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# taz.de -- Diversity im Privatfernsehen: Entscheidend ist die Klasse
> Soziale Herkunft von Medienschaffenden spielt in der Branche eine
> untergeordnete Rolle. Dabei hat sie Einfluss auf die späteren Inhalte
Bild: Reinhold (Albrecht Schuch, l) und Francis (Welket Bungue) in „Berlin Al…
BERLIN taz | „Deutsches Fernsehen: So vielfältig wie sein Publikum?“ Das
wäre der Titel des ersten „Diversity Gipfels“ von RTL, ProSiebenSat.1, UFA,
der Film und Medienstiftung NRW sowie weiteren Branchenplayern gewesen.
Auch wenn die Veranstaltung wegen der [1][Corona-Pandemie] nicht stattfand:
Die Frage, wie gesellschaftliche Vielfalt in der Medienbranche und
Beiträgen selbst zum Ausdruck kommt, bleibt.
„In vielen Bereichen liegen wir da weit hinten, wenn ich unsere
Medienlandschaft mit der unserer Kollegen aus den USA und England
vergleiche“, sagt UFA-Chef und Gipfel-Mitveranstalter Nico Hofmann
gegenüber der taz. „Dort werden die meisten Bereiche der Diversität sehr
viel selbstverständlicher abgebildet.“
Im Journalismus ist Diversity schon lange Thema. Organisationen wie die
[2][„Neuen Deutschen Medienmacher*innen“] setzen sich seit Jahren für eine
ausgewogene Berichterstattung ein. Mit einem eigenen Mentoringprogramm
fördern sie Journalist*innen mit Migrationsgeschichten und unterstützen sie
bei ihrem Weg in die Medienhäuser. Ein Aspekt kommt in der deutschen
Debatte aber oft zu kurz: die soziale Herkunft.
Verschiedenheit in der Herkunft kann [3][eben auch der Klassenunterschied
sein]. So formuliert es Makrosoziologie Jürgen Gerhards. „Der aktuelle
Diskurs ist eine Verengung der tatsächlichen Merkmale, die für die
Ungleichheit einer Gesellschaft besonders relevant sind“, sagt er.
Gerhards, Hochschullehrer an der Freien Universität Berlin, fragt sich, ob
die Merkmale, die im Vielfaltsdiskurs in den Mittelpunkt gerückt werden,
wie etwa Gender oder Diversity, die wirklich diskriminierenden Faktoren
sind. „Die Antwort lautet Nein. Ich bin beileibe kein Marxist. Aber die
Klassenzugehörigkeit einer Person, ihre Bildung und ihre Verfügung über
Einkommen und Vermögen ist weiterhin die entscheidende
Ungleichheitsdimension.“
## Alle aus ähnlichen Milieus
UFA-Chef Hofmann versucht im Rahmen seiner Professur an der Filmakademie
Baden-Württemberg diese Strukturen aufzubrechen: „Mindestens die Hälfte
meiner Diplomstudenten haben einen Migrationshintergrund“, sagt er.
Beispielhaft verweist er dabei auf Randa Chahoud und Soleen Yusef, die
Regie bei der Amazon Prime Serie „Deutschland 89“ führten oder Burhan
Qurbani, der bei der Neuverfilmung von „Berlin Alexanderplatz“ für Regie
und Drehbuch verantwortlich war.
Dass unter den Hochmotivierten häufig Menschen mit Migrationsbiografien zu
finden sind, kann auch Medienwissenschaftler Hans Jürgen Wulff bestätigen.
Diversity kann sich aber nicht nur auf die Herkunft beschränken. „Es ist
ein dramatisches Problem, dass wir an den Unis einen so geringen Anteil von
Studenten haben, die aus Nichtakademikerfamilien stammen“, sagt er.
Im Rahmen einer internen Erhebung hatten Wulff und seine Kollegen an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel festgestellt, dass der
entsprechende Anteil sich lediglich auf 4 Prozent belief. Dass
Medienschaffende aus ähnlichen Milieus kommen, verstärkt ein System von
Ungleichheit: In der eigenen Arbeit werde dann auf das zurückgegriffen, was
man sowieso im Kopf hätte, sagt Wulff. Wer aus einem bürgerlichen Milieu
kommt, wird beim Drehbuchschreiben vielleicht auch eher auf dieses Milieu
zurückgreifen.
Nicht nur Wulff sieht die fiktionale Primetime dominiert von bürgerlichen,
„ja geradezu bourgeoisen“ Standardexistenzen. „Es ist wichtig, dass wir
nicht nur die Welt der Architekten, Akademiker und Ärzte abbilden, sondern
die gesamte gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden, mit allen Ängsten und
Herausforderungen der Gegenwart“, formulierte kürzlich WDR-Fernsehfilmchef
Alexander Bickel in einer hauseigenen PR-Zeitschrift.
Auch wenn es etwa Daten zur Herkunft von Chefredakteur*innen und
Programmdirektor*innen gibt, die belegen, dass sie zu zwei Dritteln aus den
oberen 4 Prozent der Bevölkerung kommen – eine aktuelle, repräsentative
Studie, ob und wie die soziale Herkunft Medienmacher*innen und
Medieninhalte prägen, existiert noch nicht.
26 Mar 2020
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[2] /Verein-Neue-Deutsche-Medienmacher/!5168118
[3] /Care-Arbeit-im-Kapitalismus/!5666757
## AUTOREN
Wilfried Urbe
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