Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Studie zu EU-Klimazielen: Ehrgeizig ist nicht genug
> Die EU-Energieminister entscheiden am Montag über Ziele für den
> CO2-Ausstoß. Eine Studie zeigt: Selbst der radikalste Vorschlag reicht
> nicht aus.
Bild: Lecker Eistorte? Nur im Zoo. Am Nordpol gibt's bald vielleicht nicht mal …
Selbst die ehrgeizigsten aktuellen Klimaziele der EU reichen nach einer
neuen Studie nicht aus, um echten Klimaschutz zu garantieren. Der Plan der
EU, bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen der 28 EU-Staaten um 40 Prozent zu
verringern, „ist nicht kompatibel mit den Zielen, die im Pariser Abkommen
2015 vereinbart wurden“, warnt eine bislang unveröffentlichte Studie des
deutschen Öko-Instituts, die der taz vorliegt. So sei nicht gesichert, dass
die EU einen fairen Teil dazu beiträgt, die weltweite Erwärmung deutlich
unter 2 Grad Celsius zu halten.
Die EU will nach einem Beschluss von 2014 ihre klimaschädlichen Emissionen
bis 2030 um 40 Prozent verringern. Dafür müssen 27 Prozent aller Energie
erneuerbar erzeugt und Energie muss 27 Prozent effizienter genutzt werden.
Diese Ziele aber „stellen eine Strategie der verzögerten Handlung für das
Jahrzehnt 2020–2030 dar“, warnen die Experten. Das führe zu einem „sehr
steilen und unrealistischen“ Pfad, wie nach 2030 Emissionen reduziert
werden müssten, um die Pariser Ziele einzuhalten.
Schon häufig haben Umweltgruppen das EU-Ziel als unzureichend bezeichnet.
Nun liegt die erste konkrete Berechnung dazu vor.
Die Studie des Öko-Instituts mit dem Titel „The Vision Scenario“ entstand
im Auftrag der europäischen Grünen. Sie wollen einen Kontrapunkt setzen zum
Treffen der EU-Energieminister, die am Montag in Brüssel über die Zukunft
des Klimaschutzes beraten.
Diese Aufgabe ist schwierig genug. Gegen den Widerstand vieler EU-Länder
und Teile der Industrie wollen die Minister die Anforderungen an
Energieeffizienz und den Ausbau erneuerbarer Energien so verschärfen, dass
die EU ihr Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2030 erreicht. „Dafür müssen
sich alle Mitgliedsstaaten ernsthaft anstrengen“, mahnt auch Klimakommissar
Miguel Canete.
## Das CO2-Budget der EU
Dass das noch untertrieben ist, legt die Studie nahe. Zum ersten Mal hat
Felix Matthes vom Öko-Institut das CO2-Budget der EU berechnet. Wie viel
Treibhausgas darf die EU bei einer fairen weltweiten Verteilung noch in die
Luft blasen, ehe die Atmosphäre so mit CO2-Molekülen gesättigt ist, dass
sie sich um 2 Grad erwärmt? Die Antwort: zwischen 45 und 64 Milliarden
Tonnen seit 2015, wenn man die Daten des UN-Klimarats IPCC zur Grundlage
macht. Die EU stößt derzeit etwa 4,5 Milliarden Tonnen jährlich aus – in
zehn bis zwanzig Jahren wäre dann je nach Entwicklung das gesamte Budget
aufgebraucht.
Um das zu verhindern, müssten die Ziele deutlich verschärft werden, so die
Autoren der Studie: Bis 2030 müsse die EU nicht 40, sondern 55 Prozent
weniger CO2 als 1990 ausstoßen; der Anteil von Wind, Sonne, Biomasse und
Wasser am Energieverbrauch müsse auf mindestens 40 Prozent steigen, nicht
nur wie geplant auf 27 Prozent. Und Energie müsse 45 statt 30 Prozent
effizienter genutzt werden.
Für ernsthaften Klimaschutz rechnet das Szenario unter anderem mit einem
europaweiten Kohleausstieg bis 2030, 70 Prozent Öko-Anteil am Strom schon
2030, dem graduellen Umstieg auf Elektroautos bis 2040, einer Kehrtwende
zum Null-Energie-Bauen. Außerdem gehören auch Verhaltensänderungen dazu:
weniger Flüge, weniger Fleischkonsum, eine effiziente Recyclingwirtschaft.
## Schnell handeln
Laut dem Grünen-Energieexperten Claude Turmes muss die EU schnell handeln,
sonst „haben wir im nächsten Jahrzehnt so hohe Emissionen, dass wir ab 2030
so radikal reduzieren müssen, wie es kaum politisch durchsetzbar ist“.
Bleibe die EU bei ihrem Plan, „müssten wir schon 2040 bei Null-Emissionen
sein“.
Das politische Problem: Schon das unzureichende 40-Prozent-Ziel ist in der
EU mit einem schwachen Emissionshandel und Regierungen wie in Warschau kaum
zu realisieren. Und bis zur Klimakonferenz in einem Jahr in Polen muss die
Entscheidung unter Dach und Fach sein.
Deshalb setzt Turmes auf die Entscheidungen der Energieminister am Montag
zum Clean-Energy-Paket der EU, das Fragen der Effizienz, der Erneuerbaren
und der Standards für Kraftwerke klärt. Da gilt nämlich keine
Einstimmigkeit: Widerspenstige Länder können mit Mehrheit überstimmt
werden. Und im Verhandlungsprozess mit dem EU-Parlament sollen die Ziele
noch verschärft werden.
17 Dec 2017
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
CO2-Emissionen
EU
Schwerpunkt Klimawandel
Klimaschutzziele
E-Autos
CO2-Emissionen
Polen
Elektroauto
Sondierung
EU
Grüne Bremen
Schwerpunkt Hambacher Forst
Lesestück Recherche und Reportage
UN-Klimakonferenz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Batteriezellen für E-Autos: Die Industrie lässt sich bitten
Wirtschaftsminister Altmaier will Unternehmen mit einer Milliarde Euro
Fördergeld dazu bringen, in Deutschland Stromspeicher für E-Autos zu bauen.
Klimabilanz 2017 des Umweltbundesamts: Weniger Treibhausgas für Strom
Die Stromerzeugung in Deutschland wird etwas klimafreundlicher. Doch die
Emissionenen von Verkehr und Industrie nehmen zu.
Studie der Kampagne „Unfriend Coal“: Kohle ist Allianz-versichert
Eine Studie zeigt, wie Europas große Assekuranzen an Polens Kohleexpansion
mitverdienen. Deutsche Versicherungen wollen die Geschäfte prüfen.
Absatz von Elektroautos weltweit: China fährt elektrisch, Osteuropa nicht
Die Nachfrage nach Elektroautos steigt weltweit. Doch sie sind nicht
überall beliebt – vor allem nicht in osteuropäischen Ländern.
Sondierungen zwischen Union und SPD: Klimaziel für 2020 aufgegeben
Den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, halten Union und SPD
für nicht zu schaffen. Ein schwerer Rückschlag für den Klimaschutz.
EU-Paket für die Zukunft der Energie: Strommarkt gerettet, Klima nicht
Die EU-Länder beschließen ihre Klimaziele und wollen den Energiemarkt neu
ordnen. Aber sie bleiben hinter dem zurück, was nötig wäre.
Bremen verfehlt Klimaziele: „Wir werden das Ziel weit verfehlen“
Den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, kann Bremen nicht
mehr schaffen. Warum Ehrgeiz trotzdem gut ist, erklärt der grüne
Umweltsenator Lohse
Kommentar Braunkohle-Proteste: Ihr seid Helden
RWE lässt die Waldbesetzer im Hambacher Forst aus ihren Baumhäusern zerren.
Warum die ÖkokämpferInnen trotzdem siegen werden.
Grüne in der Jamaika-Sondierung: Verhandeln bis es schmerzt
Annalena Baerbock will nichts weniger als das Klima retten. Die Grüne ist
Teil der Sondierung – und hat eine bewegte Woche hinter sich.
Merkel bei der UN-Klimakonferenz: Kein Kohleausstieg in Sicht
Alle hoffen auf ein Signal aus Deutschland. Doch Merkel enttäuscht alle
Erwartungen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wird deutlicher.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.