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# taz.de -- Frauenbilder bei Instagram und Co.: Medien neu, Geschlechterrollen …
> Frauen sind in den „sozialen“ Medien schlecht, zeigen drei neue Studien.
> Ihre Inszenierung basiert auf veralteten Rollenbildern.
Bild: Perfekte Selbsinszenierung bei Insta – das geht für viele junge Frauen…
Ein blondes Mädchen posiert in einem kurzen schwarzen Kleid auf der Straße,
dabei stellt sie das eine Bein vor das andere. Durch die Pose sollen ihre
Beine schlanker aussehen. Bevor sie das Bild bei Instagram hochlädt,
verlängert sie zusätzlich mit Hilfe einer App ihre Beine. Das Posieren hat
sich die Instagram-Userin von Influencer*innen abgeschaut – und damit ist
sie nicht allein. Eine neue Studie besagt, dass jugendliche Nutzer*innen
der sozialen Medien Influencer*innen als Vorbilder betrachten und deren
Aussehen und Posen nachahmen wollen.
Dies ist nur eine Erkenntnis der neuen Studienergebnisse zum Thema
[1][„Weibliche Selbstinszenierung in den neuen Medien“], die im Auftrag der
MaLisa Stiftung erarbeitet wurden. Die Stiftung von Schauspielerin Maria
Furtwängler und ihrer Tochter Elisabeth Furtwängler engagiert sich seit
2016 für die Überwindung einschränkender Rollenbilder.
Untersucht wurde in den drei repräsentativen Studien, die am
Montagnachmittag in der deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz in Berlin
vorgestellt wurden, die Geschlechterdarstellung bei YouTube, Instagram und
in Musikvideos. Twitter und Facebook wurden bei der Untersuchung nicht
berücksichtigt. Dabei wurde gezeigt, dass das Verhältnis von weiblichen zu
männlichen Protagonist*innen bei den 100 beliebtesten Musikvideos auf
YouTube 1 zu 2 ist, genau wie bei den 100 beliebtesten YouTube-Kanälen und
auch den Top 100 Instagrammer*innen.
Die Ergebnisse erinnern an die erste Studie, die 2017 von der Stiftung
präsentiert wurde. Damals wurde die Geschlechterdarstellung im deutschen
Film und Fernsehen untersucht. Es kam heraus, dass Frauen im TV deutlich
unterrepräsentiert sind. Gleiches gilt also auch in den neuen Medien. Hinzu
kommt, dass die Darstellung von Frauen häufig auf stereotypen und
veralteten Geschlechterbildern beruht.
So bedienen weibliche YouTuberinnen vor allem Themen wie Beauty, Kochen
oder Beziehungen – während die männlichen ein deutlich breiteres Themenfeld
abdecken von Politik über Comedy bis hin zu Sport. Das haben die
Universität Rostock und die Filmuniversität Babelsberg unter der Leitung
der Professorinnen Elizabeth Prommer und Claudia Wagner durch die Analyse
von 1.000 YouTube-Kanälen und 2.000 Videos sowie in Gesprächen mit 14
YouTuberinnen herausgefunden.
## Fokus auf Brust und Po
Ähnliche Ergebnisse brachte auch die Studie des internationalen
Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen beim Bayrischen
Rundfunk unter der Leitung von Maya Götz hervor, die die hundert
erfolgreichsten Musikvideos in Deutschland und den USA untersuchte. Auch
hier sind Frauen unterrepräsentiert und werden sexualisiert inszeniert.
Dabei wird der Fokus häufig auf die Brust und den Po gelegt, in über 50
Prozent der Fälle werden die Frauen ohne Kopf gezeigt. Ein Großteil der
befragten Jugendlichen ging jedoch davon aus, dass das
Geschlechterverhältnis in den Musikvideos ausgeglichen ist.
In der letzten vorgestellten Studie wurden 300 Posts von Influencerinnen
untersucht und mit 300 Bildern von Instagram-Userinnen der Fallstudie
verglichen. Erfolgreich sind dabei die Frauen, die dem Schönheitsideal
entsprechen: schlank und langhaarig. Junge Instagrammerinnen eifern diesem
Verständnis von Schönheit nach, 50 Prozent der Befragten gaben an, ihr
Äußeres auf den Bildern zu optimieren. Die Studie zeigt beispielsweise,
dass knapp 70 Prozent der Mädchen, die Heidi Klum folgen, ihre Zähne auf
ihren Bildern aufhellen.
Wer viel Zeit in sozialen Medien verbringt, den dürften die
Studienergebnisse nicht überraschen. Es gibt zwar auch die, die politische
Arbeit bei Instagram oder YouTube bestreiten oder sich fernab der
herrschenden Schönheitsnorm inszenieren, doch das soziale Netzwerk ist
hauptsächlich mit geschminkten Gesichtern gefüllt, die immer fröhlich in
die Kamera grinsen. Geht es in dem sozialen Netzwerk nun mal darum, sich
selbst zu vermarkten und Produkte zu verkaufen. Doch auch ein positiver
Aspekt geht aus der Studie hervor. So sind die neuen Medien in Sachen
Diversität weiter als Film und Fernsehen. Fast die Hälfte der männlichen
YouTuber haben Migrationshintergrund, bei den Frauen sind es immerhin ein
Drittel.
Doch bei der Frage, wie es dazu kommt, dass Userinnen in den sozialen
Medien nur wenig vorkommen und bei der Selbstinszenierung auf stereotype
Bilder zurückgreifen und wie eine größere Vielfalt abgebildet werden
könnte, können diese neuen Studien eine valide Grundlage bieten. Aus den
Interviews mit YouTuberinnen ergab sich so beispielsweise, dass der Bereich
„Beauty“ für sie ein sicheres Gebiet ist. Damit ist gemeint, dass es für
sie lukrativ ist und sie in diesem Themenfeld wenig Hatespeech ausgesetzt
sind. Es ist also nicht allein persönlichen Interessen geschuldet, dass
geschlechterstereotype Themen unter YouTuberinnen dominieren, sondern auch
Trollen und einem sexistischen Markt.
Weitere Gründe und Lösungsvorschläge wurden in einem anschließenden Panel
unter der Moderation der Reporterin der rbb-„Abendschau“, Petra Gute,
gesucht. Hier diskutierten das Model Stefanie Giesinger, die Rapperin
Eunique (die vielen durch ihren Auftritt als Rapperin in der TV-Serie „4
Blocks“ bekannt sein dürfte) und der „Funk“-Moderator Tarik Tesfu.
Giesinger zeigt sich aufgrund der Studienergebnisse schockiert: „Es ist mir
bewusst, dass ich Vorbild für viele junge Frauen bin. Doch ich dachte
nicht, dass Mädchen genau das Gleiche tragen und machen wollen, wie ich.“
## Lösungsvorschläge bleiben im vagen Bereich
Die drei sollen wohl Positivbeispiele aus der Welt der neuen Medien
darstellen. Giesinger, die bei Instagram vieles aus ihrem Privatleben
teilt, dort auch über ihre Krankheit spricht. Eunique möchte mit ihren
Follower*innen, die sie „Kobra Militär“ nennt, Frauen untereinander
unterstützen. Und YouTuber und Netzaktivist Tesfu setzt sich im Netz für
Feminismus und Antirassismus ein. Obwohl das Panel mit zwei Frauen und zwei
PoCs durchaus divers besetzt ist, stellt Tesfu richtigerweise fest, dass
auch an diesem Nachmittag nur Menschen auf der Bühne sitzen, die der Norm
entsprechen. „Wo sind denn hier die, die nicht groß und schlank sind? Wo
sind die trans*Personen, wo die Menschen mit Behinderungen?“
Schon bei der [2][Veranstaltung zur TV-Studie im Jahr 2017] waren sich alle
einig, dass es ein wichtiges Thema ist, über das gesprochen werden muss.
Doch Quoten forderte damals keine*r. Auch bei dieser Veranstaltung ist es
ähnlich – Lösungsvorschläge bleiben im vagen Bereich.
So waren sich zwar alle Influencer*innen ihrer Verantwortung bewusst, doch
wie sich konkret etwas ändern soll, blieb offen. Es gibt Forderungen für
mehr Diversität in Schulbüchern, Social-Media-Unterricht für Lehrer*innen.
Tesfu wünscht sich mehr Aufklärung über die Strukturen in den Netzwerken:
„Hinter den YouTubern stehen häufig Netzwerke, die dann wieder nur von
weißen Männern geleitet werden. Um diversere Geschichten zu bekommen,
brauchen wir auch diversere Medienschaffende.“
Eindruck hinterlassen hat die Studie bei den Influencer*innen in jedem
Fall. Die 16-jährigen Zwillinge Lisa und Lena N., die durch die Lip-Sync-Ap
„Muiscal.ly“ bekannt geworden und mit ihren 14 Millionen Follower*innen
eine Reichweite haben, von der der Tatort nur träumen kann, ziehen aus ihr
Konsequenzen. So kündigt Lisa an: „Lena und ich wollen jetzt auch mal mit
unserer Community reden, dass man nicht immer sexy und hübsch aussehen
muss.“
Eine Debatte muss in jedem Fall her, denn eines haben die Studien gezeigt:
Genderstereotype verschwinden nicht einfach automatisch mit der Zeit.
29 Jan 2019
## LINKS
[1] https://malisastiftung.org/
[2] /Studie-zu-Geschlechterdarstellung-im-TV/!5426574
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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