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# taz.de -- Die SPD nach der Bundestagswahl: Abkehr vom kategorischen Nein
> Vertreter aller SPD-Flügel halten nun eine Zusammenarbeit mit der Union
> für möglich. Die Frage ist: Koalition oder Tolerierung?
Bild: Er wollte sie ersetzen, wird er sie jetzt tolerieren?
Berlin taz | Die SPD löst sich von ihrer Fixierung auf Neuwahlen. Noch
Anfang der Woche schien diese Position in Stein gemeißelt. Parteichef
Martin Schulz hatte am Montag versichert, mit der Union keine Gespräche
über politische Lösungen der Lage führen zu wollen. Diese Ansage gilt nicht
mehr.
Auch SPD-Linke, die eine Wiederauflage der Große Koalition verhindern
wollen, signalisieren neue Beweglichkeit . „Wir müssen offen sein. Wir sind
nicht die FDP in Niedersachsen“, so der Bochumer SPD-Abgeordnete Axel
Schäfer zur taz. Diese Positionierung ist aus der Erkenntnis geboren, dass
man mit der eisernen Orientierung auf Neuwahlen scheitern wird. Denn die
Anschlussfrage lautet: Hat die SPD nach Neuwahlen eine andere Machtoption
als ein Bündnis mit der Union? Eher nein. Die Lage ist vertrackt – auch
innerparteilich sortieren sich die Lager erst.
Einige Parteirechte streben bereits trotz aller Schwüre der Vergangenheit
in die Regierung mit der Union zurück. Dazu gehört der
SPD-Wirtschaftspolitiker Bernd Westphal und wohl auch der Chef der
Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs. In der Große Koalition habe die SPD
viele Erfolge erzielt, so Westphal. Unionsfraktionschef Volker Kauder
kommentierte bereits, dass „die Bewegung in der SPD“ bei der Union Hoffnung
wecke.
Doch die Pro-GroKo-Gruppe ist in der SPD – noch – überschaubar. „Koaliti…
gut, SPD tot, das geht nicht“, so Axel Schäfer. Die Chefin der
Demokratischen Linken, Hilde Mattheis, ist überzeugt, dass „die Große
Koalition auch in der Mitte der Partei unbeliebt ist“. In der Tat: Die
Reserve gegenüber einem dritten Bündnis mit Merkel ist kein Spleen der
Parteilinken. Viele GenossInnen wissen, dass die Rolle als Juniorpartner
für die SPD zweimal katastrophal endete. „Wir haben die Pflicht zur
Verantwortung, aber nicht zu Selbstentleibung“, so Axel Schäfer. Das bringt
das Dilemma der Partei auf den Punkt.
Wie nervös die Lage ist, illustrierten am Donnerstag Gerüchte, denen
zufolge Schulz entnervt von der wachsenden Kritik an seinem Neuwahlkurs mit
seinem Rücktritt gedroht habe. Auch Unterstützer des harten Nein zur Große
Koalition finden es falsch, dass Schulz nur Neuwahlen als einzigen Ausweg
gelten ließ. Der Korrespondent des britischen Economist twitterte, dass der
SPD-Chef nach dem Gespräch mit Bundespräsident Steinmeier am
Donnerstagnachmittag zurücktreten werde. Das Willy-Brandt-Haus dementierte
umgehend: Der Economist gehöre „nicht zu den besten Kennern der deutschen
Sozialdemokratie“, so ein Sprecher von Schulz.
Allerdings gibt es nicht nur die Wahl zwischen Großer Koalition und
Neuwahlen. In der Partei wächst die Anhängerschaft für die dritte
Möglichkeit – die Tolerierung einer von der Union geführten
Minderheitsregierung. Marco Bülow, der in Dortmund ein Direktmandat gewann,
kann dieser Option einiges abgewinnen. „Damit würden wir deutlich machen,
dass es uns nicht um Posten geht“, so der nordrhein-westfälische
Parteilinke zur taz.
## „Alles ist neu, alle sind überfordert“
Das Argument hat einiges für sich. Denn falls die SPD sich unter Mühen doch
wieder für den Eintritt in eine Regierung Merkel bereit erklärt, würde sie
sich damit den Vorwurf einhandeln, ihr fundamentales Nein am 24. September
für ein paar Ministerämter geopfert zu haben.
Ein weiteres gewichtiges Argument gegen eine Große Koalition lautet, dass
damit der viel beschworene Erneuerungsprozess der Partei auf die lange Bank
geschoben wird. Das war jedenfalls in der Vergangenheit stets so. Wenn die
Partei regiert, fokussiert sich vieles auf Ministerien und Fraktion – die
Partei ist eher Anhängsel. Auch Schäfer und die Parteilinke Mattheis halten
eine von der SPD gestützte Minderheitsregierung für eine Möglichkeit.
Allerdings äußern sie sich weit vorsichtiger als Bülow.
Die SPD-Linke ist noch nicht so weit, offensiv zu fordern, dass die SPD der
Union die Tolerierung als Modell vorschlagen soll. Doch derzeit ist alles
im Fluss. „Alles ist neu, alle sind überfordert“, so Marco Bülow. Was
gestern nur ein Gedankenexperiment war, kann morgen schon eine Option im
politischen Spiel sein. Auch eine schwarze-grüne Minderheitsregierung kann
in den Bereich des Möglichen rücken.
Bülow glaubt, dass der Widerstand gegen eine Minderheitsregierung bröckeln
wird, falls die SPD standhaft bei ihrem Nein zu einer Große Koalition
bleibt. Ein Argument gegen die Große Koalition ist für die SPD schlecht
von der Hand zu weisen „Wir werden“, so Bülow, „als Juniorpartner noch
schwächer werden.“
23 Nov 2017
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
SPD
Schwarz-rote Koalition
Minderheitsregierung
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häusliche Gewalt
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R2G Berlin
Schwerpunkt Bundestagswahl 2025
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