# taz.de -- Diesel-Fahrverbote im Norden: Es bleibt spannend | |
> Fahrverbote für Dieselstinker in Innenstädten werden wahrscheinlicher. In | |
> der kommenden Woche will das Bundesverwaltungsgericht ein Grundsatzurteil | |
> sprechen. | |
Bild: Ein Kandidat für Diesel-Fahrverbote: Die Max-Brauer-Allee in Hamburg | |
HAMBURG taz | Die Ampel steht auf dunkelgelb. Am kommenden Dienstag will | |
das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Zulässigkeit von | |
Fahrverboten für Dieselautos in Städten urteilen. Das gab das Gericht nach | |
der ganztägigen Verhandlung am gestrigen Donnerstag über zwei | |
Musterverfahren der Städte Düsseldorf und Stuttgart bekannt. | |
Das Urteil hätte bundesweite Wirkung auf alle Städte, in denen die | |
Grenzwerte für Schadstoffe überschritten werden. Zuvor war erwartet worden, | |
dass sofort eine Entscheidung verkündet wird. Da das Rechtsgespräch aber | |
deutlich länger gedauert habe als vorgesehen, vertagte der vorsitzende | |
Richter Andreas Korbmacher die Urteilsverkündung. | |
Zuvor hatte er ein sukzessives Vorgehen ins Spiel gebracht. Denkbar sei es, | |
zunächst Dieselfahrzeuge mit der Abgasnorm Euro-4 (galt von 2005 bis 2009) | |
und später Euro-5-Fahrzeuge (2009 bis 2014) mit einem Fahrverbot zu | |
belegen. Dazu müssten sich dann die zuständigen Behörden und | |
Stadtverwaltungen „mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit Gedanken über die | |
Zeitschiene machen“, so das Gericht. | |
Damit deutete der Senat an, wie das Urteil ausgehen könnte, auf das auch | |
etliche Städte in Norddeutschland mit Spannung – und zumeist mit Bangen – | |
warten. Denn im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob Städte | |
Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nach geltendem Recht eigenmächtig anordnen | |
können oder gar müssen, um Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten, ohne auf | |
bundeseinheitliche Regelungen zu warten. | |
Zu den schmutzigsten und giftigsten Städten zählen in Norddeutschland die | |
schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel sowie Hamburg. In | |
Niedersachsen sind vor allem Hannover, Oldenburg und Osnabrück betroffen, | |
Hildesheim, Göttingen und Braunschweig unterschreiten die Grenzwerte nur | |
knapp, ebenso Bremen (siehe Kasten). | |
Vertrackt ist die Lage vor allem am Kieler Theodor-Heuss-Ring, nach Angaben | |
des Umweltbundesamtes die fünftgiftigste Straße Deutschlands: eine viel | |
befahrene vier- bis sechsspurige Bundesstraße quer durch die Stadt, | |
schlechte Ausweichmöglichkeiten, steigende Verkehrsbelastungen. Die Aufgabe | |
sei „extrem anspruchsvoll“, verlautet aus dem schleswig-holsteinischen | |
Umweltministerium. Ein Dieselfahrverbot auf der Stadtautobahn wäre „nicht | |
verhältnismäßig“, heißt es weiterhin trotzig im Rathaus an der Förde. | |
Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) geht davon aus, dass die Grenzwerte in | |
wenigen Jahren eingehalten werden können. Ausweichverkehr würde | |
möglicherweise zu noch größeren Problemen an anderen Stellen führen. Zudem | |
ist der Theodor-Heuss-Ring die Hauptschlagader für den Wirtschaftsverkehr, | |
drastische Eingriffe hier könnten einen Verkehrskollaps auslösen. | |
Von einem Fahrverbot betroffen wären angeblich rund 44.000 in Kiel | |
zugelassene Dieselfahrzeuge. Hinzu kämen aber noch Tausende Berufspendler | |
sowie eine unklare, aber beträchtliche Zahl deutscher und skandinavischer | |
Touristen auf den Fähren zwischen Kiel, Oslo und Göteborg. | |
Eine gewichtige Rolle für die Luftverschmutzung spielt auch der Dieselruß | |
von Fähren und Kreuzfahrtschiffen. Auf diese starke Emissionsquelle weist | |
seit Jahren der Naturschutzbund (Nabu) hin. In allen großen norddeutschen | |
Häfen sei die Belastung durch Schiffsdiesel deutlich höher als durch den | |
Autoverkehr. In hafennahen Quartieren Hamburgs seien die Schiffe sogar für | |
80 Prozent der Stickoxidemissionen verantwortlich, so der Nabu. Deshalb | |
müssten Menschen in Kiel und Hamburg, aber auch in Bremerhaven, „doppelt | |
unter gesundheitsgefährdenden Belastungen in der Atemluft leiden“. | |
In Hamburg soll nach dem Luftreinhalteplan, der im Juni vorigen Jahres | |
vorgestellt wurde, ein Dieselfahrverbot gelten für zwei Straßen zwischen | |
Altona und der Innenstadt: 600 Meter der Max-Brauer-Allee und ein 1,7 | |
Kilometer langer Abschnitt auf der Stresemannstraße zählen zu den | |
schmutzigsten Straßen der Stadt. An der Max-Brauer-Allee sollen gar keine | |
Dieselfahrzeuge (LKW und PKW) mehr fahren dürfen, die nicht die Abgasnorm | |
Euro VI erfüllen, die Stresemannstraße soll ausschließlich für LKW gesperrt | |
werden, die nicht dieser Abgasnorm entsprechen. | |
Sollte das Bundesverwaltungsgericht solche Fahrverbote grundsätzlich | |
genehmigen, würden diese in Hamburg relativ bald eingeführt. „Die Umsetzung | |
würde unmittelbar nach dem Urteil beginnen“, sagt Jan Dube, Sprecher der | |
Umweltbehörde. Allerdings müssten entsprechende Schilder erst bestellt und | |
aufgestellt werden: „Die Durchfahrtsbeschränkungen würde erst in Kraft | |
treten, wenn die Beschilderung komplett ist.“ | |
Unklar ist dabei allerdings in allen betroffenen Städten, wie die | |
Einhaltung der Verbote kontrolliert werden soll. Zuletzt hatte die | |
Gewerkschaft der Polizei (GdP) darauf hingewiesen, dass es wegen fehlenden | |
Personals nicht möglich sei, Dieselfahrverbote ausreichend zu | |
kontrollieren. „Wer glaubt, dass wir solche Verbote dauerhaft durchsetzen | |
können, der irrt“, sagte GdP-Vize Arnold Plickert der Welt am Sonntag. | |
Tatsächlich dürften die Kontrollen schwierig sein, da es wahrscheinlich | |
erlaubt wäre, mit einem alten Diesel Anlieger zu besuchen oder zu | |
beliefern. Anwohner selbst und auch Müll- oder Rettungswagen dürfen | |
natürlich ebenfalls mit ihren alten Dieseln durch die Abschnitte fahren. | |
Insgesamt wären in Hamburg nach Senatsangaben aus dem vergangenen Jahr rund | |
239.000 ältere Dieselfahrzeuge von den Durchfahrtsverboten betroffen. | |
Nach Angaben des niedersächsischen Umweltministeriums hat sich die | |
Luftqualität in vielen Städten im vergangenen Jahr bereits verbessert. In | |
Braunschweig, Göttingen, Hameln, Hannover, Hildesheim, Oldenburg, Osnabrück | |
und Wolfsburg seien die Schadstoffwerte gesunken. Die Stadt Oldenburg hat | |
im Januar schon mal mit dem Umdenken begonnen und beschlossen, eine grüne | |
Umweltzone einzurichten. Damit sollen rund 3.000 ältere Diesel aus der | |
Innenstadt herausgehalten werden. Immerhin ein Anfang. | |
23 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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