# taz.de -- Kommentar Jamaika-Abbruch durch FDP: Der Spieler | |
> Viel Pose und wenig Substanz: Lindners FDP geriert sich als | |
> Anti-Establishment-Kraft und befördert die Reideologisierung der Politik. | |
Bild: Können diese Augen ein Bündnis töten? Offenbar schon | |
Die FDP hat Jamaika nicht zufällig ruiniert, sondern mit strategischer | |
Absicht. Lindner hat die Verhandlungen beendet – nicht weil diese komplett | |
festgefahren waren, sondern weil den Liberalen das Schlimmste drohte: das | |
Gelingen. Man muss diesem Bündnis keine Träne nachweinen. Dieser | |
Bürgerblock hätte, wäre er stabil zustande gekommen, das Soziale links | |
liegen gelassen. Aber die Chuzpe, [1][mit der die FDP diese Verhandlungen | |
hat scheitern lassen], ist bemerkenswert. | |
Lindner hat die FDP jetzt dorthin gesteuert, wo er sie von Beginn an haben | |
wollte: als markige Opposition gegen die sogenannten Weiter-so-Parteien, | |
gegen die Merkel-CDU und die Realo-Grünen. Mit welcher konkreten Forderung | |
die FDP denn auf Granit gebissen hat, können Lindner & Co kurioserweise gar | |
nicht angeben. Die FDP stürzt die Republik in eine Krise, ohne das triftig | |
erklären zu können. Viel Pose, – „wir gegen die grün-christdemokratische | |
Einheitsfront“ – und wenig Substanz. Wer da vage an Trump denkt, liegt | |
nicht falsch. | |
Die FDP ist dabei, jene Kompromissfähigkeit einzubüßen, über die sie früher | |
im Übermaß verfügte. Die neue FDP, das ist eine Kombination aus schneidigem | |
Marktliberalismus und einem Sammelbecken für Affekte gegen die da oben. Mit | |
dieser kalkulierten Explosion hat sich die Lindner-Partei endgültig von der | |
alten, behäbigen, staatsfixierten Genscher-Partei entfernt und in eine | |
Spieler-Partei mit rechtspopulistischem Drive verwandelt. Das | |
bürgerlich-liberale Spektrum splittet sich auf: in eine ökoliberale Partei, | |
eine rechtspopulistische/extreme und die FDP, die sich weit nach rechts | |
dehnen kann. | |
Wir erleben nach den gemütlichen, lauwarmen Merkel-Jahren eine | |
Polarisierung – auf der rechten Seite. Die Fliehkräfte nehmen zu. Die CSU | |
wird mit Dobrindt und Söder in der Post-Seehofer-Zeit wohl einen strammen | |
Rechtskurs einschlagen. Das bürgerliche Lager zerfranst, die | |
Bündnisfähigkeit schwindet. Die Liberalen sind in diesem Prozess das | |
Ferment, das die Reideologisierung der Politik beschleunigt. | |
Manchen mag es verführerisch scheinen, nun auf das Bewährte zurückzugreifen | |
und nach der Großen Koalition zu rufen. Das ist naheliegend – aber | |
langfristig gefährlich. Noch nie seit 1949 gab es eine Große Koalition, die | |
fortgesetzt wurde. Auch eine Union-SPD-Regierung ohne Merkel und Schulz, | |
etwa mit von der Leyen und Scholz, wäre keine Antwort. | |
Ja, nach dem Aus von Jamaika ist viel möglich. Aber eine Große Koalition | |
wäre, gerade nach dem opernhaften Nein der SPD in der Wahlnacht, nicht | |
Staatsklugheit, sondern Notnagel und Machterhalt. Weil der politischen | |
Klasse für das Experiment Minderheitsregierung die Courage fehlt, bleiben | |
wohl nur Neuwahlen. Das aber ist eine Bankrotterklärung der | |
Mitte-rechts-Parteien, ein Offenbarungseid der politischen Mitte. Man | |
sollte nicht vergessen, wer dafür verantwortlich ist: Christian Lindner. | |
20 Nov 2017 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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