# taz.de -- Tag der Immobilienwirtschaft: Angst ums eigene Image | |
> In Berlin lädt die Immobilienlobby zur Tagung. Ihre Vertreter geben sich | |
> kurz selbstkritisch – schalten dann aber wieder auf Angriff. | |
Bild: Appeasement oder Angriff? Die Immobilienlobby debattiert | |
BERLIN taz | In den vergangenen Wochen konterten die Immobilienbranche und | |
ihre publizistischen Freunde den [1][Mietendeckel des Berliner Senats] mit | |
Venezuela- und DDR-Vergleichen. Am Wochenende folgte Immobilien-Blogger | |
Rainer Zitelmann, der laut eigener Homepage sein Vermögen „durch seine | |
unternehmerische Tätigkeit und als erfolgreicher Immobilieninvestor“ | |
gemacht hat: Dass die Deutsche Wohnen auf den Mietendeckel mit einer | |
Selbstverpflichtung zu reduzierten Mieten reagiere, sei | |
„Appeasement-Politik“. | |
Ähnelt Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn nun Neville Chamberlain? Und ist | |
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) ein Wiedergänger von | |
Erich Honecker, Hugo Chávez – oder sogar des Führers? Noch scheint sich | |
die Immobilienbranche nicht sicher zu sein. | |
Vielleicht hatte der „Tag der Immobilienwirtschaft“ eine Antwort? Am | |
Donnerstag fand in Berlin die jährliche Veranstaltung des Zentralen | |
Immobilien Ausschusses (ZIA) statt – des wichtigsten | |
Immobilienlobbyverbandes. Mit Gästen aus der Politik, vor allem der Union. | |
ZIA-Präsident Andreas Mattner eröffnete mit einer Rede, in der ein paar | |
Sätze eingebaut waren, die man für Selbstkritik hätte halten können: „Es | |
steht nicht gut um das Image unserer Branche“, sagte er. Und fragte: „Haben | |
wir alles richtig gemacht?“ Aber dann ging Mattner wieder zur üblichen | |
Branchenrhetorik von den wenigen schwarzen Schafen und der „Mehrheit | |
unserer Branche, die sich verantwortungsvoll verhält“, über. Und verwies | |
darauf, dass nun hier, „in der ehemaligen Hauptstadt der DDR wieder über | |
Enteignung und Mietendeckel gestritten“ werde. | |
## „Bauen, Bauen, Bauen“ | |
Deutlich wurde eines der Einfallstore, mit denen der ZIA in den nächsten | |
Monaten gegen den Berliner Mietendeckel argumentieren wird: Klimaschutz. | |
Mattner verwies auf die Fridays-for-Future-Demonstrationen. Nur durch den | |
Beitrag der Immobilienbranche, also energetische Gebäudesanierungen, seien | |
die Klimaziele für 2030 zu erreichen. Der rot-rot-grüne Senat hat aber in | |
seinen Eckpunkten zum Mietendeckel auch die Umlage von Modernisierungen | |
weitgehend untersagt. | |
Die CDUler auf den Podien unterschieden sich in ihrer Argumentation kaum. | |
Fraktionschef Ralph Brinkhaus hielt das Grußwort, in dem auch das Mantra | |
der Wohnungswirtschaft nicht fehlte: „Gegen Wohnungsnot hilft nur Bauen, | |
Bauen, Bauen.“ Brinkhaus streichelte den ZIA („Lobbyisten sind wichtig, um | |
die Interessen der Bürger des Landes zu vertreten“), bekannt esich zur | |
energetischen Sanierung und zur Marktwirtschaft („Ich glaube an Märkte“). | |
Oliver Wittke, parlamentarischer Staatssekretär im | |
Bundeswirtschaftsministerium, vertrat seinen verhinderten Minister Peter | |
Altmaier. „Enteignungen bewirken das Gegenteil dessen, was bewirkt werden | |
soll“, sagte er in Anspielung auf das Berliner Volksbegehren, das große | |
Wohnkonzerne enteignen möchte. „Wer enteignet, wird Investoren | |
verschrecken.“ Alleine schon die Debatte darüber sei schädlich, weil | |
Investitionen aufgeschoben würden. „Die Debatte muss schnellstens beendet | |
werden.“ | |
Wittke versprach Anreize für Investitionen im Baurecht. Die Bauämter | |
müssten mit mehr Fachleuten besetzt werden, damit Baugenehmigungen zügig | |
erteilt werden könnten. „Die soziale Marktwirtschaft lebt vom Recht auf | |
Eigentum.“ Die Wohnungswirtschaft habe in den „vergangenen Jahrzehnten“ m… | |
einem Mix an verschiedenen Eigentumsformen gut funktioniert. Dass | |
Deutschland wachse und deshalb an der „einen oder anderen Stelle“ Engpässe | |
aufträten, rechtfertige nicht, „die Grundsatzfrage zu stellen“. | |
Und dann fand Wittke doch noch mahnende Worte für die Immobilienwirtschaft: | |
„Es liegt in Ihrer Hand, wie sich die Debatte entwickelt“, sagte er. „Ich | |
plädiere dafür, nicht alles auszuschöpfen, was möglich ist, denn sonst wird | |
das Kontrareaktionen hervorrufen.“ Er verwies auf den Mietendeckel, den er | |
für „fatal“ hielt. „In Berlin gibt es Unternehmen, die sagen, wir wollen | |
uns selbst beschränken“, lobte er die Deutsche Wohnen, ohne sie zu nennen. | |
Ein Plädoyer für Appeasement-Politik. | |
27 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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