| # taz.de -- Optionen für die Regierungsbildung: Der lange Weg weg von Jamaika | |
| > Wie geht es nach dem Scheitern der Sondierungen weiter? Wir haben das | |
| > Grundgesetz gelesen, damit Sie es nicht machen müssen. | |
| Bild: Endlich mal relevant: In Schloss Bellevue entscheidet der Präsident jetz… | |
| Berlin taz | Nach [1][dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen] wird Angela | |
| Merkel (CDU) am Montagmittag in Schloss Bellevue erwartet. Die Kanzlerin | |
| will mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) erörtern, wie es | |
| jetzt weitergeht. Neue Sondierungen, eine Minderheitsregierung oder | |
| Neuwahlen? Auf der Suche nach der Antwort sind die Details der Verfassung | |
| entscheidend. | |
| Kann Steinmeier die SPD zu Koalitionsverhandlungen bewegen? | |
| Die einzige denkbare Bundestagsmehrheit neben Jamaika wäre eine Neuauflage | |
| der Großen Koalition. Die Sozialdemokraten haben diese Variante allerdings | |
| schon am Wahlabend [2][ausgeschlossen]. Der Wortlaut des Grundgesetzes | |
| sieht für den Bundespräsidenten keine Kuppler-Rolle vor; er kann die SPD | |
| also nicht damit beauftragen oder sie gar dazu verdonnern, doch über eine | |
| gemeinsame Koalition zu verhandeln. Es steht ihm aber natürlich frei, in | |
| nächster Zeit auch die SPD-Spitze nach Bellevue einzuladen und sie zu | |
| bitten, ihre Entscheidung zu überdenken. | |
| Bis wann muss eine Entscheidung fallen? | |
| Das Grundgesetz sieht im Wortlaut keine Frist dafür vor, wann eine | |
| Regierung stehen muss. Artikel 63 sagt lediglich, dass der „Bundeskanzler | |
| auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage“ gewählt wird – aber | |
| nicht, wie lange der Präsident für diesen Vorschlag Zeit hat. | |
| Verfassungsrechtler gehen zwar davon aus, dass er zumindest eine | |
| „angemessene Frist“ einhalten muss. Angemessen ist aber ein dehnbarer | |
| Begriff, vor allem in der aktuellen Situation mit ihren komplizierten | |
| Mehrheitsverhältnissen. Steinmeier kann sich also erst einmal Zeit lassen. | |
| Was passiert bis zu einer Entscheidung? | |
| Die alte Bundesregierung bleibt geschäftsführend im Amt – sowohl die | |
| Kanzlerin als auch die Minister. Sie behalten fast alle ihre Rechte und | |
| Pflichten und können auch weiterhin Gesetze in den Bundestag einbringen. | |
| Vertrauensfrage oder konstruktives Misstrauensvotum sind für die | |
| geschäftsführende Regierung aber nicht möglich. Weder Merkel noch die | |
| Opposition im Bundestag können einfach so Neuwahlen erzwingen. | |
| Wie kommt es dann zu Neuwahlen? | |
| Als erstes muss der Bundespräsident dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten | |
| vorschlagen. Das kann Merkel sein oder jemand anderes, der Präsident ist an | |
| keine Vorgaben gebunden. Bekommt der Kandidat im ersten Wahlgang keine | |
| absolute Mehrheit, beginnt die zweite Wahlphase. Sie dauert 14 Tage. In | |
| dieser Zeit kann der Bundestag eigene Kandidaten vorschlagen und so viele | |
| Wahlgänge durchführen, wie er will – bis doch jemand eine absolute Mehrheit | |
| bekommt. Falls es dazu nicht kommt, startet die dritte Wahlphase. Wenn | |
| jetzt ein Kandidat die relative Mehrheit bekommt (also Merkel zum Beispiel | |
| nur mit den Stimmen der Union die Abstimmung gewinnt), hat der | |
| Bundespräsident sieben Tage für eine Entscheidung: Entweder ernennt er den | |
| Kandidaten zum Kanzler – oder er schreibt dem Bundestagspräsidenten, dass | |
| er das Parlament auflöst. Dann gibt es innerhalb von sechzig Tagen | |
| Neuwahlen. | |
| Und wie käme es zu einer Minderheitskanzlerin Merkel? | |
| Variante 1: Merkel wird in der dritten Wahlphase mit relativer Mehrheit | |
| gewählt und Steinmeier löst das Parlament nicht auf, sondern ernennt sie. | |
| Variante 2: Die Union einigt sich mit anderen Fraktionen darauf, Merkel in | |
| einer der drei Wahlphasen mit absoluter Mehrheit zur Kanzlerin zu wählen – | |
| auch ohne Koalitionsvertrag und ohne Konsequenzen für das Verhalten in der | |
| restlichen Legislaturperiode. | |
| Und wie würde so eine Minderheitsregierung funktionieren? | |
| Eigentlich wie jede andere auch. Der Präsident ernennt weiterhin auf | |
| Vorschlag des Kanzlers die Minister, die Regierung behält alle Rechte und | |
| Pflichten. Nur bei der Gesetzgebung wird es schwierig: Für jedes Gesetz, | |
| für jeden Haushalt und für jedes Bundeswehrmandat müsste die Regierung | |
| wahrscheinlich aufs Neue eine Bundestagsmehrheit finden und dafür mit der | |
| Opposition zusammenarbeiten. Für das vorzeitige Ende einer | |
| Minderheitsregierung gelten die ganz normalen, hohen Hürden: Entweder die | |
| Vertrauensfrage (die nur die Kanzlerin beantragen kann) oder das | |
| konstruktive Misstrauensvotum (für das es einen neuen Kandidaten mit | |
| Mehrheit im Bundestag bräuchte). | |
| 20 Nov 2017 | |
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| Tobias Schulze | |
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