| # taz.de -- Bremen verfehlt Klimaziele: „Wir werden das Ziel weit verfehlen“ | |
| > Den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, kann Bremen nicht | |
| > mehr schaffen. Warum Ehrgeiz trotzdem gut ist, erklärt der grüne | |
| > Umweltsenator Lohse | |
| Bild: Der Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) erreicht die Klimaziele in Breme… | |
| taz: Herr Lohse, Bremen wollte 2020 im Vergleich zu 1990 volle 40 Prozent | |
| C02 einsparen. Wie weit sind wir damit? | |
| Joachim Lohse: Sämtliche Maßnahmen, die man sich vorgenommen hatte, sind | |
| umgesetzt. Wir sind sogar teilweise über die Vorgaben hinausgekommen – etwa | |
| beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. | |
| Also haben wir die 40 Prozent erreicht? | |
| Nein, wir werden das Ziel weit verfehlen. | |
| Was heißt weit? | |
| Schon damals hatte man eine Klimaschutz-Lücke identifiziert: Etwa sieben | |
| Prozent hätte man auch rechnerisch mit den in dem Plan aufgeführten | |
| Maßnahmen nicht erreichen können. Jetzt haben wir alles umgesetzt – und | |
| stehen trotzdem nur bei zirka zehn Prozent C02-Einsparung. | |
| Zehn Prozent?! | |
| Ja, und noch einmal: Obwohl wir alle Maßnahmen realisiert haben, von denen | |
| man ausging, sie würden uns auf 33 Prozent bringen. Wir haben jetzt noch | |
| einmal einen externen Gutachter eingeschaltet, der uns prognostiziert, dass | |
| wir bis 2020 mit erheblichen Anstrengungen auf 16 Prozent kommen können. | |
| Der Plan war zu optimistisch? | |
| Nein, es gilt für Bremen wie fürs ganze Land: Ohne Kohleausstieg werden wir | |
| die Klimaziele nicht erreichen. Und in Bremen ist man darüber hinaus von | |
| Annahmen ausgegangen, die so nicht eingetreten sind. | |
| Zum Beispiel? | |
| Die Erwartung war, dass eine höhere Energieeffizienz auch zu einem | |
| geringeren Verbrauch führt. Das ist so nicht eingetreten: Wir erleben da | |
| einen Rebound-Effekt, das heißt, alles was man auf der einen Seite | |
| einspart, wird auf der anderen überkompensiert. Wenn die Motoren wesentlich | |
| weniger Kraftstoff für die gleiche Leistung verbrauchen, aber zugleich alle | |
| Welt mit größeren und schwereren SUV unterwegs ist, braucht man am Ende | |
| doch mehr Sprit. Sehr wichtig ist aber auch die Einwohnerentwicklung: Der | |
| Plan ging davon aus, dass Bremen schrumpft, das Gegenteil ist der Fall – | |
| und natürlich verbrauchen mehr Menschen mehr Ressourcen. Auch hat man | |
| damals mit eingerechnet, dass das Gas-Wasserdampf-Kraftwerk der SWB einen | |
| größeren Anteil der Energieversorgung übernimmt und dafür Kohlekraftwerke | |
| abgeschaltet werden. | |
| Das ist nicht passiert? | |
| Momentan ist das GuD-Kraftwerk nicht ausgelastet. | |
| Warum? | |
| Weil die alten Kohlekraftwerke auf Volllast laufen: Neue hocheffiziente | |
| Gaskraftwerke sind nicht so kostengünstig wie ein abgeschriebenes | |
| Kohlekraftwerk. Andere Effekte sind wahrscheinlich gut fürs Klima, | |
| verhageln uns aber die Bilanz. | |
| Welche denn? | |
| Da ist an erster Stelle die Ausweitung der Kapazitäten der | |
| Abfallverbrennung. Auch dort ist die Effizienz gesteigert worden, aber es | |
| werden in der Folge auch mehr Abfälle aus den Umlandgemeinden verbrannt, | |
| sodass Bremens Emissionen steigen. | |
| Dann war das 40-Prozent-Ziel ein Fehler? | |
| Nein. Das Ziel basiert auf den nationalen und internationalen Klimazielen. | |
| Wir sehen ja, dass die Erde auf einem ganz gefährlichen Pfad ist. Wir | |
| erleben Hitzerekorde und jedes Jahr extremere Wetterlagen, der | |
| Meeresspiegel steigt messbar – die 40 Prozent waren richtig. Zumal, wenn | |
| man bedenkt, dass sie nur ein Zwischenschritt sind zu den notwendigen 80 | |
| Prozent Treibhausgasminderung, die wir bis 2050 erreichen müssen. Es ist | |
| richtig, sein Handeln daran auszurichten, auch wenn man das Ziel verfehlt. | |
| Aber das ist so deprimierend! | |
| Es könnte deprimierend sein. Aber man darf sich nicht entmutigen lassen. | |
| Wir sehen ja, wie mühsam es ist, Entwicklungen auszulösen, die, wenn sie | |
| dann eintreten, eine große Veränderung bewirken. | |
| Welche Stellschrauben gäbe es denn? | |
| In Bremen haben wir nur wenige Möglichkeiten. Die große Stellschraube wäre | |
| ganz klar der Kohleausstieg: Damit wären wir auch hier in Bremen auf einen | |
| Schlag bei mindestens 30 Prozent. Da sehe ich die Bundesregierung klar in | |
| der Pflicht. | |
| Nur sieht die das nicht so? | |
| Das war ein Armutszeugnis der Bundesregierung bei der Klimakonferenz in | |
| Bonn: Die wurde dort für den eigentlichen Gastgeber, die Fidschi-Inseln, | |
| ausgerichtet, der selbst massiv vom Klimawandel betroffen ist. Und auf der | |
| Konferenz bildet sich eine Allianz für den Kohleausstieg – ohne | |
| Deutschland. Armselig. | |
| Wie sollte der Ausstieg aussehen? | |
| Es wäre erforderlich, schnell 15–20 Kohlekraftwerke vom Netz zu nehmen. | |
| Selbst Energie aus Müllverbrennungsanlagen ist besser als Fernwärme von | |
| Kohlekraftwerken. Insofern begrüße ich sehr, dass die SWB von Findorff in | |
| Richtung Vahr eine Wärmeleitung legen will: Das schafft die Möglichkeit, | |
| auf das Kohlekraftwerk Hastedt zu verzichten. | |
| Sonst gibt es keine Bremer Maßnahmen? | |
| Doch. Ein Punkt ist, dass wir künftig jährliche Energieberichte erstellen. | |
| Es ist sinnvoll, sich Rechenschaft darüber abzulegen: Wo stehen wir? Was | |
| funktioniert? Und wo können wir noch besser werden? | |
| Aber nichts Handfesteres? | |
| Wir sind bei allen Maßnahmen dabei, zu schauen, ob sich noch etwas | |
| rausquetschen lässt. Das sind häufig integrierte Maßnahmen: beispielsweise | |
| Projekte wie die Quartiersentwicklung Ellener Hof, wo wir von | |
| energieeffizienten Gebäuden aus klimaschonenden Baustoffen über eine | |
| Dachbegrünung bis zur umweltfreundlichen Energieversorgung an allen Dingen | |
| gleichzeitig arbeiten, die im Bereich Wohnen Einfluss haben. Im Bereich | |
| Verkehr wollen wir Radverkehr, Carsharing und den Öffentlichen | |
| Personennahverkehr voranbringen . | |
| Bremens Pendlerbilanz ist allerdings mies: Es kommen sehr viele aus dem | |
| Umland, von denen 80 Prozent mit dem Auto fahren, viel mehr als etwa in | |
| Hamburg. Müsste man den ÖPNV stärker pushen? | |
| Wir haben in den letzten Jahren konsequent die Regio-S-Bahn ausgebaut und | |
| die Fahrtzeiten stark verkürzt. Ebenso haben wir den Aufbau von | |
| Straßenbahnlinien vorangetrieben, die Linie 4 nach Lilienthal, die Linie 1 | |
| nach Mahndorf. Leider stagniert im Moment der Ausbau der Linien 1 und 8 | |
| Richtung Stuhr – eine Streckenführung, die großes Potenzial hat, Menschen | |
| vom Auto zum Umsteigen in die Bahn zu bewegen, mit der sie nicht täglich im | |
| Stau stehen. Ich hoffe sehr, dass wir da bald vorankommen. | |
| Voran kommen zum 1. 1. erst mal die Preise. Dabei ist die BSAG viel teurer | |
| als etwa die Üstra in Hannover oder die Berliner Verkehrsbetriebe. Kann | |
| sich Bremen das leisten? | |
| Grundsätzlich ist ja die Strategie, dass man die Monatskarten günstig | |
| anbietet. Das ist hier in Bremen der Fall. | |
| Wie überall. | |
| Man muss auch immer gucken, wie etwas finanziert wird. Die BSAG hat derzeit | |
| einen Zuschussbedarf von jährlich 50 Millionen Euro, das ist nicht wenig. | |
| Andererseits macht Bremen die Tarife nicht allein, sondern sie werden im | |
| Verbund Bremen-Niedersachsen gemeinschaftlich entwickelt. Und sie müssen so | |
| sein, dass die Aufrechterhaltung des Angebots auch wirtschaftlich | |
| darstellbar ist. | |
| Gilt das in anderen Verbünden nicht? | |
| Dass das Netz größer ist, heißt nicht, dass es auch eine ungünstigere | |
| Kostenstruktur hat. Deswegen kann man das nicht direkt vergleichen. | |
| Allerdings ist es richtig, man muss aufpassen, dass die Fahrkartenpreise | |
| nicht vor der Nutzung abschrecken. | |
| 19 Dec 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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