# taz.de -- Gerichtsentscheid über Fahrverbote: Stunde der Wahrheit für den D… | |
> Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über Fahrverbote für | |
> Dieselautos. Die Blaue Plakette könnte bei deren Durchsetzung helfen. | |
Bild: Stinken und sind nicht gesund: Abgase | |
BERLIN taz | Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, Kfz-Mechaniker und | |
Kfz-Mechanikerinnen, Logistikunternehmer und Logistikunternehmerinnen, | |
Pendler und Pendlerinnen, Handwerker und Handwerkerinnen – sie alle blicken | |
in dieser Woche voller Spannung nach Leipzig. Denn dort will am Donnerstag | |
das Bundesverwaltungsgericht darüber entscheiden, ob Fahrverbote für | |
Dieselautos und -kleinlaster rechtmäßig sind, falls die Grenzwerte für die | |
Luftkonzentration der gesundheitsschädlichen Stickoxide überschritten | |
werden. Konkret geht es um Gerichtsentscheidungen in Stuttgart und | |
Düsseldorf. | |
Sollte das Bundesverwaltungsgericht Ja sagen, dürften – wenn auch nicht | |
sofort – viele Kommunen um Fahrverbote nicht herumkommen. Denn nach Ansicht | |
des Stuttgarter Landgerichts sowie auch vieler Experten und Expertinnen | |
sind Fahrverbote für Diesel die einzige Maßnahme, die wirklich deutlich und | |
schnell gegen die Luftverschmutzung hilft. | |
Andere Mittel gelten als weniger wirksam: etwa die Förderung des | |
Öffentlichen Personennahverkehrs (möglich wären auch Umsonst-Fahrten zu | |
Smog-Zeiten), mehr Grün an belasteten Straßen, bessere Ampelschaltungen | |
oder auch eine vorübergehende Beschränkung der Fahrerlaubnis für Autos und | |
Lastkraftwagen mit wahlweise geraden oder ungeraden Endzahlen auf dem | |
Nummernschild. | |
Schließlich sind Diesel-Pkw und -kleinlaster die wichtigsten Verursacher | |
des Stickoxidausstoßes; sie sind vielfach nur auf dem Papier sauber, im | |
Alltagsbetrieb wird aber ihre Abgasreinigung heruntergeregelt, wie durch | |
den Dieselskandal bekannt wurde. Im Unterschied dazu funktioniert bei | |
großen Lkw die Abgasreinigung in der Regel gut. Weitere Emittenten von | |
Stickoxiden sind andere Fahrzeuge, Baumaschinen, Hausheizungen und | |
Industrie. Beim ebenfalls gesundheitsschädlichen Feinstaub sind etwa die | |
Kamin- und Holzöfen mittlerweile neben dem Verkehr zu einem Hauptproblem | |
geworden. | |
## Kommunen entscheiden | |
Sollte das Gericht Fahrverbote für zulässig erklären, müsste jede | |
betroffene Kommune für sich entscheiden, ob eine solche Maßnahme für sie in | |
Frage kommt. Die Verbote könnten zeitlich und räumlich begrenzt werden. | |
Von möglichen Fahrverboten betroffen wären nach Einschätzung des ACE | |
Autoclubs knapp 6 Millionen Diesel-Pkw der Euro-Norm 5, knapp 3,5 Millionen | |
Diesel-Pkw der Euro-Norm 4 sowie etwa 2,3 Millionen Pkw der Euro-Norm 3 und | |
darunter. | |
Eine praktische Durchsetzung der Fahrverbote könnte sich aber schwierig | |
gestalten: Theoretisch müsste die Polizei oder das Ordnungsamt Fahrzeuge | |
aus dem laufenden Verkehr ziehen und anhand der Zulassung prüfen, welche | |
Schadstoffnorm sie erfüllen. Von außen ist die Motorisierung ja nicht so | |
ohne Weiteres zu erkennen. | |
## Blaue Plakette wäre hilfreich | |
Enorm hilfreich wäre daher die Einführung einer Blauen Plakette. Diese | |
Plakette würden nur Fahrzeuge erhalten, die die Euro-Norm 6 erfüllen. Aber | |
auch hier steckt der Teufel im Detail. Denn es gibt eben auch jene | |
Schummel-Fahrzeuge, die nur auf dem Papier Euro 6 haben, in der | |
Wirklichkeit aber Dreckschleudern sind. Gegenüber Besitzern älterer | |
Fahrzeuge wäre es ungerecht, wenn diese Stinker fahren dürften, die älteren | |
Diesel aber nicht. | |
Abhilfe für diesen Fall würde nur eine Art Positivliste schaffen: Das | |
Kraftfahrtbundesamt oder eine andere Behörde müsste für jeden Euro-6-Typ | |
prüfen, ob er er die Norm erfüllt. Erst in diesem Fall dürfte er die | |
Plakette bekommen. | |
Bislang weigert sich die Bundesregierung, die Blaue Plakette einzuführen – | |
weil dann eben Fahrverbote einfach umzusetzen wären. Diese möchte die | |
Regierung mit Rücksicht auf die Autoindustrie, auf Handwerker und | |
Handwerkerinnen sowie Millionen Bürger und Bürgerinnen ganz offensichtlich | |
vermeiden. Auch die Große Koalition in spe bekennt sich nicht zur Blauen | |
Plakette. | |
## Autoclub warnt | |
Der ACE-Autoclub warnt bereits: „Wer in Städten uneingeschränkt mobil sein | |
möchte, dem ist vom Kauf eines gebrauchten Euro-5-Diesels (oder eines | |
Diesels mit noch niedrigerer Euronorm) derzeit abzuraten.“ Hier bestehe das | |
Risiko, dass es keine Nachrüstlösung zur Erreichung Euro-6-Norm gibt, so | |
der ACE. Selbst bei Euro-6-Diesel-Pkw der ersten Generation ohne | |
SCR-Katalysator und anderen Modellen ist nach Ansicht des Autoclubs | |
Vorsicht geboten, weil hier ebenfalls getrickst wurde. | |
Der Club empfiehlt, sich vor einem Autokauf viel intensiver mit technischen | |
Details zu befassen als bislang gewohnt. Empfehlenswert seien etwa Erdgas-, | |
Autogas-, Hybrid- oder Elektrofahrzeuge, bei denen es aber ebenfalls | |
spezifische Vor- und Nachteile gebe. | |
Und: „Achtung vor neuen Benzinern mit Direkteinspritzung.“ Diese seien zwar | |
sparsamer, stießen aber erhebliche Mengen an Feinstaubpartikeln aus, die | |
ebenfalls gesundheitsgefährdend seien. „In Zukunft könnten auch sie aus den | |
Umweltzonen ausgeschlossen werden.“ Daher seien Benzin-Direkteinspritzer | |
nur noch mit Rußpartikelfilter zu empfehlen, die ab September auf den Markt | |
kämen. „Warten lohnt sich.“ | |
Ansonsten lohnt es sich nach Ansicht des Clubs, in bewährte Technik zu | |
investieren. Es gebe zahlreiche kleine Benziner, die ohne Filter und | |
Direkteinspritzung auskommen. | |
19 Feb 2018 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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