| # taz.de -- GroKo-Debatte: Hamburger SPD uneins: Ziemlich beste Feinde | |
| > Lange hielt der Burgfrieden zwischen Bürgermeister Olaf Scholz und dem | |
| > SPD-Chef in Mitte, Johannes Kahrs. Nun sieht Kahrs die Zeit für neue | |
| > Machtspiele gekommen. | |
| Bild: Findet die Verweigerungshaltung der SPD-Granden doof: Johannes Kahrs | |
| Hamburg taz | Fünf Jahre lang hatten die Alpha-Männchen der Hamburger SPD, | |
| Olaf Scholz und Johannes Kahrs, einen Nichtangriffspakt geschlossen. | |
| Koexistenz statt Machtkampf, war ihre Devise. Doch damit ist es vorerst | |
| vorbei. Bei der Frage, ob die SPD im Bund nach dem Jamaika-Aus mitregieren | |
| soll, geht Kahrs auf Gegenkurs zu Scholz, probt den parteiinternen | |
| Aufstand. | |
| Klarer noch als Kanzlerkandidat Martin Schulz hatte Scholz gleich nach der | |
| Bundestagswahl und nach dem Ende der Jamaika-Sondierungen betont, dass die | |
| SPD weiterhin nicht für eine Große Koalition zur Verfügung stehe. Scholz | |
| will die Partei in der Opposition wieder „kanzlerfähig“ machen, nach | |
| Merkels absehbarem Abtritt vielleicht selbst in den Ring steigen. Auf dem | |
| Hamburger SPD-Landesparteitag verkündete er am vergangenen Wochenende klipp | |
| und klar: „Wir stehen nicht bereit.“ Statt einer Großen Koalition müsse es | |
| Neuwahlen geben. | |
| Doch nach dem Aus für Jamaika steht die SPD nicht mehr geschlossen hinter | |
| dem Kurs von Scholz & Schulz. Schon nach der Bundestagswahl fühlten sich | |
| diverse Genossen nicht in die Entscheidung einbezogen, keine | |
| Regierungsverantwortung anzustreben. Mit dem Jamaika-Aus aber wächst der | |
| öffentliche Druck, die Verweigerungshaltung aufzugeben. Genauso steigt der | |
| innerparteiliche Druck, den die Genossen ausüben, die sich von einer | |
| Neuauflage der Großen Koalition Posten und Pöstchen erhoffen. | |
| Zum Wortführer der Koalitionsbereiten schwingt sich nun ausgerechnet | |
| Johannes Kahrs, Bundestagsabgeordneter aus Hamburg-Mitte und Sprecher der | |
| Parteirechten, des Seeheimer Kreises, auf. Er fordert die Abkehr von einer | |
| rigiden Koalitionsverweigerung. „Man muss mit dem Bundespräsidenten offen | |
| reden, ohne gleich auf dem eigenen Standpunkt zu beharren“, sagte Kahrs am | |
| Mittwoch der Bild. „Wir können dem Bundespräsidenten nicht sagen: Rums, das | |
| war’s.“ | |
| ## Mit Kahrs' Vorstoß ist die parteiinterne Debatte eröffnet | |
| Damit war’s das dann vor allem mit dem parteiinternen Schulterschluss. Der | |
| Machtpolitiker Kahrs weiß, dass er zum jetzigen Zeitpunkt nicht offensiv | |
| Koalitionsverhandlungen mit der CDU fordern kann, ohne parteiinternen | |
| Gegenwind zu ernten. Er weiß aber auch, welchen Stein er ins Rollen bringt: | |
| Mit seinem Vorstoß ist die parteiinterne Debatte eröffnet und nicht mehr | |
| aufzuhalten. Wind von vorne gibt es nun für Martin Schulz, vor allem aber | |
| für den Schnellfestleger Olaf Scholz. Damit geht Kahrs zum ersten Mal nach | |
| fünf Jahren wieder öffentlich auf Gegenkurs zu Scholz. Und das zu einem | |
| Zeitpunkt, an dem dieser, wegen des G20-Desasters, das erste Mal seit | |
| seinem Amtsantritt als Bürgermeister angeschlagen wirkt. | |
| Scholz und Kahrs – sie sind seit Juso-Tagen ziemlich beste Feinde. Noch vor | |
| zehn Jahren galt Kahrs, der ein Meister des Netzwerkens ist, als | |
| einflussreichster Hamburger SPD-Politiker. Doch als Scholz 2009 die | |
| Hamburger SPD übernahm und wieder auf Kurs brachte, schwand der Einfluss | |
| von Kahrs kontinuierlich. 2012 kam es zum finalen Showdown zwischen den | |
| beiden Alpha-Männchen, den Scholz gewann. Nach dem Methadon-Tod der | |
| elfjährigen Chantal, die sich in der Obhut des Jugendamtes Mitte befand als | |
| sie starb, wollte Kahrs seinen Zögling Markus Schreiber, Bezirkschef in | |
| Mitte, unbedingt halten. Doch Scholz zwang Schreiber zum Rücktritt und auch | |
| Kahrs musste seinen Posten als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses | |
| Mitte räumen – ein Amt, das ihm viel Einfluss in „seinem“ Bezirk garanti… | |
| hatte. | |
| Aber Scholz brauchte auch Kahrs und sein Netzwerk und vergab in der Folge | |
| immer wieder Funktionen und Pöstchen an „Kahrsianer“, Politiker aus | |
| Kahrs’Dunstkreis und dem Bezirk Mitte. Andy Grote wurde Innensenator, die | |
| Kahrs-Zöglinge Markus Schreiber und Danial Ilkhanipour erhielten | |
| Sprecher-Positionen innerhalb der SPD-Bürgerschaftsfraktion. | |
| Fünf Jahre hielt auf diese Art und Weise der Burgfrieden zwischen den | |
| beiden Platzhirschen – und bricht nun auf, da Scholz erstmals schwächelt | |
| und seine Beliebtheit in Hamburg in den Keller rutscht. | |
| 23 Nov 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Marco Carini | |
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