# taz.de -- GZSZ feiert ihren 25. Geburtstag: Gute Zeiten für deutsches TV | |
> Seifenopern wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ werden meist belächelt. | |
> Dabei sind sie das Progressivste im hiesigen Fernsehen. | |
Bild: Die älteste Serienfigur: Wolfgang Bahro (vorne) spielt seit Folge 185 de… | |
In der neuen Serie „Der Stalker“ verliebt sich der Medizinstudent Philipp | |
in die junge Kellnerin Elena, die nach einem Sexualverbrechen schwer | |
traumatisiert ist. Doch Elena erwidert Philipps Zuneigung nicht. Als er ihr | |
zum Geburtstag anonym einen Strauß Blumen schickt, glaubt Elena, das | |
Geschenk komme von jenem Mann, der sie beinahe vergewaltigte. Die Angst vor | |
ihrem Peiniger treibt Elena in Philipps offene Arme. Philipp erkennt, dass | |
er den Stalker, den es nicht gibt, am Leben halten muss, um Elena nah sein | |
zu können. | |
Spannend? Würden Sie einschalten? Reingelegt: Die Geschichte ist keine | |
sogenannte „Qualitätsserie“ aus den USA, sondern ein Handlungsstrang aus | |
der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, die heute 25 Jahre wird – an | |
dieser Stelle alles Gute und noch ein langes Leben! | |
Statt sehnsüchtig gen USA zu blicken oder über schlechte deutsche | |
Produktionen zu schimpfen, lohnt es sich, dahin zu schauen, wo in | |
Deutschland ziemlich gutes Fernsehen gemacht wird. | |
Auf die Soaps. | |
Die werden noch immer belächelt, dabei hat speziell „GZSZ“ einige der | |
mutigsten Geschichten erzählt, die das deutsche Fernsehen bisher gesehen | |
hat. Das liegt an den Inhalten und den Schauspielern, aber auch an der | |
Produktionsweise. | |
Von Anfang an hat GZSZ nach dem [1][„writer’s room“-Prinzip] gearbeitet: | |
Nicht der einsame, genialische Autor schreibt das Drehbuch, sondern eine | |
Gruppe. | |
## Fest angestellt, fair bezahlt | |
Zusammen werden Geschichten gesucht und verworfen, am Ende der Woche | |
schreibt jeder Autor aus den Einfällen der Gruppe eine Folge. Seit Netflix | |
und Amazon auch in Deutschland erfolgreich sind, versuchen hiesige | |
Produktionsfirmen, dieses Modell zu kopieren. Hätten sie doch mal bei den | |
verlachten Soaps nachgefragt. | |
Auch wird den Autoren mehr Einfluss auf die Produktion der Serie | |
eingeräumt, sie sind wie in den USA fest angestellt und werden fair | |
bezahlt. Das alles unter heftigsten Produktionsbedingungen: 250 Folgen im | |
Jahr. Das ist ein 90-Minüter pro Woche. | |
Deshalb ist Soap-Autor zu sein auch keine Karrieresackgasse, im Gegenteil: | |
Soap-Autoren werden entdeckt, so wie früher die Popsternchen Oli P und | |
Yvonne Catterfeld. Die Macher der gefeierten Serien „4 Blocks“ und „You a… | |
wanted“ etwa haben eine GZSZ-Vergangenheit. | |
Aber nicht nur die Produktions- und die Erzählweise sind fortschrittlich, | |
auch die Wahl der Schauspieler sowie der Themen: Tatsächlich ist nichts | |
linksgrünversiffter als die Soap. Das erste schwule Paar des deutschen | |
Fernsehens gab es in der „Lindenstraße“. Bei GZSZ traten schon | |
deutsch-türkische Serienfiguren auf, als der „Tatort“ noch die Diversität | |
von Brandt-Zwieback hatte. GZSZ beschäftigte sich schon vor Jahren mit | |
Misshandlung in der Bundeswehr, macht spannende Geschichten über | |
Pressefreiheit, Magersucht, Sterbehilfe. | |
## Fernsehen für die Massen | |
Am Anfang, 1995, kam das nicht gut an, es waren schlechte Zeiten für die | |
Soap, die Quoten niedrig. RTL hat das ausgehalten und wurde belohnt. Jetzt | |
zeigt GZSZ, dass man mit diesen Themen und dieser Diversität erfolgreiches | |
Fernsehen für die Massen machen kann. Keine Einschaltquoten wie Breaking | |
Bad, die selbst in den USA Nischenfernsehen machen. Die Quote von GZSZ in | |
der Zielgruppe 14 bis 49 Jahre liegt regelmäßig über 20 Prozent, das | |
schafft am Vorabend keine andere Sendung außer „heute“ und „die | |
tagesschau“. Viele deutsche Soaps wie „Marienhof“ und „Verbotene Liebe�… | |
wurden abgesetzt. Selbst die „Lindenstraße“ ist für GZSZ keine Konkurrenz, | |
sie hat weniger als ein Drittel der Zuschauer der RTL-Soap. | |
Natürlich gibt es nach so vielen Jahren Probleme mit der Glaubwürdigkeit | |
mancher Figuren: Es gibt kaum Figuren, die nicht schon mehrfach verliebt, | |
verlobt, verheiratet, geschieden, drogensüchtig, hetero und homo waren. | |
Aber: Geht es uns Zuschauern im Laufe des Lebens nicht ähnlich? | |
Für die Diversität und die Erzählkunst im deutschen Fernsehen hat GZSZ mehr | |
getan als viele Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, bei denen | |
nach 90 Minuten Krimi die Videokassette voll ist. Die Soap beweist, dass | |
deutsches Fernsehen nicht nur mit Stasi und Hitler erfolgreich ist. Auf die | |
nächsten 25 Jahre! | |
17 May 2017 | |
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## AUTOREN | |
Kersten Augustin | |
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