| # taz.de -- Kommentar App zur Datenüberwachung: Geld gegen Daten | |
| > Mittels App überwacht Facebook die Smartphone-Aktivitäten seiner | |
| > NutzerInnen und zahlt dafür. Das zeigt, wie egal den Menschen ihre Daten | |
| > sind. | |
| Bild: Eine verkaufte Seele ist Anfängerkrams dagegen | |
| Würde Margarete alias Gretchen Doktor Faust heute auf ein tiefsinniges | |
| Gespräch in Marthens Garten treffen, dann würde sie ihn eher nicht fragen: | |
| „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ Sondern etwas in der Richtung: | |
| „Alter, wie heißt du bei Instagram? Wie, da bist du nicht?“ | |
| Faust würde dann damit prahlen, als aufgeklärter Mensch natürlich nicht auf | |
| Instagram zu sein, das gehöre schließlich zu Facebook. Doch Gretchen, schon | |
| immer schlauer als er und nur aus taktischen Gründen auf Instagram – | |
| schließlich ist ein [1][Leben als Influencerin] nicht die schlechteste | |
| finanzielle Grundlage für die Versorgung zukünftiger Kinder –, wüsste, dass | |
| die Entscheidung ihres Gegenübers nicht aus hehren [2][Privatsphäre- oder | |
| konzernkritischen Gründen] herrührt. Sondern daher, dass er schlicht nicht | |
| durchschaut, wie dieses ganze moderne Zeugs eigentlich funktioniert. | |
| Facebook selbst jedenfalls, also als Konzern und Geschäftsmodell, scheint | |
| sich Faust mehr und mehr anzunähern. Die zeitgemäßen Gretchens, also die | |
| heutigen Teenager, sind kaum mehr bei Instagram, sondern eher bei Snapchat | |
| oder TikTok, was noch früher mal musical.ly war. Apps, die im Gegensatz zu | |
| [3][WhatsApp] und Instagram nicht zu Facebook gehören. | |
| Facebook macht also, was es kann, es beauftragt eine App, die junge Leute | |
| auf ihren Smartphones installieren sollen und die permanent Daten zu | |
| Facebook schickt. Daten darüber, welche Apps wie und wann genutzt werden, | |
| mit wem man darüber kommuniziert, welche Webseiten besucht werden und, ja, | |
| unter Umständen auch Informationen aus verschlüsselter Kommunikation. Und | |
| wie zur Hölle bekommt man Menschen dazu, eine derartige Software-Wanze zu | |
| installieren? Na, mit dem schlagkräftigsten Argument der Welt: Geld. | |
| ## Ein erfolgreiche Erziehung | |
| Nun gehen die Zahlen darüber, was der Konzern Nutzer:innen der „Facebook | |
| Research App“ so zahlt, auseinander. Das Technologieblog TechCrunch | |
| berichtet aktuell von bis zu 20 US-Dollar monatlich plus Boni für weitere | |
| geworbene Nutzer:innen. | |
| In E-Mails und Einladungen, die im Netz kursieren, ist mal von 5 US-Dollar | |
| monatlich als Grundzahlung plus 10 Dollar monatlich für jede:n weitere:n | |
| Nutzer:in die Rede, mal von 30 US-Dollar monatlich plus 10 weitere für | |
| jeweils drei aufeinanderfolgende Monate der Teilnahme. Eine Summe, die, je | |
| jünger der:die Teilnehmende ist, desto wertvoller erscheint. Und die zeigt | |
| erneut, wie gering Menschen den Wert ihrer eigenen Daten einschätzen. | |
| Das Schlimme ist: Sie liegen damit nicht einmal sonderlich falsch. Ob | |
| Wohnsituation und Vorlieben, ob Gesundheitsdaten oder Interessenprofile – | |
| der Zugriff auf persönliche Daten lässt sich für ein paar Cent besorgen. | |
| Die Erziehung war also auf ganzer Linie erfolgreich. | |
| Gibst du mir Bilder, die Adressen deiner Freunde, Informationen über | |
| deine Hobbys, Vorlieben und geheimsten Ängste, dann gebe ich dir einen | |
| Haufen werbeverseuchte Infrastruktur, die du nutzen darfst und das | |
| Versprechen, dass du nie mehr alleine sein wirst. Zumindest dann nicht, | |
| wenn du vor dem Computer/Smartphone/Tablet sitzt. Eine verkaufte Seele ist | |
| Anfängerkrams dagegen. | |
| Das Vorgehen von Facebook zeigt auch: Der Konzern ist bereit, einiges für | |
| den Erhalt seiner Marktmacht zu tun. Denn die betreffende App könnte | |
| zumindest die Entwicklerrichtlinien von Apple verletzt haben – und einen | |
| Konzern von Apples Marktmacht wird sich auch Facebook nicht ohne Not zum | |
| Feind machen. Facebooks Angst vor der eigenen Bedeutungslosigkeit könnte | |
| also auch ein kleiner Hoffnungsschimmer sein. Denn sie zeigt: Es gibt Raum | |
| für Alternativen. Vielleicht auch mal für eine, die Nutzer:innen nicht nur | |
| als datenabsondernde Kreaturen begreift. | |
| 30 Jan 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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