Sprecher der senatstragenden Fraktionen
haben die Linie vertreten, die der Senat teilt. Insofern gab es da keinen
Dissens und aus Sicht des Senats keinen Anlass, diese Debatte mit einem
weiteren Redebeitrag zu begleiten.
Das Ergebnis der Wahlen am 26. Mai war für die SPD ernüchtern: knapp 20
Prozent in Europa, gerade mal 24 in den Bezirken, in vier Bezirken nur noch
zweite Kraft hinter den Grünen. Deprimierend?
Wir hatten eine sehr starke europapolitische Färbung. Die Themen, die nicht
auf Bezirksebene entschieden werden, haben die gesamtpolitische Stimmung in
Deutschland natürlich dominiert. Und bei einer Bundes-SPD, die mittlerweile
unter 15 Prozent liegt, ist es natürlich schwer, glänzende Wahlergebnisse
zu erzielen.
Wie lautet Ihr Wahlziel für die Bürgerschaftswahl im Februar? 20plusX?
Dass wir so stark wie möglich abschneiden, und dafür haben wir gute
Argumente, die wir in den Wahlkampf einbringen werden. Es gibt auch keine
Wechselstimmung in Hamburg, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger
mit der Politik des Senats ist recht hoch.
Und Sie wollen Bürgermeister bleiben?
Das ist mein Ziel.
Einer rot-grünen Koalition?
Über Koalitionen reden wir nach der Wahl. Aber natürlich sind die Grünen
eine naheliegende Option.
Und wenn die Grünen stärkste Kraft werden sollten – droht dann ein grüner
Umbau, nicht nur wie bislang ein Anbau?
Wir machen hypothetische Fragen nicht zur Grundlage unseres Wahlkampfes.
Wichtig ist, dass die SPD die bestimmende Kraft bleibt. Dafür stehe ich als
Bürgermeister zur Wahl.
25 Jul 2019
## LINKS
[1] /Kampagne-gegen-Fachkraefte-Mangel/!5588049
[2] /Was-Klima-mit-Wetter-zu-tun-hat/!5606958
[3] /Hamburger-Verfassungsschutzbericht-2018/!5605906
[4] /Hamburger-Verfassungsschutzbericht-2017/!5518367
[5] /Debatte-ueber-Antifaschismus-an-Schulen/!5581421
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
Marthe Ruddat
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