# taz.de -- Karl Lauterbach über GroKo-Absage: „Wir werden natürlich alles … | |
> Der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach hält die Absage an eine | |
> Regierungsbeteiligung für richtig. Gleichwohl kann und darf man sich | |
> Gesprächen nicht verweigern. | |
Bild: Glaubt nicht an die GroKo, zumindest momentan nicht | |
taz: Herr Lauterbach, die SPD scheint von dem Scheitern der | |
Jamaika-Sondierungen kalt erwischt worden zu sein. Wie kann es sein, dass | |
sich Ihre Partei offenkundig im Vorfeld keine intensiveren Gedanken gemacht | |
hat, wie sie mit einer solchen Situation umgehen soll? | |
Karl Lauterbach: Wir haben uns schon Gedanken gemacht, so ist es nicht. | |
Aber das Scheitern von Jamaika galt nicht nur für uns als unwahrscheinlich. | |
Damit haben wir – wie alle anderen, auch die Journalisten – nicht | |
gerechnet. | |
War es nicht ein Fehler, dass der SPD-Vorsitzende Martin Schulz bereits am | |
Wahlabend kategorisch eine Fortsetzung der Großen Koalition ausgeschlossen | |
hat? | |
Nein, das war aus meiner Sicht richtig. Wir sind fulminant abgewählt | |
worden. Deswegen hatten wir für eine Fortführung der Großen Koalition kein | |
Mandat. Außerdem war immer klar, dass die Große Koalition eine Ausnahme | |
sein muss und nicht zum Standardmodell werden darf, weil sie sonst | |
demokratieaushöhlend wirkt. Von daher wäre es jetzt mal an der Zeit | |
gewesen, dass auch die kleinen Parteien zu ihrem Recht kommen. Aber sie | |
haben diese wichtige und große Chance verspielt. | |
Am Montag hat der SPD-Parteivorstand beschlossen: „Wir stehen angesichts | |
des Wahlergebnisses vom 24. September für den Eintritt in eine Große | |
Koalition nicht zur Verfügung.“ Gilt dieser Satz am Ende der Woche noch? | |
Zunächst einmal gilt er weiterhin. Es kann nicht automatisch so sein, dass | |
wir einspringen müssen, wenn sonst nichts funktioniert. Gleichwohl kann und | |
darf man sich Gesprächen nicht verweigern. Nach der Aufforderung von | |
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden wir natürlich alles prüfen. | |
Dazu zählt auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Eine Große | |
Koalition wäre die Ultima Ratio. Sie kann nur eine Notlösung sein, die wir, | |
wenn es irgendwie geht, verhindern wollen. | |
Dann steht die SPD unter Umständen doch für eine Koalition mit der Union | |
zur Verfügung? | |
Das ist eine rein hypothetische Frage. Ich bin sehr skeptisch, ob eine wie | |
auch immer gelagerte Zusammenarbeit mit der Union zustande kommen könnte, | |
weil die inhaltlichen Gemeinsamkeiten verbraucht scheinen. Die Inhalte sind | |
für uns jedoch entscheidend. Ich will noch mal in Erinnerung rufen, dass | |
Frau Merkel uns noch vor wenigen Wochen die Regierungsfähigkeit komplett | |
abgesprochen hat. Als sie sicher war, dass Jamaika funktionieren wird, hat | |
sie uns bescheinigt, dass wir keine regierungsfähige Partei mehr wären – | |
obwohl wir ja weiterhin unsere Minister in ihrem geschäftsführenden | |
Kabinett stellen. Jetzt plötzlich sollen wir springen? Wir brauchen Zeit | |
und auch ein bisschen Spielraum. | |
Haben Sie inzwischen doch Angst vor vorgezogenen Neuwahlen bekommen? | |
Ich glaube nach wie vor, dass Neuwahlen kein Drama für das Land wären. Aber | |
sie waren und sind nicht unser Ziel. Auch unser Anliegen ist es vielmehr, | |
sie zu verhindern. Aber nicht wir, sondern Frau Merkel steht jetzt in der | |
Pflicht, konstruktive Vorschläge zu machen. Bisher höre ich da nicht viel. | |
Wenn sich kein gemeinsamer inhaltlicher Nenner finden lässt, dann müssen | |
eben die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Dann geht es eben | |
möglicherweise nicht anders. | |
Könnten Sie sich vorstellen, eine Minderheitsregierung der Union zu | |
tolerieren? | |
Ich kann mir alles mögliche vorstellen. Fest steht doch, dass eine Große | |
Koalition nicht gut für das Land ist. Da ist es richtig, auch über andere | |
Möglichkeiten nachzudenken. Die Frage ist: Was könnte mit einer | |
Minderheitsregierung erreicht werden? Es gibt Vorteile, aber auch | |
Nachteile. Da gibt es noch erheblichen Diskussionsbedarf. Aber wir sind | |
überhaupt nicht in der Bringschuld, für Frau Merkel über unterschiedliche | |
Modelle der Minderheitsregierung zu spekulieren. | |
Welche Modelle wären denn denkbar? | |
Frau Merkel muss konkrete Vorschläge machen, was sie sich denkt. Varianten | |
gäbe es mehrere: eine schwarz-grüne oder schwarz-gelbe | |
Minderheitsregierung, die auf wechselnde Mehrheiten setzt. Oder auch eine | |
Minderheitsregierung der Union, bei der wir eine privilegierte Position | |
hätten. Mal sehen, ob und was sich die geschäftsführende Bundeskanzlerin | |
einfallen lässt. | |
24 Nov 2017 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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