| # taz.de -- Kommentar Neustart nach Jamaika: Das Scheitern hat Potenzial | |
| > Jedem Ende wohnt ein Zauber inne: Nach dem Abbruch der | |
| > Jamaika-Verhandlungen ist wieder alles offen. Das wird der Demokratie | |
| > guttun. | |
| Bild: Licht an im Kanzleramt | |
| Ade Jamaika, oje Jamaika. Nachdem die komplizierte schwarz-gelb-grüne | |
| Operation gescheitert ist, graut einem vor einer noch komplizierteren | |
| Operation, einer mit der Grundfarbe Grau. Schon bald werden vor Schloss | |
| Bellevue die dunklen Limousinen parken, man wird ernste Gespräche führen | |
| und über Minderheitsregierungen grübeln. Staatskrise, Parteienverdruss, | |
| Schockstarre, wenn es doof läuft, werden das die Klingeltöne bis ins neue | |
| Jahr hinein. Die Qual bis zur Neuwahl – so kann man es sehen. | |
| Muss man aber nicht. Denn in diesem Momentum steckt großes Potenzial. Es | |
| können lebendige Wochen werden, und viele offene Fragen werden sich klären, | |
| [1][wenn es zu Neuwahlen kommt.] Allein diese vergangenen acht Wochen seit | |
| der Bundestagswahl im September haben eine Menge Klarheit hervorgebracht. | |
| Diese Dynamik ist erstaunlich. | |
| Erstens wissen wir jetzt, wer Christian Lindner ist, ein Plastik-Politiker. | |
| Er verpackt das politische Leben in Slogans und Auftritte, noch ehe er es | |
| gelebt hat. Kampagnen sind nicht nur das Mittel dieser Partei, sie sind ihr | |
| Kern. Wer wird diesem Mann jetzt eigentlich noch vertrauen? | |
| Zweitens ist in der SPD der Raum für eine starke Führungspersönlichkeit | |
| entstanden: Andrea Nahles. Die Fraktionschefin wäre eine glaubwürdige | |
| Kontrahentin von Angela Merkel in einem neuerlichen Wahlkampf. Welche | |
| strategischen Ziele kann die SPD nach Neuwahlen anstreben? | |
| ## Die Grünen haben sich strategisch gestärkt | |
| Neben der Opposition bleiben GroKo und Rot-Rot-Grün, in beidem ist Nahles | |
| Expertin, weil sie im ersten Bündnis als Sozialministerin Erfolg hatte und | |
| für das zweite jahrelang Netzwerke geknüpft hat. Sie hat zwei | |
| Machtperspektiven, und man kann sich auch kein Fernsehduell mit Nahles | |
| vorstellen, das wichtige Fragen wie Bildung, Arbeit und Rente verpennt. | |
| Drittens: Die Grünen haben sich in den Jamaika-Gesprächen strategisch | |
| gestärkt. Bisher standen sich Linksgrün und Realogrün eifersüchtig | |
| gegenüber, jetzt verhandelten die wesentlichen Personen beider Seiten | |
| gemeinsam. FDP und CSU einten die Grünen durch ihre Maximalforderungen – | |
| die Ökopartei müsste ihnen als Coaches für Teambuilding ein Honorar zahlen. | |
| Und: Bisher war Schwarz-Grün – ohne Gelb – im Bund für die Grünen eine | |
| Option, die man hatte, über die man aber lieber schwieg. Nun werden die | |
| Grünen registriert haben, dass ihre Werte in Umfragen, als sie mit der | |
| Union verhandelten, sogar leicht stiegen. | |
| In der Partei liegen Schwarz-Grün und Rot-Rot-Grün ziemlich | |
| gleichberechtigt auf dem Tisch. Ein entspannter Blick auf die Lagerfrage | |
| tut gut in einer Situation, da es insgesamt eher zu wenig Optionen als zu | |
| viele gibt. | |
| ## Erneuerung in der CDU? Das dauert noch | |
| Klarheit finden müsste noch die Linkspartei. Sie reibt sich gerade auf im | |
| Streit zwischen Offenheit und Abwehr gegenüber Europa und Einwanderern. | |
| Aber dieser Streit macht sie nicht dauerhaft untauglich für Koalitionen – | |
| und es ist spannend, wie Oskar Lafontaine derzeit über seine vertanen | |
| Chancen in und mit der SPD räsoniert. Vielleicht fragen sich er und Sahra | |
| Wagenknecht gerade, ob ihr jeweiliges Lebenswerk wirklich am | |
| Frühstückstisch in Merzig-Silwingen enden soll. Rot-Rot-Grün muss nicht | |
| auf ewig tot sein. | |
| [2][Bleibt Angela Merkel]. Bisher gibt es keinen einzigen Hinweis, dass die | |
| Union bei Neuwahlen auf ihre gewiefte Fahrensfrau verzichten würde. Merkel | |
| selbst will noch mal. Der Finanzstaatssekretär Jens Spahn ist erst 37, er | |
| muss seinen Ehrgeiz einstweilen bändigen, und außerdem gäbe es noch andere | |
| wie Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer oder die in | |
| der Partei beliebte Julia Klöckner. Erneuerung, die die CDU wieder lebendig | |
| macht? Das dauert noch. | |
| So ist es mit der Demokratie. Sie braucht Zeit. Sie ist mühsam. Sie macht | |
| Arbeit. Aber sie ist stabil, auch weil sie sich immer wieder erneuert. Und | |
| wenn in ihr etwas zu Ende ist, dann ist das ein Anfang. | |
| 20 Nov 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Georg Löwisch | |
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