# taz.de -- Klimaschutz bei den Sondierungen: Kritik am Abschied von 2020 | |
> Union und SPD haben sich auf neue Klima-Maßnahmen geeinigt, das 2020-Ziel | |
> aber aufgegeben. Nun kommt Kritik von vielen Seiten. | |
Bild: Erstmal raucht's weiter: Braunkohlekraftwerk Frimmersdorf | |
Der Widerspruch steht gleich am Anfang: „Deutschland bekennt sich zu den | |
beschlossenen Klimazielen für 2020 (–40 %)“, beginnt der erste Satz des | |
Textes, auf den sich CDU/CSU und SPD bei den Sondierungen zu einer neuen | |
Großen Koalition [1][am Montag geeinigt haben]. Und gleich der dritte Satz | |
heißt: „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht | |
erreicht werden.“ Dass sich eine potenzielle neue Bundesregierung damit zu | |
einem Ziel bekennt, das sie für nicht erreichbar hält, verteidigen vor | |
allem SPD-Politiker damit, man müsse sich „ehrlich machen“. Opposition und | |
Umweltgruppen dagegen werfen den Sondierern vor, die Klimapolitik zu | |
torpedieren. | |
Das dreiseitige Papier verspricht Maßnahmen, um die Lücke zwischen den 40 | |
Prozent Reduktion der jährlichen Treibhausgasemissionen Deutschlands im | |
Vergleich zum Jahr 1990 und der Wirklichkeit „so weit wie möglich“ und „… | |
Anfang der 2020er Jahre“ zu schließen. Dazu gehört eine Kommission, die bis | |
Ende 2018 Pläne vorlegen soll, um möglichst nahe an das 40-Prozent-Ziel zu | |
kommen, das 2030-Ziel (minus 55 Prozent) für den Energiesektor zu planen | |
und einen Plan und ein Datum für den Kohleausstieg festzulegen. Das soll | |
finanziell mit einem Fonds aus Bundesmitteln abgesichert werden. Erstmals | |
soll 2019 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden, das auch den Verkehr | |
und die Gebäude einschließt. | |
Die Einigung sieht weiter vor, den Anteil der Erneuerbaren am Strommix bis | |
2030 auf 65 Prozent zu steigern. Bisher waren für 2035 höchstens 60 Prozent | |
geplant. Um noch vor 2020 etwa 10 Millionen Tonnen CO2 zu sparen, sollen | |
zusätzliche Wind- und Solarparks mit einer Kapazität von insgesamt 8 | |
Gigawatt entstehen. Die Stromsteuer soll gesenkt werden und die EEG-Umlage | |
durch einen staatlichen Fonds entlastet werden. Im Umweltschutz soll ein | |
neuer Fonds das „Nationale Naturerbe“ besser ausstatten und ein | |
„Aktionsprogramm Insektenschutz“ die Lebensräume für diese Tiere | |
verbessern. Was in dem Text fehlt, ist jeder Hinweis auf einen allgemeinen | |
Preis auf Kohlendioxid oder auf einen CO2-Mindestpreis im | |
EU-Emissionshandel. | |
Weil die Sondierungsparteien Stillschweigen vereinbart haben, waren | |
offizielle Reaktionen der Beteiligten schwer zu bekommen. | |
SPD-Klimapolitiker Frank Schwabe [2][kommentierte auf Twitter], „das Ziel | |
zu streichen ist hart, aber alles andere wäre Augenwischerei. Die Umsetzung | |
des Klimaziels ist in den letzten zehn Jahren gescheitert, nicht jetzt.“ | |
## Knapp bemessene Zeit | |
Intern hieß es von SPD-Seite, die Zeit für die Erreichung des Klimaziels | |
von 2020 sei schlicht zu knapp. Durch die Verzögerungen in der | |
Koalitionsbildung – aber natürlich auch durch das langsame Handeln aller | |
Regierungen seit der Erklärung des 40-Prozent-Ziels im Jahr 2007 – hieße | |
harter Klimaschutz nun die erzwungene Abschaltung von Kraftwerken und | |
„5.000 bis 6.000 Arbeitslose“. | |
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter widersprach ebenso wie die | |
Energieexpertin Claudia Kemfert vom Forschungsinstitut DIW der Meinung, das | |
Klimaziel sei ohnehin nicht zu halten. „Schwierig, aber machbar“ sei das | |
Ziel, man müsse aber schnell die dreckigsten Kraftwerke abschalten. | |
Genau darum hatten die Grünen zuvor bei den Verhandlungen um eine | |
Jamaika-Koalition mit Union und FDP erfolgreich gekämpft: Der zuletzt | |
erreichte Zwischenstand sah eine kurzfristige Abschaltung von | |
Kohlekraftwerken mit einer Kapazität von 7 Gigawatt vor. Auch damit wäre | |
die Lücke zum Erreichen des 2020-Ziels aber nicht einmal zur Hälfte | |
geschlossen worden. Dass die übrigen angekündigten Maßnahmen etwas im | |
Verkehrs- und Gebäudesektor kurzfristig gewirkt hätten, war damals von | |
Umweltverbänden bezweifelt worden. | |
Dass das 2020-Ziel nun von den Groko-Sondierern komplett aufgegeben wird, | |
stieß bei den Verbänden auf scharfe Kritik. „Die Parteispitzen müssen | |
diesen Kurs korrigieren, sonst opfern sie den deutschen Klimaschutz auf dem | |
Altar der Kohlelobby und untergraben die Glaubwürdigkeit der deutschen | |
Klimapolitik“, erklärte der BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger und erinnerte | |
daran, dass sowohl die CDU-Vorsitzende Angela Merkel als auch SPD-Chef | |
Martin Schulz kürzlich noch das Einhalten des 2020-Ziels versprochen | |
hatten. | |
Für den WWF erklärte Klimaexperte Michael Schäfer: „Noch können wir das | |
Klimaziel 2020 erreichen. Dafür müssen wir noch in diesem Jahr die | |
entsprechenden Maßnahmen umsetzen – inklusive Einstieg in den | |
Kohleausstieg.“ Dieser dürfe nicht in die geplante Kommission abgeschoben | |
werden. | |
Kritik kam auch aus Reihen der Union. CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte | |
im TV-Sender Phoenix: „Politische Verantwortungsträger müssen sich | |
ehrgeizige Ziele setzen und dann auch daran festhalten.“ Er hoffe, die | |
Einigung sei noch nicht das letzte Wort. | |
9 Jan 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Sondierungen-zwischen-Union-und-SPD/!5476205 | |
[2] https://twitter.com/FrankSchwabe/status/950414154313191424 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
Bernhard Pötter | |
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