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# taz.de -- Tempo-30-Zonen: Der Lärm bleibt
> Hamburg will dutzende Tempo-30-Abschnitte auf besonders lauten Straßen
> einführen. Das wird nichts bringen, beklagen Anwohner:innen.
Bild: Bringt nix ohne Kontrolle: Tempo-30-Zone
Hamburg taz | Raphael H. muss häufig schreien, wenn er vor seinem Haus
steht, um sich mit anderen zu unterhalten. Seine Nachbarin Miriam W. kann
das bestätigen. Beide wohnen in Hamburg direkt an der viel befahrenen
vierspurigen Max-Brauer-Allee in Altona. Und während der Autoverkehr
tagsüber einen [1][immerhin konstanten Lautstärkepegel hat], werden sie
nachts regelmäßig von Gas gebenden Autos oder Lastern geweckt.
„Das sind diese fiesen Lärmspitzen“, sagt W., als beide vorm Haus auf dem
schmalen Gehweg stehen und auf den Straßenverkehr blicken. Kurz nachdem sie
das gesagt hat, beschleunigt ein Auto lautstark, um noch schnell über Ampel
zu kommen, ehe sie auf rot schaltet. Die Hoffnung, dass sich daran
zumindest nachts etwas ändert, hatten beide kürzlich. Die ist mittlerweile
weg.
Dutzende Tempo-30-Zonen auf stark befahrenen Straßen sollen in den
kommenden Jahren in Hamburg eingerichtet werden. Das hatte Umweltsenator
Jens Kerstan (Grüne) im Mai im Rahmen des [2][Lärmaktionsplans des Senats
bekannt gegeben.] „Es gibt in Hamburg Umweltprobleme, die wir nicht
überhören können und dürfen und deren Hauptverursacher der Kfz-Verkehr
ist“, sagte Kerstan damals.
Die beiden Anwohner:innen an der Max-Brauer-Allee hatte sich darüber
zunächst gefreut, denn auch sie würden künftig davon profitieren: Ein Teil
der Max-Brauer-Allee vor ihren Wohnungen gehört auch zu den Abschnitten, in
denen es nach Ansicht der Umweltbehörde zu laut ist. Immerhin eine
nächtliche Temporeduzierung hatte die Umweltbehörde dafür anvisiert.
## 35.000 Menschen sollen vom Tempo-30 profitieren
An einigen wenigen sogenannten Lärmbrennpunkten wurde das bereits in den
vergangenen Jahren eingeführt. 2013 waren erstmals nächtliche
Tempo-30-Gebote auf einigen viel befahrenen Straßen beschlossen worden. Im
Laufe der Jahre kamen weitere Straßen hinzu, in denen es mit mindestens 60
Dezibel zu laut ist – lauter sogar, als es nachts in einem Gewerbegebiet
zulässig wäre.
So auch an der nahe gelegenen Holstenstraße. Laut der Umweltbehörde dürfen
sich rund 500 betroffene Anwohner:innen über einen reduzierten Lärm
freuen, weil dort Fahrzeuge seit 2014 zwischen 22 und 6 Uhr [3][mit maximal
30 Stundenkilometern fahren dürfen.] Doch über die Rückseite ihrer
Wohnungen sind Miriam W. und Raphael H. auch Anwohner:innen der
Holstenstraße. „An das nächtliche Tempolimit hält sich niemand“, sagt H.
Er fragte kürzlich bei der Polizei nach, ob und in welchem Umfang die
nächtliche Temporeduzierung kontrolliert würde. Genaue Angaben konnte die
Polizei ihm nicht mitteilen. Allerdings gebe es auf allen
Straßenabschnitten, die zur Tempo-30-Zone bestimmt wurden, keine
stationären Blitzer. „Damit ist die Hoffnung weg, dass sich künftig vorm
Haus etwas bessert.“ Ihre Erfahrungen aus der Holstenstraße zeigen den
beiden, dass ohne Kontrollen ein Tempolimit nichts bringt.
Das wirft Fragen auf, wie viel Wert die Ankündigung der Umweltbehörde hat,
dass bald rund 35.000 Hamburger:innen vom sinkenden Lärm profitieren
sollen. Hamburg soll bis 2026 mehr als 80 neue Tempo-30-Zonen auf besonders
viel befahrenen Straßen bekommen. Aktuell sind nachts etwa 130.000 Menschen
von Lautstärken über 55 Dezibel betroffen.
## Vorbild Stresemannstraße
Auf Nachfrage verweist die Umweltbehörde darauf, dass an einigen Stellen
sogenannte Dialogdisplays – digitale Geschwindigkeitsanzeigen – installiert
wurden, die Fahrer:innen auf ein überhöhtes Tempo hinweisen.
„Untersuchungen belegen, dass diese Dialogdisplays eine positive Wirkung
haben“, sagt eine Sprecherin.
Nur kann mit diesen Displays auch die Polizei nicht sagen, wie hoch der
Anteil an Fahrer:innen ist, die sich nicht an die nächtliche
Geschwindigkeitsbegrenzung halten. Und sie konnte H. auf Nachfrage auch
nicht sagen, wie häufig dort mobil kontrolliert würde. Er glaubt: selten.
Dass Temporeduzierung gepaart mit Blitzern und digitalen
Geschwindigkeitsanzeigen tatsächlich nicht nur gegen den Lärm hilft, zeigt
sich auf der nicht weit entfernten und wohl noch mehr befahrenen
Stresemannstraße. Die verbindet die City mit der A7 und es gilt seit vielen
Jahren auf einem Abschnitt ganztägig Tempo 30. Zwei fest installierte
Blitzer stehen dort, hinzu kommen digitale Geschwindigkeitsanzeigen. Auch
mobile Blitzer hatte die Polizei zeitweilig aufgestellt.
„Das Schlimme ist ja: Dort ist es nur so, weil es Tote gab“, beklagen die
beiden Anwohner:innen. In den 90er-Jahren wurden mehrere Kinder und
Erwachsene von zu schnell fahrenden Lastwagen überrollt. Erst nach massivem
Protest der Anwohner:innen reagierte die Stadt mit Tempolimit und
verstärkter Kontrolle. „Muss das auch erst vor unserer Haustür passieren?�…
fragt H.
17 Oct 2021
## LINKS
[1] /Senat-praesentiert-Laermschutzplan/!5771365
[2] /Laermschutz-Plaene-fuer-neue-Autobahn/!5638346
[3] /Verkehrspolitik-in-Frankreich/!5792740
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Lärm
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