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# taz.de -- CSU nach Ende der Sondierungen: Jamaika ist tot, es lebe Bayern
> Nach dem Jamaika-Aus kann sich die CSU voll und ganz auf ihre
> Grabenkämpfe konzentrieren. Doch wer kann hier eigentlich was gewinnen?
Bild: Weder verloren noch gewonnen – Seehofer am Sonntag noch zuversichtlich
München taz | Es ist ein historischer Tag in Bayern: An diesem Montag wird
die Politik des Freistaats wieder ein Stück fränkischer. Was allerdings
ausnahmsweise gar nichts mit Finanzminister Markus Söder zu tun hat. Um 11
Uhr nimmt das bayerische Gesundheitsministerium seine neue Dienststelle in
Nürnberg offiziell in Betrieb. Ein Schritt in Richtung Dezentralisierung
der Staatsregierung. Ein feierlicher Moment, und doch interessiert sich
heute in der Regierungspartei CSU kaum jemand dafür.
Die muss sich jetzt erst einmal Gedanken machen, wie es nach dem Scheitern
der Jamaika-Gespräche weitergeht – mit der Suche nach einer
Bundesregierung, aber vor allem auch mit dem eigenen Vorsitzenden und
Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Während Gesundheitsministerin Huml ihr
zweites Haus eröffnet, berät sich Seehofer in einer Telefonschalte mit dem
CSU-Präsidium über das weitere Vorgehen. Am Donnerstag um 18 Uhr werde sich
dann der CSU-Vorstand zur Krisensitzung treffen, hieß es.
Dort dürfte es zur Sache gehen, schließlich toben in Bayern seit Wochen
Stellvertreterkämpfe zwischen den Adjutanten von Seehofer und Söder. Jetzt
müssen sich Seehoferianer und Söderianer wieder neu sortieren. Nur einem
Seehofer, der als Gewinner aus den Jamaika-Verhandlungen in Berlin
zurückkommen würde, gab man zuletzt noch eine politische Überlebenschance.
Würde er bei den Sondierungsgesprächen nicht das Maximum für die CSU
herausholen, bliebe nur noch, was er selbst vor Monaten schon einmal
vorgeschlagen hat: „Dann könnt ihr mich köpfen.“
Nur: Mit einem tatsächlichen Scheitern von Jamaika hatte noch bis Sonntag
niemand ernsthaft gerechnet. Jetzt kommt Seehofer heim und ist weder
Gewinner, noch Verlierer. Beide Seiten stehen vor einer komplett neuen
Situation. Dass Seehofer von sich aus einfach so hinschmeißt – nein, das
trauen ihm die wenigsten zu. Solange der Kampf eine noch so kleine Aussicht
auf Erfolg hat, kämpft ein Horst Seehofer. „Ich will nicht in gebückter
Haltung durch Bayern gehen müssen und hoffen, dass mich keiner erkennt,
weil meine politische Hinterlassenschaft gramvoll wäre“, bekannte Seehofer
einmal.
## Lahmer Gaul
„Sie dürfen den Seehofer nicht unterschätzen“, sagt auch Werner Weidenfel…
„Das ist ja durchaus kein unbegabter Machtspieler. Sonst wäre er jetzt
schon weg vom Fenster.“ Weidenfeld ist Politikwissenschaftler in München
und beobachtet das Treiben der CSU und ihrer Chefs seit vielen Jahren. „Der
denkt jetzt in jeder freien Minute über die nächsten Schritte in seinem
Machtspiel nach. Dass ihm andere einfach so zurufen ,Das war’s jetzt’, und
dann geht er, so wie das Stoiber seinerzeit gemacht hat, so einfach wird
das nicht funktionieren.“
So einfach sollte es aber funktionieren, wenn es nach dem Willen eines
Großteils der bayerischen Landtagsfraktion geht. Hier war die Mehrheit nie
besonders Seehofer-freundlich gestimmt, hatte ihn aber wohl oder übel
toleriert. Schließlich war er „das Zugpferd schlechthin“, wie ihn Edmund
Stoiber noch vor ein paar Monaten titulierte. Doch in letzter Zeit zieht
das Pferd nicht mehr so. Gerade einmal 38,8 Prozent der bayerischen Stimmen
erhielt die CSU bei der Bundestagswahl. Vor einer Woche kam die Partei dann
in einer Forsa-Umfrage im RTL-Auftrag nur noch auf 36 Prozent. Auch bei
Landtagswahlen wären demnach nur 38 Prozent drin. Zum Vergleich: 2013 holte
Seehofer für die CSU 47,7 Prozent, in Mandaten sogar die absolute Mehrheit.
Am Morgen nach dem Sondierungsdesaster fielen die Reaktionen in der CSU
unterschiedlich aus. „Ich finde es schade“, sagte Generalsekretär Andreas
Scheuer, und „dass die nächsten Wochen sehr, sehr schwierig werden – und
vielleicht sogar keine Werbeveranstaltung für Parteipolitik.“ Fraktionschef
Thomas Kreuzer schloss gleich mal eine Minderheitsregierung aus,
Innenminister Joachim Herrmann fand eine solche Festlegung noch zu früh. Zu
der Personaldiskussion in der CSU wollte sich indes niemand aus der
Parteispitze äußern. Nur die bayerische SPD meldete sich hierzu zu Wort:
Seehofer müsse zurücktreten, forderte Parteichefin Natascha Kohnen.
Stellt sich die Frage, was passiert, wenn es der Landtagsfraktion
tatsächlich gelänge, den Rücktritt Seehofers zumindest als
Ministerpräsident zu erzwingen oder seine Kür zum Spitzenkandidaten für die
Landtagswahl 2018 zu verhindern. In mögliche neue Verhandlungen in Berlin
müsste dann ein noch weiter geschwächter Seehofer oder aber ein
bundespolitisch völlig unbeleckter Söder gehen. Oder eine Drittlösung wie
Alexander Dobrindt, der zwar Erfahrung in der Bundespolitik, bei weitem
aber nicht das Standing Seehofers hat. Konstellationen, die es auch für
Markus Söder nicht besonders attraktiv erscheinen lassen dürften, als
Spitzenkandidat in die Landtagswahl 2018 zu gehen.
20 Nov 2017
## AUTOREN
Dominik Baur
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