# taz.de -- Gestank im Norden: Nicht ganz sauber, der Diesel | |
> Der Diesel-Gipfel wird die Luft im Norden kaum sauberer machen. Option | |
> auf Fahrverbote bleibt bestehen. Doch auch Schiffe sind Dreckschleudern | |
> ersten Ranges | |
Bild: Totgesagte leben länger: Greenpeace trägt den Diesel zu Grabe | |
HAMBURG taz | Der Diesel ist nicht tot, er soll nur ein bisschen hübscher | |
werden. Das ist das Ergebnis des Diesel-Gipfels am Mittwoch in Berlin | |
zwischen Autoindustrie und Politik, an dem auch die Regierungschefs von | |
Hamburg und Niedersachsen, Olaf Scholz und Stephan Weil (beide SPD) | |
teilnahmen. Die Konzerne sagten zu, rund fünf Millionen Dieselautos mit den | |
Abgasgrenzwerten Euro 5 und Euro 6 freiwillig und auf eigene Kosten | |
nachzurüsten. Darin enthalten sind die rund 2,5 Millionen Diesel-PKW des | |
Volkswagen-Konzerns, die nach Bekanntwerden des Dieselskandals bereits ein | |
Software-Update erhalten haben. | |
Die Stickoxid-Belastung dieser Fahrzeuge soll damit um 25 bis 30 Prozent | |
reduziert werden. Damit könne die Schadstoffbelastung „mindestens genauso | |
stark reduziert werden wie durch Fahrverbote“, erklärte der Verband der | |
Deutschen Automobilindustrie (VDA). Bei weiteren rund zehn Millionen | |
älteren Dieselautos mit Abgasnormen bis Euro 4 bleibt hingegen alles beim | |
Alten: Sie dürfen weiter die Luft verpesten, sofern Städte keine | |
Umweltzonen einrichten oder Fahrverbote verhängen. | |
Die in Hamburg sitzende Umweltorganisation Greenpeace hält davon nichts. | |
„Software-Schminke alleine kann den schmutzigen Diesel nicht aufhübschen“, | |
sagt ihr Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Die Hersteller müssten auch an | |
die Hardware ran. „Um die Menschen dauerhaft vor schädlichen Stickoxiden zu | |
schützen und den Klimaschutz voran zu bringen, müssen die deutschen | |
Autobauer und die Politik ihre Wagenburg um den Verbrenner aufbrechen.“ | |
Laut Umweltbundesamt (UBA) ist der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid | |
pro Kubikmeter Atemluft 2016 an fast 60 Prozent der Messstationen | |
überschritten worden. Dies bedeute, dass in mehr als 80 Städten der | |
Grenzwert gerissen worden sei. Im Norden sind Hamburg, Hannover, Kiel, | |
Osnabrück und Göttingen besonders betroffen. Nach Modellrechnungen sind | |
Stickoxide jährlich für etwa 1.200 Todesfälle in Hamburg ursächlich, in den | |
anderen Großstädten ist die Lage ähnlich dramatisch. | |
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) warf der Autoindustrie | |
„massive Fehler“ vor. Vordringlich sei es, die alten Stinker der | |
Euro-Normen 1 bis 4 „möglichst schnell von der Straße“ zu bekommen, sagte | |
Weil, der dem VW-Aufsichtsrat angehört. Fahrverbote müssten aber vermieden | |
werden, findet er. Es gelte, schneller zu werden bei der Modernisierung der | |
Fahrzeugflotte – „insbesondere in Richtung Elektroautos“. | |
Der Deutsche Städtetag hält indes weiter an der Möglichkeit von | |
Fahrverboten fest, wie die Präsidentin des Verbandes, Eva Lohse, sagte. | |
Wenn sich die Stickoxid-Grenzwerte nicht einhalten ließen und Gerichte für | |
einzelne Städte Fahrverbote anordneten, dann brauchten die Städte die Blaue | |
Plakette, „um saubere Autos von anderen unterscheiden zu können“. | |
Auf die Luftverschmutzung durch Schiffe wies der Naturschutzbund (Nabu) | |
Hamburg hin. In allen großen norddeutschen Häfen sei die Belastung durch | |
Dieselemissionen deutlich höher als durch den Autoverkehr. In hafennahen | |
Quartieren Hamburgs seien die Schiffe für 80 Prozent der | |
Stickoxidemissionen verantwortlich. | |
„Denn für sie gibt es bezüglich der Stickoxide überhaupt keine Regulierung | |
und entsprechend kaum Abgasnachbehandlung“, sagt Malte Siegert, | |
Schiffsexperte des Nabu-Hamburg. „Allein ein Kreuzfahrtschiff emittiert | |
mehrere hunderttausendmal so viele gesundheitsschädliche Stickoxide wie ein | |
PKW.“ Deshalb müssten die Menschen in Hamburg, Bremerhaven oder Kiel | |
doppelt unter gesundheitsgefährenden Belastungen in der Atemluft leiden. | |
3 Aug 2017 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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