# taz.de -- Kommentar Zähe Jamaika-Sondierungen: Ungewohnt echter politischer … | |
> Die Verhandlungen sind zäh. Es wird geschimpft und gestritten. Für fast | |
> alle Beteiligten eine ganz neue Rolle. Aber notwendig war und ist der | |
> Streit. | |
Bild: Noch lächelt sie: Die Bundeskanzerlin, als sie zur Sondierungsverhandlun… | |
Was soll das Ganze? Was treiben die denn da in Berlin? Das fragen sich | |
jetzt viele. Die Jamaika-Sondierungen – das ganze Setting, die Pöbeleien, | |
die Ultimaten – das ist doch nicht das, was man auf dem Wahlzettel vor zwei | |
Monaten angekreuzt hat. Die Parteien wollten politische Macht, sie haben | |
sie bekommen. Jetzt sollen sie sich verdammt noch mal wie Erwachsene | |
benehmen und was Vernünftiges draus machen. | |
Ja, es stimmt, das Ganze hat etwas Würdeloses. Aber nein, das ist an sich | |
nichts Schlechtes oder gar Verwerfliches. Sondern nur etwas ungewohnt. Denn | |
egal, wie das Ganze ausgeht – am Ende wird ein neues Bündnis stehen | |
zwischen politischen Lagern, wie die deutsche Öffentlichkeit das bislang | |
nicht gekannt hat. | |
Es werden Kompromisse geschlossen, für die bislang die Fantasie nicht | |
ausgereicht hat. Echte Kompromisse, keine Formelkompromisse. Ernsthafte | |
Auseinandersetzung, inhaltliches Ringen – war es nicht das, wonach im | |
Wahlkampf ständig so lautstark verlangt wurde? Das Ganze hört auf den | |
Namen: Realpolitik. | |
Jahrzehntelang konnten die Wählerinnen und Wähler darauf vertrauen, dass | |
„die da“ sich schon irgendwie einigen werden. Die größte Partei sagte für | |
gewöhnlich, wo es langgeht, der kleinere Koalitionspartner wurde | |
ruhiggestellt mit drei, vier Ministerien. Und gut war. In vier Jahren bitte | |
dann wieder brav zwei Kreuzchen machen. | |
## Ungewohnte Rollen | |
Das ist nach diesen Bundestagswahlen vorbei. Wenn vier so verschiedene | |
Parteien sich einigen müssen, wird alles viel mühsamer, langwieriger, | |
unlässiger. Die Zeiten, in denen Bundeskanzlerin Angela Merkel nur | |
zuzuschauen brauchte, wie sich der kleine Koalitionspartner mühte und | |
abrackerte, auf dass am Ende seine Erfolge auf ihr Konto einzahlten – diese | |
Zeiten sind endgültig vorbei. Jetzt gibt es was Neues: echten politischen | |
Streit. | |
Schön anzuschauen ist das wie gesagt nicht. Aber notwendig. Man spürt, wie | |
linkisch und mitunter fahrlässig die Vertreter von CDU, CSU, FDP und Grünen | |
mit ihrer ungewohnten Rolle umgehen. Die Gefahr, bei den Verhandlungen zu | |
überreißen, ist sehr real. | |
87 Prozent der Wählerinnen und Wähler haben den demokratischen Parteien im | |
September ihre Stimme gegeben. Sie erwarten nun völlig zu recht, dass „die | |
da“ sich einigen. Politik ist kein Selbstzweck, die Anliegen der | |
BürgerInnen sind berechtigt. Geld für die Infrastruktur, für Polizei und | |
Verwaltung, für Schulen und endlich mehr Qualität in den Kindertagesstätten | |
und den Pflegeeinrichtungen – das ist es, was die Leute brauchen. Es wird | |
Zeit, dass das passiert. | |
19 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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