Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Migrationspakt aus ExpertInnen-Sicht: Was wirklich im Vertragstext …
> Das UN-Abkommen ist umstritten. Rechte verbreiten Falschmeldungen
> darüber. Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für
> Migration.
Bild: Rechte werten den UN-Migrationspakt als Beweis für eine Verschwörung
Berlin taz | Alle Länder der Welt hatten sich geeinigt, [1][mit Ausnahme
der US-Regierung von Donald Trump]. Wer sich daran erinnert, wie unendlich
schwierig ein solcher globaler Konsens etwa beim Klimaschutz ist, der mag
eine Ahnung davon bekommen, welche diplomatische Leistung hinter dem
[2][UN-Pakt für das Epochenthema Migration] steht. Diese war „schon immer
Teil der Menschheitsgeschichte“, heißt es in der Präambel des Paktes. Doch
ein globales Regelwerk für sie fehlt, bis heute. Die Verhandlungen dafür
liefen seit mehr als zwei Jahren, ohne dass die Medien oder die
Öffentlichkeit daran größeres Interesse gezeigt hätten. Das hat sich nun
geändert. Vor der Konferenz im Dezember in Marrakesch, auf der der „Globale
Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ verabschiedet
werden soll, nutzen populistische Kräfte in vielen Ländern den Pakt zur
politischen Mobilisierung – mit teils vollkommen falschen Behauptungen und
Verschwörungstheorien. Die Bundesregierung verteidigt den Pakt, weil er ein
wichtiges Instrument sei, um globale Probleme zu lösen, doch [3][selbst
Teile der CDU wollen den Pakt kippen] – und die AfD will mit dem Thema
ihren EU-Wahlkampf betreiben.
Die taz hat WissenschaftlerInnen und andere Fachleute um ihre Beurteilungen
des Paktes und der kursierenden Behauptungen gebeten. Hier kurze
Zusammenfassungen der Einschätzungen, durch Klicken auf die Titel kommen
sie zu den ausführlichen Versionen:
[4][Eine historische Chance:] Anlass für Verschwörungstheorien bietet der
Pakt keine, sagt Steffen Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und
Politik. Stattdessen sei er einer einmalige Gelegenheit, Migration so zu
regeln, dass alle Beteiligten von ihr profitieren.
[5][Die Regelung der Rechte:] Einzelne Staaten können das
grenzüberschreitende Phänomen der Migration nicht allein regeln, sagt die
Wissenschaftlerin Petra Bendel – und ein globales Regelwerk zu Migration
fehlte bislang. Der Pakt biete die Chance, die Interessen von Herkunfts-
und Zielländern zusammen zu bringen
[6][Nicht das Ende, sondern der Anfang des Prozesses:] Der Pakt ist das
Ergebnis einer neuen Verknüpfung der internationalen Debatten zu Migration
und Entwicklung, sagt der Wissenschaftler Stefan Rother. Er sieht den Pakt
als Aufforderung, „das Beste“ aus der Migration zu machen.
[7][Die Zivilgesellschaft saß mit am Tisch:] Samir Abi aus Togo hat als
Vertreter der afrikanischen Zivilgesellschaft an den UN-Verhandlungen zum
Migrationspakt teilgenommen. Behauptungen, diese seien im Geheimen
abgelaufen, kann er nicht nachvollziehen: An dem Verfahren seien alle
Staaten ausführlich beteiligt worden. Das Recht auf Mobilität aller
Menschen wollten viele Staaten aber nicht anerkennen.
[8][An gemeinsamer Verantwortung festhalten:] Die Erwartungen an den Pakt
sind so unterschiedlich, dass kaum absehbar ist, welche Folgen er in der
Praxis haben wird, sagt Ramona Lenz von der Hilfsorganisation medico
international. Dennoch sei es wichtig, den Pakt als symbolisches Bekenntnis
zu den Rechten von Migrant_innen zu verteidigen.
[9][Grundrechten Geltung verschaffen:] Der Pakt geht kaum über das hinaus,
was längst internationales Recht ist, sagt der Jurist Maximilian Pichl.
Doch die vorgesehenen Prüfmechanismen bieten immerhin die Chance, Rechte
von MigrantInnen künftig wirksamer durchzusetzen.
[10][Der Pakt soll die Kraft der Migration einhegen:] Es wäre überaus
wünschenswert, wenn Menschenrechte – einklagbar! – an den Grenzen der
Nationalstaaten Einzug erhielten und Bürgerrechte endlich zu
Menschenrechten würden, sagt der Forscher Helmut Dietrich. Doch dies
leistet der Pakt schon deshalb nicht, weil er gar nicht zwischen Staaten
und MigrantInnen, sondern nur zwischen den Staaten untereinander
ausgehandelt wurde.
Und hier geht es zu [11][einer vollständigen Fassung des Vertragstextes].
Einleitung und Inhalt: Christian Jakob. Umsetzung: Juliane Fiegler.
────────────────────
Steffen Angenendt: Eine historische Chance
In vielen Ländern behaupten Kritiker, der Pakt räume Migranten aus aller
Welt weitgehende Rechte zur Migration ein und beseitige das Recht
souveräner Staaten, Migrationsfragen selbst zu regeln. Es drohe eine
Umsiedlung. Das ist Unsinn. Einige Staaten, die den Pakt in den vergangenen
Jahren mitverhandelt haben, sind bereits auf den populistischen Zug
aufgesprungen und haben angekündigt, den Pakt nun doch nicht unterzeichnen
zu wollen.
Die Abkehr dieser Staaten wird die Verabschiedung des Paktes nicht
verhindern. Gleichwohl ist eine sachliche Auseinandersetzung jetzt dringend
nötig, weil der Wert des Paktes ganz wesentlich von seiner Umsetzung
abhängen wird, also ob die Regierungen die Chancen, die der Pakt zur
Zusammenarbeit bietet, auch tatsächlich nutzen. Tun sie das nicht, würde
eine historische Chance verpasst, zu einer wirksameren und nachhaltigeren
Steuerung der Wanderungen zu kommen.
Der Pakt ist nicht aus heiterem Himmel gefallen. Er war vielmehr eine
Reaktion auf die starken Zuwanderungen der Jahre 2015 und 2016 nach Europa,
denen gegenüber die EU-Staaten mehr oder weniger hilflos waren. Die
betroffenen Staaten – aber auch viele Regierungen in anderen Weltgebieten –
haben daraus den Schluss gezogen, dass Wanderungsbewegungen nicht mehr
allein national gesteuert werden können, sondern dass dazu eine dauerhafte
und auf Vertrauen beruhende Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-,
Transit- und Aufnahmestaaten erforderlich ist. [12][Die UN-Staaten haben
sich deshalb 2016 in der New York Declaration] darauf geeinigt, einen
Prozess einzuleiten, der eine bessere Zusammenarbeit sicherstellt.
Zu dem Wunsch nach einer wirksamen Steuerung kam noch die wissenschaftlich
inzwischen gut belegte Erkenntnis, dass sichere, geregelte und legale
Migration im Interesse aller Beteiligten liegt – der Herkunftsländer, der
Zielländer und der Migrantinnen und Migranten selbst. In den vergangenen
Jahren ist immer deutlicher geworden, wie sehr die Industriestaaten auf
Zuwanderung angewiesen sind, um ihre Produktivität, ihren Wohlstand und ihr
Versorgungsniveau zu halten, und wie wichtig andererseits die Geldtransfers
und Investitionen der Migrantinnen und Migranten für die Heimatländer und
für die Verbesserung der Lebenschancen der Familien in der Heimat und
mithin für Entwicklung sind.
Diese Erkenntnisse sind in die 23 Ziele des Paktes eingeflossen. Dazu
gehört ausdrücklich auch das Ziel, irreguläre Migration und ihre negativen
Wirkungen auf alle Beteiligten zu reduzieren – unter anderem durch das
Ausstellen von fälschungssicheren Pässen, die Bekämpfung des
Menschenschmuggels und des Menschenhandels, durch eine bessere
Zusammenarbeit der Staaten bei Grenzkontrollen und bei der Rückübernahme
und Reintegration von Migrantinnen und Migranten, die das Aufnahmeland
wieder verlassen müssen.
Der Migrationspakt stellt keinen völkerrechtlich bindenden Vertrag dar,
sondern eine Absichtserklärung, über deren Umsetzung allein die
Unterzeichnerstaaten entscheiden. Sie können ihn umsetzen oder nicht. Der
Pakt ist daher nicht mehr und nicht weniger als ein Gerüst für eine bessere
und wirkungsvollere Migrationspolitik. Dazu bekräftigt der Pakt noch einmal
rechtliche Prinzipien, die die UN-Staaten ohnehin befolgen müssen, weil sie
in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt sind. Menschenrechte gehören
selbstverständlich dazu, zudem die Förderung von Rechtsstaatlichkeit und
guter Regierungsführung.
Wichtig ist der Pakt vor allem, weil er den Unterzeichnerstaaten praktische
Unterstützung bei der Zusammenarbeitet bietet, insbesondere beim Aufbau von
Verwaltungsstrukturen, um die Migration besser zu steuern. Zudem hält der
Pakt die Staaten dazu an, sich regelmäßig über ihre Fortschritte bei der
Umsetzung des Paktes auszutauschen und darüber zu berichten. Auch diese
Berichterstattung ist freiwillig. Sie kann dazu beitragen, dass gelungene
Beispiele für Migrationspolitik Schule machen und dass schlechte Ansätze
künftig vermieden werden.
An keiner Stelle aber – und das kann nicht deutlich genug gesagt werden –
greift der Pakt in das Recht von Staaten ein, zu bestimmen, wem sie Zugang
zu ihrem Staatsgebiet gewähren. Auch wenn es immer wieder behauptet wird,
fordert der Pakt keine Ausweitung der Migration. Im Pakt steht
ausdrücklich, dass die Staaten weiterhin ihre eigenen Regeln aufstellen für
die Einreise, die Niederlassung und den Zugang zum Arbeitsmarkt und darüber
souverän entscheiden. Auch wenn die Staaten den Pakt unterzeichnen, werden
sie die Migrationspolitik nach ihren eigenen Zielen und Bedürfnissen
gestalten. Wenn dazu das Ziel gehört, die Zuwanderung auszuweiten, bietet
der Pakt auch dafür einen Rahmen.
Nüchtern betrachtet bietet der Pakt also keinen Anlass für
Verschwörungstheorien. Die Regierungen sollten den Pakt unterzeichnen, weil
er die Chance bietet, eine nachhaltige und wirksame Migrationspolitik zu
verfolgen. Dann aber beginnt erst die eigentliche Arbeit: Die Festlegung
der eigenen migrationspolitischen Ziele, deren Umsetzung und die Kontrolle
der Ergebnisse.
Verfolgen die Regierungen das mit dem gebotenen Nachdruck, wird der Pakt
die Handlungsfähigkeit der Regierungen nicht verringern, sondern verstärken
und der Pakt wird dazu beitragen, dass Migration künftig sicherer,
geordneter stattfindet und positive Folgen für alle Beteiligten hat.
Schließlich sind praktische Erfolge bei der Reduzierung der irregulären
Wanderung und bei der Nutzung der Entwicklungspotenziale von Migration der
beste Weg, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
────────────────────
Petra Bendel: Die Regelung der Rechte
Der Pakt für Migration ist ein Kooperationsrahmen. Er schafft ein globales
Regelwerk zur Migration, in dem die unterschiedlichen Interessen von
Herkunfts-, Transit- und Aufnahmestaaten zusammenkommen – bei der
Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeiter und
ihrer Familienangehörigen [13][(„Wanderarbeiterkonvention“ von 1990, in
Kraft 2003)] war dies nicht gelungen. Er ist somit als diplomatischer
Erfolg anzusehen. Denn einzelne Staaten können ein per definitionem
grenzüberschreitendes Phänomen nicht allein regeln.
Inhaltlich regelt der Pakt den Schutz der Lebens- und Arbeitsbedingungen,
die Bekämpfung von Menschenhandel, von Ausbeutung und Diskriminierung der
Migrantinnen und Migranten, die Bekämpfung negativer Migrationsursachen,
die Sicherung von Grenzen und den Austausch von Daten und Information. In
vielen Fällen bestärkt der Pakt damit bereits vorhandene Normen und Rechte
– die Menschenrechte, die in [14][der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte (AEMR)] und [15][der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK)] verankert sind. Er fordert deren Einhaltung von allen ein und macht
sie zur Grundlage der Kooperation.
Da der Pakt die Interessen von Herkunfts- wie von Zielländern
berücksichtigt und die Rechte von Migrantinnen und Migranten unterstreicht,
birgt er die Chance einer Triple-Win-Situation. Für die Herkunftsländer
betont er die Notwendigkeit, negative Migrationsursachen zu minimieren,
aber sie auch bei der Reintegration rückkehrender Migranten zu
unterstützen. Für die Transit- und Aufnahmestaaten fördert er Integration
und gesellschaftlichen Zusammenhalt, und den Migrantinnen und Migranten
selbst will er den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, Informationen
und Rechten erleichtern.
Da er dazu finanzielle Unterstützung sowie Unterstützung durch Know How,
etwa beim Aufbau von Verwaltungen zur Migrationssteuerung in Aussicht
stellt, gibt er den Staaten positive Anreize zur Erfüllung dieser Aufgaben.
Zugleich will er einen Überprüfungsmechanismus schaffen, mittels dessen
über regelmäßige Berichte gute Praxisbeispiele gefördert werden können und
Anreize geschaffen werden, um den Pakt mit weiteren Inhalten zu füllen.
Ein Risiko besteht in dem Ausscheren einzelner Staaten. Hier könnte ein
Dominoeffekt losgetreten werden. Die in den Verhandlungen erzielte
Vertrauensbildung unter Herkunfts-, Transit- und Zielstaaten mit ganz
unterschiedlichen Interessen könnte damit unterminiert werden. Ein zweites
Risiko besteht in der Implementation. Es steht zu hoffen, dass genügend
Anreizsysteme da sind, um die Ideen des Paktes auch umzusetzen.
────────────────────
Stefan Rother: Nicht Ende, sondern Anfang des Prozesses
Die nun etablierte Formulierung „Migrationspakt“ verkürzt, worum es geht:
um eine spezifische Form von Migration, die angestrebt wird, nämlich eine
sichere, geordnete und reguläre. Diese Formulierung kommt nicht von
irgendwoher sondern von [16][den Nachhaltigkeitszielen der UN (SDGs)]. Das
ist wichtig zum Verständnis der Genese des Compacts, denn dieser fußt auf
rund eineinhalb Jahrzehnten internationaler Diskussionen zum möglichen
Zusammenhang zwischen Migration und Entwicklung, die als ein „neues Mantra“
der Entwicklungspolitik bezeichnet wurde. Diese Diskussionen haben den
Compact erst möglich gemacht.
Dies wird auch etwa in Artikel 6 deutlich gemacht.
Ein zentrales Forum ist [17][das Globale Forum für Migration und
Entwicklung (GFMD)], bei dem Deutschland für 2017 und 2018 mit Marokko den
Vorsitz hat. Beim Berliner GFMD im Juli 2017 wurde bereits offen und
transparent über den geplanten Compact diskutiert, viele der plötzlichen
Kritiker hätten sich also bereits damals quasi „vor der Haustür“
informieren können. Auch war das gesamte Verhandlungs-Verfahren
überdurchschnittlich transparent, Live-Streams inklusive.
Migrantenorganisationen wurden angemessen eingebunden. Dazu zählt auch die
deutsche Zivilgesellschaft, die unter der Koordination von [18][VENRO, dem
Bundesverband entwicklungspolitischer und humanitärer
Nichtregierungsorganisationen] in den vergangenen zwei Jahren mehrere
Konsultationen durchgeführt hat. PolitikerInnen und Medien wären willkommen
gewesen.
Vollends absurd ist, dass auch nach all den „Das ist der
Migrationspakt“-Beiträgen in deutschen Medien, dieser immer noch
überwiegend unter dem Aspekt Flucht/Geflüchtete diskutiert und entsprechend
bebildert wird. Dabei steht in Artikel 4 ausdrücklich, dass sich der Pakt
auf Migranten bezieht.
In erster Linie geht es um Arbeitsmigration – der derzeit ebenfalls
international diskutierte Compact für Geflüchtete vereint dagegen eine
Vielzahl von teils sehr praktischen Maßnahmen, allerdings mit geringer
Verantwortlichkeit der Staaten.
Man kann debattieren, ob der Compact wirklich das erste globale Abkommen zu
Migration ist. Neben mehreren Konventionen der ILO gibt es auch die
UN-Konvention zum Schutz von Wanderarbeitern und ihrer Familien – eine
Grundrechtskonvention, die allerdings kein einziges größeres Zielland von
Migration unterzeichnet hat, auch die EU-Staaten nicht. Diese bindende
Konvention wird im Compact nur verschämt in einer Fußnote erwähnt, fast wie
ein peinlicher Onkel bei einer Familienfeier. Der Trend, statt auf das
„hard law“ einer Konvention auf das „soft law“ eines Compacts zu setzen,
ist jedenfalls diskutabel. Das pragmatische Argument dafür ist, dass man
nur so möglichst viele Staaten an einen Tisch bekommt.
KritikerInnen behaupten, der Compact idealisiere Migration und verharmlose
die damit verbundenen Probleme, etwa die Formulierungen der Punkte8, 13 und
14 des Paktes. Ich kann hier keine Idealisierung erkennen: Migration ist
nachweislich eine „Quelle des Wohlstands, der Innovation und der
nachhaltigen Entwicklung“ – aber eben nicht zwangsläufig. Hier wäre ein
„kann …darstellen“ wohl angebrachter gewesen.
Auch die Übersetzung von „governance“ als „Steuerung“ist nicht gelunge…
„governance“ ist ein wesentlich umfassenderer und potentiell inklusiverer
Begriff, der auch die Mitwirkung von MigrantInnen einschließen kann.
Steuerung reduziert diese dagegen auf die bloße Rolle als Objekte von
Politik. Doch solche Kritikpunkte beiseite gelassen, sind diePunkte 8 bis12
kein idealistisches Wunschbild sondern eine durchaus treffende
Zustandsbeschreibung, verbunden mit dem Motto „Machen wir das Beste
daraus“.
Auch in Punkt 13 und 14 werden Risiken durchaus anerkannt, aber eine
Win-win-Situation angestrebt. Und auch an den in Punkt 15 genannten
Prinzipien dürften bei ehrlicher Betrachtung auch die Kritiker wenig
aussetzen können: Souveränität und die Rule of Law werden hochgehalten,
dazu aber zu Kooperation ermuntert, der Entwicklungsaspekt betont, ebenso
die Rechte von besonders gefährdeten Gruppen.
Zusammenfassend merkt man vielen dieser Punkte die eingangs erwähnte
Herkunft aus der Debatte zu Migration und Entwicklung an. Die Betonung der
Menschenrechte ist ein wichtiges Element. Denn in vielen Staaten der Welt
werden MigrantInnen teils elementare Rechte nicht gewährt.
## Nun zu einigen Zielen des Compacts:
## 1. Daten
Es ist unbestritten, dass die Datenlage in Sachen Migration äußerst
verbesserungswürdig ist. Und selbst da, wo Zahlen vorliegen, argumentieren
Politiker und andere Akteure zunehmend mit „gefühlten Daten“ – von Uwe
Tellkamp bis zu Friedrich Merz. An einer besseren Datenlage müssten also
eigentlich alle Akteure interessiert sein – allerdings machen diese allein
noch keine bessere oder passendere Politik.
2. Fluchtursachen bekämpfen
Hier kommen wieder die Nachhaltigkeitsziele der UN, die Sustainable
Development Goals, ins Spiel. Unfaire Handelspraktiken werden allerdings
nicht erwähnt. Wer weniger Migration will, sollte diesem Abschnitt
eigentlich zustimmen können – ebenso AktivistInnen, die sagen, Migration
solle eine Wahl sein und nicht aus Zwang geschehen („make emigration a
choice, not a necessity“).
## Unterpunkt Naturkatastrophen und Klimawandel
Das hier behandelte Thema der klimabedingten Migration brennt. Es werden
recht allgemein gehaltene Präventionsmaßnahmen gefordert – an denen auch
Migrationsgegner nichts auszusetzen haben sollten. Dass hieraus – wie von
Friedrich Merz insinuiert – ein neuer Asylgrund abgeleitet werden könne,
ist als absurd.
## 3. Informationen
Migration sollte eine informierte Entscheidung sein, im Zielland angekommen
sollten MigrantInnen über ihre Rechte und Pflichten gut informiert werden.
Durch Datenbanken können falsche Migrationsanreize vermieden werden –
etwas, was eigentlich auch den Gegnern des Pakts zusagen sollte.
## 5. Mehr Möglichkeiten für reguläre Migration
Dieser Punkt kann durchaus als Förderung von Migration verstanden werden –
aber eben dadurch, dass sie in geordnete Bahnen gelenkt wird. Wir hatten
vor Jahren schon die alte Debatte in Deutschland, dass Menschen das
Asylverfahren als einzige Einreisemöglichkeit sahen. Mehr reguläre
Migration kann irreguläre Migration reduzieren und gleichzeitig den
Erfordernissen des Ziellandes angepasst werden. Wichtig ist hier der
Verweis auf die ILO-Kernarbeitsnormen.
## 6. Recruitment
Dieser Punkt wird in der deutschen Debatte fast völlig übersehen:
Ausbeutung durch unethische, ausbeuterische Rekrutierungsagenturen, die
Menschen zur Arbeit in anderen Ländern anwerben, ist ein weitverbreitetes
Problem bei der so genannten Süd-Süd-Migration. In diesem Absatz finden
sich einige wichtige Maßnahmen, die Erpessung, Ausbeutung und Sklaverei
eindämmen helfen.
## 11. Grenzen
Alle, die auf den „Schutz der Außengrenzen“ drängen, dürften sich zumind…
in der Einleitung wiederfinden, die auf Souveränität und Recht und Ordnung
pocht. Allerdings sind Grenzgebiete auch häufig Orte von
Menschenrechtsverletzungen, und hier macht der Compact einige sehr wichtige
Punkte, nicht zuletzt zu den Rechten von Kindern. Das ist auch der Grund,
weshalb Australien nicht mitmacht – denn das Land missachtet die Rechte von
Flüchtlingen, die es auf Inseln im Pazifik internieren lässt.
## 17. Diskriminierung
Dieses Ziel wird als Einschränkung der Pressefreiheit kritisiert, vor allem
wegen der Formulierung, Medien, die „systematisch Intoleranz,
Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung
gegenüber Migranten fördern“ solle „öffentliche Finanzierung“ oder
„materielle Unterstützung“ entzogen werden. Das verkennt, dass dieses Ziel
ein klares Bekenntnis zur Meinungsfreiheit enthält. Die hat aber – wie auch
im deutschen Recht festgelegt – dort ihre Grenzen, wo sie zu Hass
aufstachelt oder volksverhetzend wirkt. Auch im Unterpunkt c) wird nochmals
die „volle Achtung der Medienfreiheit“ betont. Doch dass Medien, die zu
Rassismus aufstacheln, nicht noch durch öffentliche Finanzierung gefördert
werden sollte, ist nachvollziehbar. Auch „Sensibilisierung und Aufklärung
von Medienschaffenden hinsichtlich Migrationsfragen und -begriffen, durch
Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung“ sehe ich
hierzulande als äußerst notwendig an – selbst die „wohlmeinende“
Berichterstattung ist oft von Fehlern, Klischees, und Unkenntnis geprägt.
Viele Zeitungen sprechen zudem weiterhin von „illegalen Migranten“ – das
sollte man natürlich nicht verbieten, aber hinsichtlich Sprache
sensibilisieren.
## 22. Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen
Leistungsansprüchen
Gemeint ist hier die Möglichkeit, sich etwa gezahlte
Rentenversicherungsbeiträge auszahlen lassen zu können oder daraus
entstehende Ansprüche gelten zu machen. Das ist in einer zunehmend
globalisierten Welt ein dringend nötiger Punkt – eine Kollegin von mir
beispielsweise hat mittlerweile Rentenansprüche in fünf Ländern. Diese
Rechte sollten aber nicht nur für Fachkräfte ermöglicht werden, sondern für
alle Formen von Arbeitsmigration.
## Umsetzung
Dies ist ein eher vages Kapitel. Hier hätte ich mir mehr gewünscht. Die
UN-Migrationsagentur IOM soll eine tragende Rolle beim Aufbau eines
Migrationsnetzwerkes übernehmen – allerdings ist die IOM nach eigenem
Verständnis eine „nicht-normative“ Organisation, die nicht an die Normen
der Vereinten Nationen gebunden ist.
## Weiterverfolgung und Überprüfung
Ebenfalls ein eher schwacher Punkt. Warum tritt das „Überprüfungsforum
Internationale Migration“ erst in vier Jahren das erste Mal zusammen?
Wichtig ist, dass ambitionierte nationale Strategien zur Umsetzung des
Globalen Paktes entwickelt werden sollen. Der Pakt ist nicht bindend,
bietet aber einen guten Anstoß, zahlreiche essentielle Punkte zu
reflektieren und adressieren. Er stellt somit einen soliden Rahmen dar –
allerdings nicht das Ende, sondern erst den Anfang eines Prozesses.
────────────────────
## Samir Abi: Die Zivilgesellschaft saß mit am Tisch
Die UN-Prozesse sind bekannt für ihren ökologischen Fußabdruck und ihre
Treibhausgasemissionen in Bezug auf Luftverkehr, Hotelaufenthalte und
Energieverbrauch: Allein für Afrika wurden fünf interregionale
Konsultationen, ein Konsultationsmeeting für die afrikanische
Zivilgesellschaft und ein großes kontinentales Konsultationsmeeting in
Addis Abeba einberufen, um ein zusammenfassendes Dokument afrikanischer
Empfehlungen zu erstellen.
Konsultationssitzungen haben auch auf nationaler Ebene stattgefunden. Etwa
fünfzig Länder haben sich die Mühe gemacht, einen Austausch zwischen den
verschiedenen staatlichen Strukturen, die sich mit Migration befassen, und
der Zivilgesellschaft zu organisieren. Zusätzlich zu allen davon
veröffentlichten Berichte wurde noch ein abschließendes Treffen in Puerto
Vallarta im Mexiko abgehalten, um allen Interessengruppen erneut zuzuhören.
Nach dem Rückzug der USA konnten alle Staaten dort noch einmal Stellung
nehmen. Viele der lateinamerikanischen Länder verurteilten dort die
Position der Vereinigten Staaten.
Doch auch wenn die USA nicht mehr dabei waren – ihr Kernpunkt fand sich in
den Interventionen vieler Staaten wieder: Die Betonung des Recht jedes
Staates, souverän zu bestimmen, wer einreisen darf und wer nicht. Die
Länder, die diesen Punkt stark machten, akzeptierten die Berücksichtigung
der internationalen Menschenrechtsabkommen bei der Ausarbeitung des Global
Compact. Sie lehnten es aber ab, das Recht auf Mobilität aller Menschen
uneingeschränkt im Pakt anzuerkennen.
Sie bestanden darauf, dass der Pakt das Recht der Staaten explizit erwähnt,
Einreise und Aufenthalt von Ausländern in ihr Land gemäß den Erfordernissen
ihrer Wirtschaft zu kontrollieren. Einige Staaten wollten den Global
Compact vor allem zu einem Instrument machen, um gegen irreguläre
Migration, den Schmuggel von und den Menschenhandel mit Migranten
vorzugehen. Der Pakt sollte die Staaten deshalb vor allem auf die
gemeinsame Verantwortung für die Steuerung der Migration verpflichten.
Herkunftsländer sollten an ihre Verantwortung erinnert werden, die Rückkehr
ihrer irregulären Migranten zu akzeptieren – auch wenn diese zur Rückkehr
gezwungen werden.
Andere Staaten hingegen hatten andere Wünsche. Sie wollten, dass der
Compact legale Wege für die Migration ihrer Bürger schafft. Einige
Delegationen forderten gar, dass der Globale Pakt das Visaregime beendet,
das das Recht auf Mobilität ihrer Bevölkerungen blockiert. Hier sei an
folgendes erinnert: Viele der offiziellen afrikanischen Delegationen
konnten nicht an der Sitzung in Puerto Vallarta nicht teilnehmen, da sie
für den Umstieg auf einem Airport in den USA ein Visum gebraucht hätten.
Manche Staaten forderten das Ende der Inhaftierungen für irreguläre
Migranten – besonders von Kindern. Sie bestanden darauf, dass der Pakt
Regeln zur Erleichterung der Familienzusammenführung festlegte, um das
Problem der durch die Migrationspolitik der Zielländer von ihren Eltern
getrennten Kinder zu lösen.
Während der Verhandlungen mahnten einige Staaten auch Lösungen für
Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit an, die sich weltweit ausbreiten.
Diese Staaten haben Beispiele für bewährte Strategien und Verfahren
vorgelegt, die sie auf nationaler oder kommunaler Ebene entwickelt haben,
um die Integration von Migranten zu erleichtern. Zu diesen Strategien
gehört es, den Zugang zu Staatsbürgerschaft, Bildung, Gesundheit, Arbeit
und sozialem Schutz zu verbessern. Auch erfolgreiche
Integrationserfahrungen und Personenfreizügigkeit auf regionaler Ebene in
einigen Teilen der Welt – der EU oder der ECOWAS – wurden als Grundlage für
den Global Compact benannt. Es ist zu hoffen, dass die Politik die aus dem
Compact erwächst, diese erfolgreichen Strategien weiterführt.
────────────────────
Ramona Lenz: An gemeinsamer Verantwortung festhalten
Weder die Unterstellung, der Migrationspakt untergrabe die
nationalstaatliche Souveränität, noch der Vorwurf, er verwische die Grenzen
von Flucht und Migration oder von „legaler“ und „illegaler“ Migration,
lässt sich anhand des Dokuments belegen. Schon gar nicht ist der Pakt
darauf ausgerichtet, Migrant_innen aus aller Welt Tür und Tor in das
deutsche Sozialsystem zu öffnen und ihnen ebenso wie anerkannten
Flüchtlingen einen Schutzstatus zu gewähren.
Die Ablehnung des Migrationspaktes aus kruden Gründen lässt nun
Befürworter_innen und differenzierungsfähige Kritiker_innen zusammenrücken.
Von konservativen und neoliberalen Kräften aus CDU und FDP über SPD, Grüne
und Linkspartei bis hin zu zivilgesellschaftlichen Akteur_innen stellt sich
ein sehr breites Bündnis hinter den Pakt. Dabei sind aus einer linken,
menschenrechtsbasierten Perspektive die Ziele, die Konservative und
Neoliberale damit verbinden, alles andere als begrüßenswert. Ebenso wenig
stimmt es aus dieser Perspektive hoffnungsvoll, dass der Pakt nicht
verbindlich ist, denn die Umsetzung all der durchaus richtigen Forderungen
nach einer Stärkung der Rechte von Flüchtlingen wie Migrant_innen, nach dem
Ausbau legaler Migrationswege, der Beseitigung von Rassismus und
Diskriminierung und der wirkungsvollen Anerkennung eines Zusammenhangs
zwischen Klimaveränderung und Migration wird dadurch nicht
wahrscheinlicher.
Im Gegenteil: Es wird betont, dass die staatliche Souveränität unangetastet
bleibt; Flüchtlinge und Migrant_innen mit unterschiedlichem
Aufenthaltsstatus werden nur insoweit in einem Atemzug genannt, als dass
für alle die Menschenrechte gelten; und anstelle erhöhter Anziehungskraft
für Migrant_innen ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Pakt im Gegenteil
die Migration nach Deutschland erschweren und Rückführungen erleichtern
wird.
Ein Interesse an der Beendigung „illegaler Einwanderung“, was Angela Merkel
betont, gibt es rechts wie links, aber mit unterschiedlicher Stoßrichtung:
Die einen kriminalisieren oder viktimisieren Migrant_innen und Flüchtlinge
und begründen eine Strafverfolgung von Schlepperei und Menschenhandel sowie
eine Aufrüstung von Grenzen damit; die anderen fordern die Legalisierung
der betroffenen Menschen und das Überflüssigmachen von Schlepperei und
Menschenhandel durch die Erleichterung legaler Grenzübertritte.
Die Differenzen sind so grundlegend und vielfältig, dass sie schwerlich in
einem einzigen Pakt eingeebnet werden können, und doch ist es richtig, am
Pakt – und damit an der gemeinsamen Verantwortung der Staatengemeinschaft
für Migrant_innen – festzuhalten.
────────────────────
Maximilian Pichl: Grundrechten Geltung verschaffen
[19][Die „New Yorker Erklärung“], die am Beginn der Verhandlungen über den
Pakt stand, war eine Reaktion auf das Versagen der „internationalen
Gemeinschaft“ im Umgang mit globalen Flucht- und Migrationsbewegungen. Noch
im Jahr 2014 mussten die Vereinten Nationen aus Geldmangel die Mittel für
die Versorgung von Flüchtlingen in den Kriegs- und Krisenregionen
drastisch reduzieren. Die unzureichende Gesundheits- und
Lebensmittelversorgung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit in
den großen Flüchtlingslagern veranlassten damals viele Menschen, unter
anderem in Richtung Europa aufzubrechen.
Davon, dass er die Steuerung von Migration „aushöhlt“ und das Ziel
verfolgt, „schrittweise Grenzen zu öffnen“, kann keine Rede sein. Vielmehr
besagt der UN-Migrationspakt, das Ziel sei ein „integriertes, sicheres und
koordiniertes Grenzmanagement“. Weder die Operationen der
Grenzschutzagentur Frontex zur Flüchtlingsabwehr noch das Visumssystem
werden durch den Pakt angetastet.
Falsch ist auch die Behauptung, der Pakt öffne die Tür für ein
Menschenrecht auf Migration. Aus antirassistischer Sicht wäre das durchaus
zu begrüßen, es lässt sich aber dem Pakt nicht entnehmen. An vielen Stellen
fasst der UN-Migrationspakt nur die Rechte in einem Dokument zusammen, die
heutzutage ohnehin in internationalen Verträgen festgelegt sind, zum
Beispiel eine verpflichtende Seenotrettung, der Kampf gegen Menschenhandel
oder die Sicherstellung von fairen Arbeitsverhältnissen.
Über bereits geltende Grundrechte geht der Pakt kaum hinaus. Als eine der
wenigen Neuheiten sieht der Abschlussentwurf einen diskriminierungsfreien
Zugang von Migranten zu basalen Leistungen vor, dazu zählen materielle
Sozialleistungen, die Gesundheitsversorgung und Teilhabe an inklusiver
Bildung. Bezogen auf die Situation in Deutschland gibt es bereits ein
Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, das in der Praxis sehr
oft missachtet wird. Der Pakt könnte immerhin dazu taugen, diesem
Grundrecht Geltung zu verschaffen.
Leider zeigt die Debatte über den UN-Migrationspakt, wie defensiv die
Verteidiger der Rechte von Migranten und Flüchtlingen der
rechtspopulistischen Agitation entgegentreten. In der Entwurfsversion steht
explizit, das Dokument sei ein rechtlich nicht bindender
Kooperationsrahmen, der das souveräne Recht der Staaten, ihre
Migrationspolitik selbst zu bestimmen, nicht berührt. Auf diesen Aspekt
wird in jeder Diskussion über den Pakt verwiesen, offenbar, um die Rechten
zu beschwichtigen.
Genau an dieser Stelle müsste aber eine migrationsfreundliche und
antinationalistische Kritik einsetzen, um verbindliche Rechte von
Migranten einzufordern. Dafür liefert der Pakt, so beschränkt seine
Wirksamkeit sein mag, strategische Optionen. Er sieht internationale
Überprüfungsgremien vor, die die Umsetzung des Paktes in der staatlichen
Praxis sicherstellen sollen. Auf diese Weise ließe sich ein Maßstab zur
Bewertung staatlicher Praxis etablieren. Durch die Verteidigung solcher
Evaluation und eine gleichzeitige Kritik der repressiven Aspekte des Paktes
hätte man [20][der Kampagne von AfD und anderen] offensiv begegnen können.
Doch zu vernehmen sind nur rechte Einwände und als Reaktion
Beschwichtigungsversuche, während antirassistische Kritik am
UN-Migrationspakt, die durchaus notwendig wäre, kaum geäußert wird.
(zuerst erschienen in Jungle World 2018/47)
────────────────────
Helmut Dietrich: Pakt soll die Kraft der Migration einhegen
Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ ist
das erste weltumspannende Gemeinschaftsprodukt des UNHCR und [21][der IOM
(Internationale Organisation für Migration)]. Während der UNHCR dem
völkerrechtlichen Schutzauftrag von Flüchtlingen entstammt, kommt die IOM
aus einer US-dominierten, zwischenstaatlichen Initiative, die sich weltweit
zum Hauptakteur der Abschottung entwickelt hat und inzwischen als
UN-Agentur arbeitet.
Das Ziel des Globalen Pakts ist es, die „wilde“ Kollektivkraft der
Migration in paradigmatischer Weise einzuhegen und beherrschbar zu machen.
Historische Reminiszenzen werden wach, erinnert sei an die Studien von
Charles Tilly zu den Arbeitskämpfen im 19. Jahrhundert: Disruptive
Praktiken hatten die Arbeitskämpfe geprägt, bis die Protagonisten beider
Seiten überein kamen, den Streik als legitimes Arbeitsmittel zu begreifen
und genau zu definieren. Sabotage, Bummelstreik oder Weggang sollten als
„illegale“ Aktionsformen gebannt und „legale“ Streikformen zugelassen
werden.
Doch dieser Vergleich hinkt. Zwar ist die Migration wohl die
wirkungsmächtigste Kraft sozialer Veränderung, aber es handelt sich dabei
um eine kollektive Aktion ohne Kollektive. Selbst die aktuellen Märsche auf
den Flüchtlingskorridoren lassen sich wegen ihrer schwachen Organisation
kaum mit bekannten sozialen Bewegungen vergleichen. Es gibt keine
Protagonisten der Migration, die einen solchen Globalen Pakt mit den
Staaten weltweit aushandeln könnten.
Es wäre überaus wünschenswert, wenn Menschenrechte – einklagbar! – an den
Grenzen der Nationalstaaten Einzug erhielten, wenn Bürgerrechte endlich zu
Menschenrechten würden. Aber im Unterschied zur Erklärung der
Menschenrechte oder zum Grundgesetz sind im Globalen Pakt die
Daumenschrauben gleich mit aufgeführt. Diese sind nicht mehr in der
Altherrensprache der Souveränität der Nationalstaaten formuliert, sondern
im New Speak der Weltinnenpolitik. Deren Mantra lautet: Datenerfassung noch
und nöcher, und sie beginnt stets bei den Migrant*innen und Geflüchteten.
──────────────────────
## Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration
26 Nov 2018
## LINKS
[1] /Umgang-mit-Flucht-und-Wanderung/!5522189
[2] /!5552609/
[3] /Streit-um-UN-Migrationspakt/!5546503
[4] /!5552609/
[5] /!5552609/
[6] /!5552609/
[7] /!5552609/
[8] /!5552609/
[9] /!5552609/
[10] /!5552609/
[11] /!5552609/
[12] https://refugeesmigrants.un.org/declaration
[13] https://www.wanderarbeiterkonvention.de/
[14] https://www.menschenrechtserklaerung.de/
[15] https://www.menschenrechtskonvention.eu/
[16] https://www.bmz.de/de/ministerium/ziele/2030_agenda/17_ziele/index.html
[17] https://gfmd.org/
[18] https://venro.org/start/
[19] https://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/auf-dem-weg-zum-globalen-pakt-fu…
[20] /Streit-um-UN-Migrationspakt/!5546503
[21] http://germany.iom.int/
## TAGS
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt UN-Migrationspakt
Migration
Vereinte Nationen
Donald Trump
Asylpolitik
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Geflüchtete
Marokko
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
Vereinte Nationen
Vereinte Nationen
Mateusz Morawiecki
Belgien
Schwerpunkt UN-Migrationspakt
Schwerpunkt UN-Migrationspakt
Rechtsextremismus
Jens Spahn
Schwerpunkt AfD
Österreich
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Präsident für strengere Regeln: Trump will Einwanderung reformieren
US-Präsident Trump will die Einwanderung in die USA stärker als bislang
nach Leistungskriterien steuern. Durch den Kongress dürfte es der Plan
nicht schaffen.
Kommentar Politik und Geflüchtete: Kleinlich, peinlich, deplatziert
49 Geflüchtete müssen im Winter wochenlang auf zwei Schiffen im Mittelmeer
ausharren. Der Fall zeigt das Scheitern von Europas Regierungschefs.
Marokko als Migrationspakt-Gastgeber: Selbsternannte Pioniere
Marokko entwickelt sich zu einem wichtigen Akteur in der internationalen
Migrations-Diplomatie. Allerdings mit zweifelhaften Methoden.
Kommentar Menschenrechte: Wer relativiert, schwächt
Die Erklärung der Menschenrechte jährt sich zum 70. Mal. Bei der
Beurteilung von Verstößen sollten keine doppelten Standards angewendet
werden.
Treffen zum UN-Pakt zur Migration: Migrationspakt angenommen
Der UN-Migrationspakt ist von 164 Ländern angenommen worden. Dabei
kritisierten Redner die vielen Mythen, die bis zuletzt darüber verbreitet
wurden.
Migrationspakt und die Folgen: Das wird sich wirklich ändern
Am Montag wollen 180 Staaten den UN-Migrationspakt verabschieden. Die taz
hat mit Menschen gesprochen, die einzelne Ziele des Pakts in der Praxis
umsetzen müssten.
Migrationsgipfel in Marrakesch: Europas Rechte hetzen gegen Pakt
Vor dem globalen Migrationsgipfel machen Rechte in verschiedenen EU-Ländern
gegen den Migrationspakt mobil. Sie folgen dem Vorbild aus Ungarn.
Belgien debattiert UN-Migrationspakt: Die Rechte macht Druck
Der UN-Migrationspakt droht die belgische Regierung zu spalten. Die
nationalistische Koalitionspartei N-VA distanziert sich vom Regierungschef.
UN-Migrationspakt im Bundestag: Im deutschen Interesse
Das Parlament stimmt für den Migrationspakt und den Entwurf der Groko.
Neben der AfD votieren rund 60 Abgeordnete dagegen.
Die Linke und Sahra Wagenknecht: Die Gelähmten
Die Linke streitet über Flüchtlingspolitik und Sahra Wagenknecht. Nur mit
Mühe stimmt die Fraktion für den UN-Migrationspakt. Stürzt sie ihre Chefin?
Kommentar UN-Migrationspakt: Der rechte Wahn hat Methode
Ein Netzwerk von Rechtsextremen hat es geschafft, den UN-Pakt mit einem
Lügengebäude zu diskreditieren. Ein erschütternder Vorgang.
Kommentar Spahn und Migrationspakt: Profilierung um jeden Preis
„Ich liebe Vielfalt“, hat Jens Spahn einmal gesagt. Und nun, da sich etwas
bewegt, stellt er selbst den kleinsten gemeinsamen Nenner zur Diskussion.
Streit um UN-Migrationspakt: Rechte Stimmungsmache
Die AfD hetzt gegen ein UN-Migrationspapier. Auch Teile der Union haben
Bedenken – ebenso Sahra Wagenknecht.
Migrationspakt der Vereinten Nationen: Wien folgt Trump und Orbán
Die österreichische Regierung lehnt den UN-Migrationspakt aus Sorge um ihre
Souveränität ab – und driftet weiter nach rechts.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.