| # taz.de -- Juso-Chefin Annika Klose im Interview: „Nicht von den Grünen gek… | |
| > Die Berliner Juso-Chefin Annika Klose fordert nicht nur eine inhaltliche | |
| > Neuausrichtung ihrer Partei – sondern auch eine personelle. | |
| Bild: Juso-Chefin Annika Klose auf einem Landesparteitag der Berliner SPD | |
| taz: Frau Klose, Sie fordern eine Neuausrichtung der Berliner SPD. Warum? | |
| Annika Klose: Die Berliner Situation unterscheidet sich von der im Bund. | |
| Auf Bundesebene war die SPD in 10 der letzten 14 Jahre Teil einer Großen | |
| Koalition. In Berlin haben wir eine rot-rot-grüne Landesregierung. Es ist | |
| ein ziemlicher Erfolg, dass wir hier eine progressive Regierungskoalition | |
| haben, die von der SPD geführt wird. Trotzdem stellen wir fest, dass die | |
| SPD schlechte Umfragewerte hat. | |
| Woran liegt denn das Ihrer Meinung nach? | |
| Wir haben in der Berliner SPD einen großen Bedarf an Umstrukturierung. Es | |
| gibt eine Diskrepanz zwischen dem, was in der Partei diskutiert oder | |
| beschlossen wird, und dem, wie die SPD dann in der Regierung auftritt. | |
| Können Sie dafür ein Beispiel nennen? | |
| Es gibt immer wieder progressive Beschlüsse, die aber nicht durchdringen. | |
| In der Wohnungspolitik kommen sie zu einem Zeitpunkt, in dem die SPD das | |
| Ressort nicht mehr hat. Das frisst an der Glaubwürdigkeit, wenn man erst | |
| dann ein linkes Profil entwickelt, sobald man keine Verantwortung mehr | |
| trägt. Ein anderes Beispiel: Im März haben wir beim Landesparteitag | |
| beschlossen, dass wir gegen das Abschiebegesetz von Seehofer sind. Von den | |
| Berliner Bundestagsabgeordneten hat am Ende nur eine dagegen gestimmt. Oder | |
| unsere beiden Berliner VertreterInnen im Parteivorstand haben für die Große | |
| Koalition gestimmt, obwohl der Berliner Landesvorstand sich klar dagegen | |
| positioniert hatte. Es gibt aber auch Dinge, die umgesetzt werden, zum | |
| Beispiel die Reform des Ticketsystems im ÖPNV, dass es ein Azubiticket | |
| gibt, dass das Schülerticket kostenlos wird, dass das Sozialticket billiger | |
| geworden ist. | |
| Was unterscheidet die Berliner SPD von der Bundespartei? | |
| Wenn man den Berliner Landesverband und die Beschlusslage mit der | |
| Bundesebene oder mit anderen Landesverbänden vergleicht, dann ist die | |
| Berliner SPD ein linker Verband. Das ist eine Stärke. Aber es ist ein | |
| Problem, dass FunktionärInnen aus Berlin das oft so nicht vertreten. Das | |
| liegt auch daran, dass wir es in Berlin nicht hinkriegen, das | |
| Führungspersonal und andere Funktionen öfter durchzuwechseln. | |
| Meinen Sie damit auch die Parteispitze? | |
| Ja, ebenso wie auf der Bundesebene brauchen wir in Berlin perspektivisch | |
| ein Aufbruchssignal. Teile des Spitzenpersonals sind bereits seit über 15 | |
| Jahren dabei. Aber es gibt auch Kreisvorsitzende, die schon seit über 20 | |
| Jahren im Amt sind. | |
| Ist es nicht der leichteste Weg, einfach einen Personalwechsel zu fordern? | |
| Es geht nicht nur um das Personal. Im Oktober haben wir einen | |
| Landesparteitag, bei dem über Vorschläge der Kommission „Politische | |
| Handlungsfelder“ diskutiert und diese beschlossen werden sollen. Das sollen | |
| Leitlinien für die Berliner SPD werden, für 2021 und darüber hinaus. Ein | |
| halbes Jahr später findet dann der Wahlparteitag statt, dann geht es um | |
| dazu passendes Personal. | |
| Wen würden Sie denn gerne an der Spitze der Landespartei sehen? | |
| An Personalspekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Ich glaube, das | |
| hilft uns gerade nicht weiter. | |
| Warum sind die Ergebnisse bei der Europawahl in Berlin noch schlechter | |
| ausgefallen als im Bund? | |
| Die Frage stelle ich mir auch. Mir tut es weh, zu sehen, dass wir eine | |
| R2G-Koaliton haben, die von der SPD angeführt wird, und man die eigene | |
| Politik durchsetzen kann, und das Ergebnis trotzdem schlecht ausfällt. 2016 | |
| nach der Abgeordnetenhauswahl haben wir etwas festgestellt, was die | |
| Bundestagswahl 2017 bestätigt hat: Die Leute wissen gar nicht, wofür die | |
| SPD steht. In der Nachwahlumfrage in Berlin 2016 hatten das 60 Prozent der | |
| BerlinerInnen gesagt. In Berlin kommt hinzu, dass wir mit den Grünen und | |
| den Linken zwei eher linke Koalitionspartner haben. Der Verkauf der | |
| Wohnungen wird der SPD immer noch sehr übel genommen. Es gibt Altlasten, | |
| die wir mit uns schleppen. | |
| Was haben Sie gedacht, als einen Tag vor Senatsbeschluss über den | |
| Mietendeckel die Nachricht herumging, dass die Senatskanzlei blockieren | |
| möchte? | |
| Ich habe mich geärgert. Die SPD hat diese Initiative eingebracht. Und es | |
| ist schade, wenn es öffentlich so wirkt, als würde die SPD das Projekt | |
| stoppen wollen und als würden es Linke und Grüne dagegen unterstützen. Dann | |
| sieht es nicht mehr wie ein SPD-Projekt aus. Das war in der öffentlichen | |
| Kommunikation ein ziemliches Desaster. Die Berliner SPD hat derzeit weniger | |
| ein inhaltliches Problem, sondern ein Umsetzungsproblem. | |
| Fürchtet sich das Führungspersonal, progressive Beschlüsse mitzutragen? | |
| Sicherlich war eine Angst da, wichtige Positionen nicht zu berücksichtigen. | |
| Da steht auch eine sehr staatstragende Mentalität dahinter. | |
| Was denken Sie über das Enteignungsvolksbegehren? Da steht ja noch ein | |
| Beschluss bevor. | |
| Wir Jusos finden das Mittel der Sozialisierung von Wohnungen gut. Die | |
| pauschale Lösung, dass alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen | |
| enteignet werden, überzeugt uns aber nicht. Es sollte lieber geschaut | |
| werden, wie die Vermietungspraktiken der VermieterInnen sind. Wir fänden es | |
| auch sinnvoller, bei Enteignungen einen Fokus auf die Bodenpolitik zu | |
| legen, weil man da Raum für Neubau schaffen kann. | |
| Sie fordern einen „sozial-ökologischen Wandel“. Das hört sich an, als wä… | |
| es von den Grünen geklaut. | |
| Das ist überhaupt nicht von den Grünen geklaut. Sozial-ökologische | |
| Transformation heißt, man will einen ökologischen Wandel, der sozial ist. | |
| Transformation bedeutet eine Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse. | |
| Ich nehme die Grünen derzeit nicht als transformatorisch wahr. | |
| Was machen die Grünen gerade besser als Ihre Partei? | |
| Die Grünen in der Hauptstadt profitieren massiv vom Bundestrend. Bei der | |
| Europawahl standen sie für das wahlentscheidende Thema Klima so konsequent | |
| ein wie keine andere Partei. Was die Grünen auch ganz gut hinkriegen: immer | |
| wieder Personalwechsel durchführen. | |
| 2 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Volkan Ağar | |
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