| # taz.de -- SPD nach dem Aus für Jamaika: Risse in der Mauer | |
| > In der SPD-Fraktion stößt der Neuwahl-Kurs von Martin Schulz auf Skepsis. | |
| > Auch Bundespräsident Steinmeier macht Druck. | |
| Bild: Versteht sich: Der alte Bundestag soll erstmal weiterarbeiten | |
| Die SPD beginnt die Debatte, wie es weitergeht. Die offizielle Parteilinie | |
| lautet: Keine Gespräche über eine Große Koalition mit der Union. Der | |
| SPD-Parteivorstand hat am Montag einstimmig das Nein zur Regierung und | |
| Offenheit für Neuwahlen beschlossen. Also alles klar? | |
| Nicht ganz. Hundertprozentig geschlossen ist die Front nicht. Es gibt | |
| Risse, Zweifel, ob man einfach so weiter machen kann. Die Parlamentarier | |
| der SPD-Fraktion hatten am Montagnachmittag jedenfalls Gesprächsbedarf. | |
| Rund zwei Stunden debattierten die GenossInnen. | |
| Für die bayrische SPDlerin Marianne Schieder muss auch die SPD „alles | |
| versuchen, um eine Regierung zustande zu bringen“. Alles heißt auch: | |
| Gespräche mit der Union über eine Regierungsbeteiligung. So deutlich waren | |
| einige. | |
| Neuwahlen, für SPD-Chef Martin Schulz unabwendbar, halten viele für ein | |
| Szenario, das es zu verhindern gilt. Manche Abgeordnete sind aus ganz | |
| praktischen Gründen wenig begeistert von der Idee, schon wieder Wahlkampf | |
| machen zu müssen. Der ist teuer und anstrengend. Und am Ende ist der Job im | |
| Bundestag in Gefahr, weil der Listenplatz zu mies war oder das Direktmandat | |
| weg ist. Auch daraus speist sich die Reserve. | |
| ## Die Stunde des BuPrä Steini | |
| Johannes Kahrs, Chef der im Seeheimer Kreis organisierten SPD-Rechten, | |
| möchte sich „Zeit lassen und offen darüber nachdenken, was der | |
| Bundespräsident sagt“. Martin Schulz trifft Frank-Walter Steinmeier am | |
| Mittwoch. Was der Bundespräsident, Schlüsselfigur in dieser Situation, dem | |
| SPD-Chef sagen wird, ist absehbar. | |
| Steinmeier, nebenbei ohnehin ein Mann der Große Koalition, muss schon qua | |
| Amt darauf dringen, dass es eine Regierung gibt. Und da ist nach dem | |
| Jamaika-Aus die Große Koalition, neben einer Minderheitsregierung, die | |
| einzige Möglichkeit. | |
| Eine Minderheitsregierung hat in den Chefetagen von Union und SPD – aus | |
| Gründen der Risikoscheu und Mangel an politischer Phantasie – wenig | |
| Freunde. So lange es noch ein Fünkchen Hoffnung gibt, dass die SPD sich in | |
| Richtung Große Koalition bewegen könnte, wird Steinmeier den | |
| Neuwahl-Prozess nicht in Gang setzen. Das ist die Logik der Situation. | |
| Deshalb ist jede auch noch so zaghafte Äußerung, die von der | |
| Groko-Nein-Neuwahl-Ja-Linie der SPD abweicht, ein Argument, das die Tür zu | |
| einer Regierungsbeteiligung der SPD offen hält. | |
| ## Die Freiheit des Abgeordneten | |
| Kahrs hält derzeit „alles für möglich: Minderheitsregierung, Große | |
| Koalition, Neuwahlen und Tolerierung.“ Er geht davon aus, dass die | |
| Übergangsphase mit der geschäftsführenden Regierung „lange dauern wird. Und | |
| das ist keineswegs nur negativ.“ | |
| Am Dienstag wurde im Bundestag der Hauptausschuss eingesetzt. In der | |
| SPD-Fraktion können sich viele vorstellen, auch ohne neue Regierung im | |
| Dezember die Fachausschüsse zu besetzen, damit das Parlament arbeitsfähig | |
| ist. | |
| „Wir können“ so der SPD-Rechte zur taz, „ jetzt die Freiheiten als | |
| Abgeordnete nutzen, die uns das Grundgesetz bietet“. | |
| So will die SPD Fraktion die Bürgerversicherung zur Abstimmung stellen. Am | |
| Dienstag im Bundestag applaudierte der Seeheimer, der verlässlich gegen | |
| jede noch so zarte Annäherung von Rot-Rot-Grün poltert, im Bundestag mal | |
| als ein Linksparteipolitiker sprach. Das sind wohl die neuen Freiheiten. | |
| ## Ob Schulz die Dynamik im Griff hat? | |
| Auch den feine Riss zwischen Elite und Hinterbänklern in der SPD-Fraktion | |
| konnte man am Dienstag im Bundestag besichtigen. Parlamentspräsident | |
| Wolfgang Schäuble fordert Kompromissfähigkeit von allen Fraktionen. Wer | |
| sich nicht auf eine Koalition einlasse, müsse das schlüssig begründen. | |
| Will sagen: Nein zu Neuwahlen. Das Plenum applaudiert. Still bleibt es in | |
| den ersten Reihen der SPD, bei Martin Schulz, Andrea Nahles und Carsten | |
| Schneider. Fraktionschefin Nahles schaut über ihre Schulter. Je weiter nach | |
| hinten sie in den Saal blickt, desto mehr Genossen sieht sie, die Schäuble | |
| applaudieren. | |
| Interessant ist, ob SPD-Chef Schulz die Dynamik der Lage wirklich im Griff | |
| hat. Beim Parteitag am 9. Dezember dürfte er die Delegierten auf seiner | |
| Seite haben. Die Große Koalition ist an der Basis herzlich unbeliebt. | |
| Schulz war es, der am Wahlabend die frenetisch gefeierte Linie – keine | |
| Gespräche mit der Union – vorgab. | |
| Das war, so Kahrs, „damals eine super Idee, die ich unterstützt habe“. Aber | |
| jetzt gebe es eine neue Situation. | |
| Mitarbeit: Tobias Schulze | |
| 21 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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