# taz.de -- Junge Aktivistinnen über Klimaprotest: „Wir werden immer weiter … | |
> Einen Monat vor der Bürgerschaftswahl legen Bremens Fridays for | |
> Future-Aktive einen Forderungskatalog vor: der ist radikal – und | |
> fundiert. | |
Bild: Luise Wiegmann, Frederike Oberheim: Erwachsene haben nun einmal nicht so … | |
taz: Frau Oberheim, Frau Wiegmann, „Fridays for Future“ kommt mit konkreten | |
Bremer Forderungen aus den Osterferien: Wie sind die entstanden? | |
Luise Wiegmann: Die Arbeit hatte schon vor den Ferien begonnen, vor etwa | |
einem Monat … | |
Frederike Oberheim: Da haben wir mit einer kleineren Gruppe | |
unterschiedliche Ansätze und Ideen zusammengetragen. Die wurden dann weiter | |
vertieft, durch Recherche, in einer Telefonkonferenz noch einmal mit allen | |
Interessierten abgestimmt – und dann in Rücksprache mit | |
WissenschaftlerInnen noch einmal verbessert, mit Antje Boetius … | |
… die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts… | |
FO: … und dem Biologen und Umweltschutztechniker Alfred Schumm: Beide sind | |
bei den Scientists for Future. | |
Sie wollen das Land Bremen bis 2030 klimaneutral machen und nennen Ihre | |
Forderungen selbst radikal: Warum so konfrontativ? | |
LW: Darum geht es nicht. Wir stellen notwendige Forderungen auf und keine | |
anderen. Dass die radikal wirken, liegt daran, dass noch nicht richtig | |
angefangen wurde, ernsthaft gegen den Klimawandel vorzugehen. | |
Dafür müsste man Bremen autofrei machen und bis 2020 die drei hiesigen | |
Kohlekraftwerke abschalten? | |
FO: Ja. Bremens [1][Kohlekraftwerke] zum Beispiel pusten im Jahr über 3,5 | |
Millionen Tonnen CO2 in die Umwelt. Schon jetzt [2][macht das Kraftwerk | |
Hafen Block 6 sogar finanziell Verluste]. Zugleich wäre ein Anschluss an | |
ein Netzwerk mit erneuerbaren Energien möglich. Es gibt also keinen Grund, | |
an dem Betrieb festzuhalten. | |
LW: Wenn wir die Ziele des Pariser Abkommens noch erreichen wollen, müssen | |
einschneidende Maßnahmen her. Angesichts dessen, [3][dass uns laut | |
Weltklimarat noch elfeinhalb Jahre bleiben], um die Welt zu retten, finde | |
ich die Forderungen, ehrlich gesagt, nicht so radikal. | |
Na ja, Bremen lebt vom Autosbauen, fast jeder hat hier eins: Die Autostadt | |
Bremen autofrei zu machen, ist eine radikale Forderung. | |
LW: Wir sagen ja nicht nur, dass die Städte autofrei sein sollten, sondern | |
auch, dass wir dann einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr | |
brauchen und ihn ausbauen müssen. Wir müssen Alternativen entwickeln. Es | |
stimmt schon, dass sich viele Menschen ans Autofahren im Alltag gewöhnt | |
haben. Allerdings muss man eben raus aus seiner Komfortzone. Es geht darum, | |
die Prioritäten sinnvoller zu setzen. | |
Die [4][Bügerschaftswahlprogramme sind davon weit weg]: Es kann passieren, | |
dass Ihre Forderungen völlig verhallen. | |
LW: Wir hoffen nicht. Das hängt natürlich sehr an der Politik und darin, | |
wie die darauf reagiert. Bis jetzt war das sehr wenig. Aber wir werden | |
immer weiter machen. | |
FO: Die Abgabe von 20 Euro pro Tonne CO2, die Svenja Schultz (SPD) auf | |
Bundesebene [5][vorgeschlagen] hat, ist aus unserer Sicht jedenfalls nur | |
ein Witz, angesichts der gesellschaftlichen Kosten, die bei 180 Euro, also | |
neunmal so hoch liegen. Die Politik muss die wissenschaftlichen Grundlagen | |
endlich zur Kenntnis nehmen und ihr Handeln daran ausrichten. | |
Tatsächlich werden von der Seite die Forderungen ja schon länger erhoben: | |
Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass Sie mehr erreichen. | |
FO: Ich habe das Gefühl, dass bei vielen Klimaschutzbewegungen vor uns die | |
Dringlichkeit gefehlt hat – auch, weil sie von Erwachsenen getragen wurden. | |
Auch wenn’s böse klingt: Erwachsene haben nun einmal nicht so viel Zukunft | |
wie 14- oder 16-Jährige. Außerdem: Wir repräsentieren eine ganze | |
Generation. All die, die mit uns auf die Straße gehen, werden, wenn sie | |
wählen dürfen, genau überlegen, was sie auf den Demos erfahren haben – und | |
ihre Entscheidung davon abhängig machen. Die Politik kann sich nicht | |
leisten, eine ganze Generation in die Verdrossenheit zu treiben, dass man | |
keine Partei mehr wählen will, weil die sich nicht bewegen und die | |
notwendigen Forderungen nicht erfüllen. | |
Am 26. Mai dürfen viele Fridays-Aktive schon wählen: Sollten die also am | |
besten die Bürgerschaftswahl boykottieren? | |
LW: Nein, boykottieren hat noch niemandem etwas genützt. Eine Stimme | |
abgeben ist superwichtig – sowohl beim Wählen als auch auf der Straße. Wir | |
müssen versuchen, aus dem Dilemma das Beste zu machen und das zu wählen, wo | |
wir denken: Da ist noch die meiste Hoffnung, dass sie schlau agieren und | |
sich selbst stärken. Denn über kurz oder lang hängt der Erfolg der Parteien | |
davon ab. | |
FO: Wir legen jetzt einen Monat vor der Wahl den PolitikerInnen unsere | |
Forderungen vor. Klar, ein Wahlprogramm wird jetzt nicht mehr geändert. | |
Aber es bleibt ein Appell: Wenn wir euch unsere Stimmen geben, fühlt euch | |
verpflichtet, das zu machen. Gerade Bremen als kleinstes Bundesland hätte | |
die Chance, in Deutschland voranzugehen. | |
Das Verrückte ist: Selbst läppische Forderungen wie nach einem Veggie-Day | |
gelten nicht zuletzt bei den Grünen als gefährlich, seit sie 2015 damit | |
Schiffbruch erlitten haben. | |
LW: Stimmt. Und trotzdem ist es möglich. Sogar die fleischfreie Woche, die | |
wir auch fordern, lässt sich durchsetzen, wie die Niederlande gerade erst | |
vorgemacht haben. Warum soll das hier nicht klappen? | |
FO: Es tut mir leid, weil sie das Thema ja vorangebracht haben, und Linke, | |
CDU und SPD, die es nicht recht benennen, sind ja um keinen Deut besser. | |
Aber gerade die Grünen, scheint mir, bräuchten manchmal etwas mehr | |
Rückgrat. Wer für Klimaschutz stehen will, muss so etwas auch mal | |
durchziehen. | |
Und den Widerstand ignorieren? | |
FO: Ich finde die Maßstäbe interessant: Wir reden davon, dass wir unsere | |
Zukunft retten wollen, und fordern ein Recht, in ihr leben zu können. Und | |
das Gegenargument lautet: Ich will aber trotzdem Schnitzel essen. | |
Und wenn die Schnitzelfraktion sich durchsetzt und auch 2020 Bremens | |
Kohlekraftwerke noch laufen – herrscht dann der große Frust? | |
LW: Auch jetzt herrscht schon Frust. Aber der hält uns nicht auf. [6][Wir | |
werden weitermachen, wir werden lauter werden. Und die Forderungen werden | |
radikaler.] Denn die Zeit läuft ab. | |
26 Apr 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://web.archive.org/web/20160409125357/https://www.swb-gruppe.de/ueber-… | |
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Kraftwerk_Bremen-Hafen | |
[3] https://www.de-ipcc.de/ | |
[4] https://www.abgeordnetenwatch.de/bremen/wahlprogramme | |
[5] /Umweltministerin-ueber-erstes-Jahr-im-Amt/!5577767 | |
[6] https://www.facebook.com/fridaysforfuture.bremen/ | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Klimaneutralität | |
Bürgerschaftswahl 2019 | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Klimaschutzziele | |
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023 | |
Schwerpunkt Klimaproteste | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Schwerpunkt Fridays For Future | |
Müll | |
Schwerpunkt Europawahl | |
FDP Bremen | |
Lesestück Meinung und Analyse | |
Europawahl | |
Bremen | |
Lesestück Interview | |
OTB | |
Grüne Bremen | |
Bremische Bürgerschaft | |
Grüne Bremen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jugendbewegte alte Herren: Angebot, das niemand ablehnen darf | |
Ex-Aktivisten der „Bremer Commune“ bieten „Fridays For Future“ die Nutz… | |
eines Projekthauses an. Eine Absage wollen sie nicht hinnehmen. | |
Bremer Rede zum Klimastreik: Kein. Grad. Weiter. | |
Konkret sind die Prognosen für unsere Zukunft: Wir steuern zu auf eine | |
Dystopie. Nur durch radikale Entscheidungen können wir sie noch verhindern. | |
FFF-Aktivistin über Corona-Lockdown: „Das war ein krasser Break“ | |
Vor dem Lockdown stand Frederike Oberheim von FFF Bremen kurz vor dem | |
Burn-out. Die ersehnte Auszeit wurde schnell zum Stressfaktor. Ein | |
Protokoll. | |
FFF-Gesicht ist Bremens Frau des Jahres: Für eine feministische Zukunft | |
Der Landesfrauenrat zeichnet die Fridays-for-Future-Aktivistin Frederike | |
Oberheim aus. Engagement im Klimaschutz war das Kriterium. | |
FFF lädt R2G in Bremen aus: Keine Zukunft für Parteien | |
Fridays for Future hat Bremens organisierte Politik vom Klimastreik am 20. | |
September ausgeladen. Dabei findet sich die Regierung doch vorbildlich. | |
Umweltzustand in Bremen: Aufgaben für alle | |
Welche Umweltprobleme muss die neue Bremer Landesregierung lösen? Die taz | |
ergänzt den Umweltzustandsbericht des scheidenden Senators Lohse. | |
Endspurt im Europawahlkampf: Grüner Anstrich für Brüssel | |
Die Grünen läuten auf einem Parteitag den Wahlkampfendspurt ein. Sie wollen | |
bei der EU-Wahl ihr historisch bestes Ergebnis erreichen. | |
Wahlkampf in Bremen: Etwas Besseres als Schwarz-Rot? | |
In zwei Wochen wählt Bremen einen neuen Landtag. Die SPD blinkt in Richtung | |
CDU, doch Rot-Grün-Rot ist die wahrscheinlichere Koalition | |
Kommentar Beschwerden über Mathe-Abi: Schülerprotest wirkt | |
Die Aktionen gegen das Mathe-Abi könnten das Bildungssystem umkrempeln. Und | |
das ist erst der Anfang eines neuen Rollenverständnisses. | |
Neutrale EU-Klimabilanz 2050: Save the date | |
In einem offenen Brief fordern Konzerne, Umweltschützer und auch | |
Mitgliedstaaten eine neutrale Klimabilanz bis 2050. Aber Berlin eiert rum. | |
Bürgerschaftswahl in Bremen: Viele Optionen, wenig Alternativen | |
Die CDU könnte stärkste Kraft bei der Wahl in Bremen werden, sagt eine neue | |
Umfrage. Den Bürgermeister wird sie dennoch wohl kaum stellen. | |
Politikberater über grüne Landespolitik: „Regierungen werden ehrgeiziger“ | |
Bringen Grüne an der Macht den Umweltschutz voran? Ja, aber langsam, sagt | |
eine Studie des Politikberaters Arne Jungjohann. | |
Gericht stoppt Offshore-Terminal: Schlechte Aussichten für Bremerhaven | |
Das Verwaltungsgericht Bremen erklärt die Bauplanung für das Bremerhavener | |
Offshore-Terminal für rechtswidrig. Doch es gibt noch eine Hintertür. | |
Spitzenkandidatin der Grünen über Ziele: „Einhalt für Macho-Macker“ | |
Maike Schaefer wird die Grünen bei der Wahl in Bremen anführen. In einem | |
„knallgrünen Wahlkampf“ will sie sich auch mit sozialen Themen profilieren. | |
Bremer Grünen-Nachwuchs über Ziele: „Politik machen, die Leuten weh tut“ | |
Die Bremer Grünen reservieren der Partei-Jugend zwei sichere Listenplätze | |
für die Bürgerschaftswahl 2019. Aber wofür stehen die beiden | |
aussichtsreichsten Newcomer? | |
Bremen verfehlt Klimaziele: „Wir werden das Ziel weit verfehlen“ | |
Den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, kann Bremen nicht | |
mehr schaffen. Warum Ehrgeiz trotzdem gut ist, erklärt der grüne | |
Umweltsenator Lohse |