# taz.de -- FFF-Aktivistin über Corona-Lockdown: „Das war ein krasser Break�… | |
> Vor dem Lockdown stand Frederike Oberheim von FFF Bremen kurz vor dem | |
> Burn-out. Die ersehnte Auszeit wurde schnell zum Stressfaktor. Ein | |
> Protokoll. | |
Bild: Seit eineinhalb Jahren für „Fridays for Future“ Bremen auf der Stra�… | |
BREMEN taz | Vor dem Lockdown hatte ich einen heftigen Workload, vor allem | |
mit der Klausurenphase an der Uni nebenher. Rund um Weihnachten und auch | |
Anfang des Jahres hatten wir zwar noch gar keinen Großdemo-Stress, aber die | |
Aktionen zu Siemens und Altmaier sind dann noch dazugekommen. Das alles mit | |
der Uni zu vereinen, war echt schwierig und wurde konstant immer | |
schwieriger, mein Stresslevel entsprechend immer höher. | |
Schon 2019 hatte ich nur zwei Tage Urlaub – und auch das hat nicht so | |
richtig geklappt, weil ich trotzdem angerufen wurde. Ansonsten habe ich | |
jeden Tag gearbeitet, genau wie Anfang 2020. Mir ist in der Zeit schon | |
aufgefallen, dass ich dringend eine Auszeit brauche. Ich hatte | |
Schlafmangel, zu wenig Zeit, um in Ruhe zu essen, die Familie zu besuchen, | |
mit Freund*innen was zu machen. Und die To-do-Liste wurde nicht kürzer. Ich | |
habe gegen einen Berg Aufgaben angekämpft. | |
Seit letztem Sommer hatte ich regelmäßig das Gefühl, dass ich dieses Pensum | |
nicht halten kann. Da war ein wahnsinnig großes Bedürfnis, das Handy auch | |
einfach mal eine Woche liegenlassen zu können. In akuten Phasen, vor allem | |
[1][um die Großstreiks] herum, war ich oft an der Grenze zum Burn-out. | |
Manchmal haben nur ein paar Kleinigkeiten gefehlt, dass alles hochkocht. | |
Dann kam Corona. Es gab keine [2][Anrufe von Journalist*innen] mehr, auch | |
in der Bewegung waren alle ein bisschen perplex – wir mussten erst mal | |
schauen, was wir machen, wenn wir nicht mehr demonstrieren können. Dadurch | |
ist das Nachrichtenpensum einfach unglaublich gesunken und entsprechend | |
mein Aufgabenpensum. Wir haben zu dem Zeitpunkt des Lockdown gerade auf | |
einen Großstreik hingearbeitet, der dann ausgefallen ist. Die Zeit, die ich | |
dafür eingeplant hatte, war dann plötzlich frei. | |
Das war ein krasser Break, der zudem direkt in die Semesterferien fiel. | |
Auch die Uni war demnach erst mal weg. Ich habe viel geschlafen, gekocht, | |
ich habe gelesen, Sport gemacht, Serien geguckt, ich war draußen – auch | |
einfach mal, ohne dabei zu einem Termin unterwegs zu sein. Klingt komisch, | |
aber viele Sachen davon waren für mich davor einfach nicht im Alltag | |
möglich. | |
Und noch was Gutes hatte der Lockdown: Im Zuge der Auszeichnung als Frau | |
des Jahres Anfang März habe ich sehr viele Gewaltdrohungen im Internet | |
bekommen. Das ist dadurch auch direkt gesunken. Schon erschreckend, wie | |
schnell so eine Aufmerksamkeit – auch die positive – weg sein kann. | |
Vielleicht hatten die Leute dann anderes im Sinn. Aber das war natürlich | |
eine ziemliche Erleichterung, nicht mehr morgens aufzuwachen und | |
irgendwelche Facebook-Nachrichten von rechten Trollen zu lesen. | |
Irgendwann habe ich aber auch einen Lagerkoller gekriegt. Wenn man einfach | |
24/7 produktiv ist und durch die Gegend düst, ist es erst mal schwierig, da | |
nicht wirklich selbstbestimmt rausgerissen zu werden. Also habe ich | |
angefangen, mir Aufgaben nachzuladen: Ich bin in mehr „Fridays for | |
Future“-Arbeitsgruppen auf Bundesebene aktiv geworden, habe mich in neue | |
Projekte eingebracht. Dadurch hatte ich auch bald wieder einen ziemlich | |
guten Workload mit vielen Video- und Telefonkonferenzen. | |
Inzwischen gibt es auch viele Webinare und die Gespräche mit den | |
Politiker*innen finden langsam wieder statt, die [3][Enquetekommission | |
„Klimaschutz Bremen“ ist gestartet]. Es sind also noch Aufgaben da – nur | |
die Demos fehlen. Genau das hat aber den schlimmsten psychischen Effekt: | |
Unser Wirksamkeitsgefühl hat rapide abgenommen. | |
Vorher waren wir einfach sehr präsent und hatten das Gefühl, viel im | |
Diskurs bestimmen zu können. Plötzlich diese Medienpräsenz zu verlieren und | |
die Demos nicht mehr zu haben – Demos sind einfach ein krass empowerndes | |
Gefühl – brachte die Angst: Sind die Leute noch da, wenn wir irgendwann | |
wieder Großdemos veranstalten dürfen? Oder sind wir dann nicht nur aus den | |
Medien, sondern auch aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden? | |
Handlungsunfähigkeit und der Verlust von Wirksamkeit sind psychisch sehr | |
belastend. Ich kann mir gerade noch gar nicht vorstellen, wie es werden | |
wird. Müssen wir bald ganz viel nachholen? Wir brauchen als Bewegung glaube | |
ich Lichtblicke, auf die wir uns freuen können. | |
## „Wir wollen keinen Lockdown für den Klimaschutz“ | |
Der Stillstand im Zuge der Coronapandemie ist bei mir mit einer starken | |
Ambivalenz verbunden. Am Anfang war ich ganz erleichtert, aber nachdem ich | |
reflektiert hatte, was es bedeutet, und klar war, das geht jetzt nicht nur | |
ein Monat, ist es mittlerweile ein weiterer Stressfaktor. Mein | |
Arbeitspensum ist wieder hoch. Dadurch, dass fast alles online stattfindet, | |
ist die Arbeit zwar leichter zu koordinieren, gleichzeitig ist das keine | |
besonders gute Work-Life-Balance. Wann nehme ich mir Freizeit, wenn eh | |
alles bei mir zu Hause stattfindet? | |
Auch zu sehen, wie schnell und konsequent Politik handeln kann, war schon | |
ein schwieriges Gefühl. Aber wir wollen ja keinen Lockdown für den | |
Klimaschutz. Doch durch das Konjunkturpaket und weil noch keine wirkliche | |
politische Veränderung entstanden ist, hat sich das Gefühl auch wieder | |
etwas gelegt. | |
Die drängende Frage ist aber jetzt: Was braucht die Politik, um zu | |
verstehen, dass wir einen Systemwandel brauchen? Gesamtgesellschaftlich | |
habe ich aber das Gefühl – leider nicht primär auf den Klimaschutz bezogen, | |
eher auf viele andere Themen wie die Aufwertung von Care-Arbeit –, dass die | |
vergangene Zeit zum Denken angeregt hat. Die Frage ist, ob sich das halten | |
wird.“ | |
30 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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