# taz.de -- Diversity im Fernsehen: Kein Abbild der Vielfalt | |
> Die internationale Fernsehmesse MIPTV in Cannes treibt das Thema | |
> „Diversity“ voran. Im Fernsehen ist davon nichts zu sehen. | |
Bild: Filme wie „Moonlight“ sind noch immer eine Seltenheit | |
[1][Die Untersuchung der US-Fachzeitschrift Variety] muss entmutigend | |
gewirkt haben: Von den 38 neuen Serien der US-Programmsaison 2016/17 sind | |
rund 90 Prozent der kreativ Verantwortlichen Weiße. Und der Großteil von | |
ihnen wiederum ist männlich. Ganz schlechte Chancen haben demnach | |
Afroamerikanerinnen, wenn es darum geht, eine führende Funktion bei einer | |
Fernsehproduktion zu ergattern. | |
Eigentlich merkwürdig. Denn das Thema „Diversity“, also die Abbildung der | |
gesellschaftlichen Vielfalt in den Medien, steht in den Vereinigten Staaten | |
schon länger auf der Agenda. Die aktuelle Diskussion über die mangelnde | |
Beachtung von Afroamerikanern in der Medien- und Kinobranche hat [2][neben | |
der Qualität sicher auch „Moonlight“ zum Oscar verholfen]. Aber wie sieht | |
es in Europa aus? | |
„Auch wenn sich schon viel getan hat – es gibt immer noch einen Mangel an | |
Diversität“, stellt David Cornwall fest. Der englische Dokumentarfilmer mit | |
afrikanischen Wurzeln hat vor drei Jahren auf der heute zu Ende gehenden | |
TV-Messe MIPTV in Cannes eine Art Forum gegründet. | |
Jetzt wird auf der weltgrößten Fernsehmesse der Stand der Dinge regelmäßig | |
diskutiert. So auch in diesen Tagen. „Serien wie ‚Black-ish‘ oder die | |
HipHop-Serie ‚Empire‘ laufen gut, und sie verkaufen sich auch gut ins | |
Ausland“, sagt er. | |
## In Frankreich läuft es besser | |
In Südfrankreich lassen sich dafür zurzeit viele Beispiele finden. Etwa | |
„Curvy Supermodel“. Das deutsche Format um [3][Schönheiten, die nicht dem | |
gängigen Ideal ähneln], sondern sich eher an der Realität orientieren, hat | |
beim deutschen Publikum einen Nerv getroffen und ist aktuell an der Cote | |
d’Azur heiß begehrt. Vor Kurzem hat ein brasilianischer Sender die Idee | |
gekauft. Als bestes „Scripted Reality“-Format wurde in Südfrankreich von | |
einer internationalen Fachjury die englische Produktion „The a Word“ | |
gekürt, die das Leben einer Familie mit einem autistischen Kind beschreibt. | |
50 Länder haben das Format gekauft. Es wird sicher auch bald in einer | |
deutschen Version zu sehen sein. | |
Die MIP-Chefin Laurine Garaude sagt: „Menschen, die lange im Hintergrund | |
standen, rücken in den Mittelpunkt von Geschichten.“ [4][Auf einer Messe | |
wie der MIPTV] wird allerdings klar, dass moralische Überlegungen bei den | |
Medienmanagern kaum eine Rolle spielen dürften. Es geht dabei vor allem ums | |
Geldverdienen. | |
## Beispiel „Curvy Supermodel“ | |
Nach einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung im Jahr 2015 beläuft | |
sich das Umsatzvolumen mit Damenoberbekleidung in den Größen ab 46 aufwärts | |
auf rund 3,2 Milliarden Euro jährlich. Cornwall jedenfalls betont: „Wenn | |
das Publikum sich und seine Lebenswelt bei den TV-Sendern nicht | |
wiederfindet, geht es ganz schnell zu anderen Anbietern im Internet, die | |
diese Bedürfnisse erkannt haben und sie erfüllen.“ Und das könnte die | |
klassischen Sender teuer zu stehen kommen. Und für die Gesellschaft wird es | |
unter Umständen richtig gefährlich. | |
So sieht es zumindest der britische Rapper und Schauspieler („Star Wars | |
Rogue One“) Riz Ahmed. Im Post-Brexit-England würden sich die ethnischen | |
Gruppen immer weniger in den Medien wiederfinden, warnt er: „Die schalten | |
dann einfach ab. Und wenn sie schließlich im Netz ein Isis-Propagandavideo | |
sehen, das den Terror der Islamisten als Kampf einer unterdrückten | |
Minderheit gegen übermächtige Gegner verklärt, wird klar, warum sich | |
Menschen aus der westlichen Welt von dieser Propaganda nach Syrien als | |
Kämpfer locken lassen.“ | |
6 Apr 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://variety.com/2017/film/news/female-directors-hollywood-diversity-1201… | |
[2] /Oscar-Gewinner-Moonlight/!5384376/ | |
[3] /!5032972/ | |
[4] /!5165058/ | |
## AUTOREN | |
Wilfried Urbe | |
## TAGS | |
Diversity | |
Fernsehen | |
Moonlight | |
Schönheitsideale | |
Diversity | |
RTL | |
Schwerpunkt Filmfestspiele Cannes | |
Oscars | |
Spielfilm | |
Feminismus | |
antimuslimischer Rassismus | |
Racial Profiling | |
Digitale Medien | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Diversity im Privatfernsehen: Entscheidend ist die Klasse | |
Soziale Herkunft von Medienschaffenden spielt in der Branche eine | |
untergeordnete Rolle. Dabei hat sie Einfluss auf die späteren Inhalte | |
GZSZ feiert ihren 25. Geburtstag: Gute Zeiten für deutsches TV | |
Seifenopern wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ werden meist belächelt. | |
Dabei sind sie das Progressivste im hiesigen Fernsehen. | |
Kolumne Cannes Cannes: Listen, die sich sehenlassen können | |
Sofia Coppola, Michael Haneke, Fatih Akin und „Twin Peaks“: Die 70. | |
Filmfestspiele von Cannes wecken reichlich Vorfreude. | |
Kritik an Oscar-Film „Moonlight“: Das ist so amerikanisch | |
Unser Autor findet den Oscar-gekrönten Film nicht authentisch. Der Preis | |
verringere die Glaubwürdigkeit sogar noch. | |
Oscar-Sieger „Moonlight“ im Kino: Es brodelt nur so vor Gefühl | |
Regisseur Barry Jenkins macht in „Moonlight“ aus der Geschichte einer | |
schwierigen Kindheit und Jugend in Miami ein echtes Ereignis. | |
Feministisches Streitgespräch über Macht, Diskriminierung und Generationenkon… | |
Über allen Diskriminierungsmerkmalen steht das Geschlechterverhältnis, sagt | |
Bremens Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe. Diese privilegierte Haltung | |
reproduziert Hierarchien, sagt Queerfeministin Nissar Gardi. | |
Mohamed Amjahid über weiße Privilegien: „Rassismus gehört zu Deutschland“ | |
„Zeit Magazin“-Reporter Mohamed Amjahid weiß, was es bedeutet, als Person | |
of Color in Deutschland zu leben – und hat ein Buch darüber geschrieben. | |
Schauspieler über Racial Profiling: Hamlet mit Adjektiv | |
Murali Perumal spielte Rosenverkäufer, Taxifahrer und Islamisten. Dann | |
machte er den Mund auf. Was für ein Stigma ist seine Hautfarbe heute? | |
Lügenpressevorwurf gegen die Medien: Vielleicht sind wir noch zu retten | |
Die Medienbranche dachte, zum Überleben müsse sie den digitalen Wandel | |
wuppen. Stattdessen muss die Akademiker-Arroganz von Bord. |