# taz.de -- Demokratisches Quintett: Von Bremen nach Berlin | |
> Sechs Abgeordnete von Linke, Grüne, SPD, CDU und AfD ziehen aus Bremen in | |
> den Bundestag ein. Die taz stellt sie vor von links nach rechts | |
Bild: Der Anfang vom Ende: Der Auftakt von Martin Schulz Wahlkampftour war in B… | |
## Doris Achelwilm | |
Zum dritten Mal in Folge holt Die Linke ein Bremer Bundestagsmandat. Mit | |
fast 14 Prozent landet sie dabei erstmals klar vor den Grünen: „Das | |
Ergebnis ist mehr als nur eine Momentaufnahme“, sagt Doris Achelwilm. „Das | |
ist ein Querschnitt über längere Zeit.“ Man habe „eine Programmatik, die | |
auf Bremen gut passt“, sagt sie. | |
Armutsbekämpfung nennt sie selbst als erstes Themenfeld. Da wird Rot-Grün | |
in Bremen nicht mehr allzu viel zugetraut, seit unter ihrem Senat die | |
Armutsquote auf 24,8 Prozent gestiegen ist. Entsprechend wäre das auch das | |
Politikfeld, auf dem Achelwilm in Berlin am gerne tätig würde: „Ich möchte | |
etwas mit hohem Gebrauchswert für Bremen und Bremerhaven machen.“ | |
Seit 2013 führt sie mit wechselnden Partnern in der Doppelspitze die | |
Landespartei. Als die sie Anfang des Jahres auf Listenplatz eins gewählt | |
hatte, gab es trotzdem Zweifel, wie die dem intellektuell-versponnenen | |
innerparteilichen Netzwerk der emanzipatorischen Linken zugehörige Frau | |
beim Publikum ankommt. Die Wahl zeigt, dass sie mindestens die gemischten | |
urbanen Milieus, wo die von zehn Jahren landespolitischer Macht | |
zerschlissenen Grünen bislang vorherrschend waren, gut ansprechen kann: | |
„Die Partei“, sagt sie, „ist jünger geworden.“ | |
## Sarah Ryglewski | |
Ein „schwerer Schlag“ – so beurteilte die über das Direktmandat in Bremen | |
gewählte SPD-Abgeordnete Sarah Ryglewski das bundesweite Wahlergebnis ihrer | |
Partei. Auch die Verluste in Bremen, hier war die SPD mit immerhin noch | |
26,8 Prozent stärkste Kraft, „können wir nicht schönreden“, so Ryglewski. | |
Dennoch freue sie sich über ihr Direktmandat mit 29,8 Prozent der | |
Erststimmen. | |
Die 34-Jährige rückte vor zwei Jahren für Carsten Sieling in den Bundestag | |
nach und verortet sich seither in der parlamentarischen Linken, dem linken | |
Flügel der SPD. Sie will sich auch weiterhin im Finanzausschuss für lokale | |
Interessen einsetzen: „Der Bund muss den Kommunen mehr Geld zur Verfügung | |
stellen“ – für Infrastruktur, Wohnungsbau und gute Bildung. | |
Ryglewskis Themen bleiben Rente und Arbeit. In ihrer Zeit als | |
Quartiersmanagerin in Osterfeuerberg und Woltmershausen habe sie erlebt, | |
wie sich Armut und soziale Benachteiligung auf das Leben der Menschen | |
auswirken. | |
Der Einzug der AfD sei „katastrophal“. Im Bundestag sei es nun wichtig, | |
„die Oppositionsarbeit anzuführen“ und das „Feld nicht der AfD zu | |
überlassen“. Man werde den Rechten selbstbewusst gegenübertreten und | |
„herausstellen, dass sie keine Inhalte und Antworten haben“. | |
## Uwe Schmidt | |
Der SPD-Direktkandidat Uwe Schmidt zieht für den Wahlkreis Bremen II – | |
Bremerhaven in den Bundestag ein, zu dem auch Teile des Bremer Westens und | |
Bremen-Nord gehören. Mit einem Erststimmenanteil von 34,1 Prozent setzt | |
sich der 51-Jährige vor der CDU-Kandidatin Bettina Hornhues (24,7 Prozent) | |
durch. Schmidt übernimmt zum ersten Mal ein bundespolitisches Amt für die | |
SPD. | |
Schmidt steht wie kein anderer SPD-Kandidat für die Ideale der | |
„Arbeiterpartei“: Der Sohn eines Seemanns und einer Putzfrau arbeitet seit | |
dem Jahr 1989 als Hafenfacharbeiter in Bremerhaven. Erste Erfahrungen in | |
der Politik sammelte Schmidt im Betriebsrat des Gesamthafenbetriebs | |
Bremerhaven und bei der Gewerkschaft Ver.di. 2010 trat Schmidt in die SPD | |
ein. Seit 2011 war er Stadtverordneter in Bremerhaven, seit 2015 Mitglied | |
der Bürgerschaft. Nun ersetzt er Uwe Beckmeyer, der nicht erneut für den | |
Bundestag kandidierte. | |
Schmidts Schwerpunkte liegen auf den Themen Arbeit, Häfen und Verkehr. | |
Konkret möchte er sich im Bundestag für die Schaffung neuer Jobs stark | |
machen, die auch dem Prinzip der „guten Arbeit“ entsprechen. Aber auch für | |
die Verbesserung der Infrastruktur an Häfen oder den Ausbau der | |
Hinterlandanbindung möchte er sich vermehrt einsetzen. | |
## Kirsten Kappert-Gonther | |
Kirsten Kappert-Gonther verdrängt nun endgültig Marieluise Beck: Zwar | |
mussten die Grünen bremenweit leichte Stimmverluste hinnehmen, elf Prozent | |
der Zweitstimmen reichen aber trotzdem noch für ein Bundestagsmandat. | |
Bisher war die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie gesundheits-, | |
religions- und kulturpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, | |
dazu deren stellvertretende Vorsitzende. In der Bürgerschaft wird nun der | |
Mittdreißiger Nima Pirooznia für die 50-Jährige nachrücken, ein Volkswirt | |
aus Bremen-Mitte. | |
Dass sie künftig der Regierung angehören wird, ist aus Kappert-Gonthers | |
Sicht allerdings noch keineswegs sicher: Ein Jamaika-Bündnis mit Union und | |
FDP sei „kein Selbstläufer“, sagt sie. Sie wolle sich zwar „nicht der | |
Verantwortung entziehen“, nimmt aber notfalls auch Neuwahlen in Kauf, | |
sollte das Vier-Parteien-Bündnis nicht zustande kommen, aber auch die SPD | |
auf ihrer Position beharren, nicht erneut mit der CDU/CSU zu koalieren. | |
Zwar müsse man auch angesichts des AfD-Erfolges „über Lagergrenzen hinaus | |
denken“, eine Jamaika-Koalition sei aber „sehr schwierig“ – es sei denn, | |
Union und FDP ließen sich auf grüne Forderungen zur Klimapolitik, dem | |
Asylrecht und dem Ausstieg aus der Massentierhaltung ein. | |
## Elisabeth Motschmann | |
Du weißt, das irgendetwas nicht richtig ist, wenn konservative | |
CDU-Abgeordnete plötzlich ein bisschen nach Antifa klingen: „Unsere erste | |
Aktion muss sein, dass wir verhindern, dass die AfD den Vorsitz im | |
Kulturausschuss bekommt!“, sagt Elisabeth Motschmann, die mit 25 Prozent | |
Bremens CDU-Kandidatin für den Bundestag ist. „So viele Stimmen“ an ihre | |
neuen SitznachbarInnen auf der rechten Seite abgegeben zu haben „ist eine | |
Zäsur“. | |
Trotzdem wolle die Lebensschützerin, die mit einem evangelikalen Pastor | |
verheiratet ist, die AfD so normal wie möglich behandeln, „um sie nicht zu | |
Märtyrern zu machen“. Man müsse sich nun parlamentarisch mit der AfD | |
messen: „Für die Populisten reicht es jetzt nicht mehr, auf Marktplätzen | |
‚Hau ab!‘ zu rufen und demagogisch das Land schlechtzureden“, so | |
Motschmann. | |
Aber immerhin sei nicht alles schlecht: Die 64-Jährige findet es gut, | |
Rot-Rot-Grün verhindert zu haben und freut sich, dass Merkel Chefin und die | |
CDU stärkste Partei bleibe. In Berlin will sie „Anwältin Bremer Interessen | |
bleiben“, wird demgegenüber aber auch weiterhin hauptsächlich im | |
Auswärtigen Ausschuss arbeiten. Mit dem Ziel, in „Herkunftsländern der | |
Flüchtlinge Perspektiven zum Bleiben zu schaffen“ und „Europa | |
zusammenzuhalten.“ | |
## Frank Magnitz | |
Weit nach rechts ist der AfD-Landesverband unter der Führung von Frank | |
Magnitz gerückt. Sein wahres Gesicht offenbarte der künftige | |
Bundestagsabgeordnete im Mai 2016, als er Erfurt besuchte, um gemeinsam mit | |
dem ultrarechten Bernd Höcke zu reden und ihm einen Bremen-Wimpel mit | |
AfD-Patch zu überreichen. In seiner Rede vor einem aufgepeitschten Mob auf | |
dem Erfurter Marktplatz sagte er Sätze wie: „Ich bin ein Erfurter“ und „… | |
Thüringen lernen heißt siegen lernen.“ | |
Er wolle wie die „aufrechten Deutschen“ aus Erfurt „ein Zeichen setzen f�… | |
das Vaterland“, fabulierte von der Islamisierung in Bremen und hetzte mit | |
rassistischen Argumenten gegen Minderheiten. Gaulands Parteienjagd griff er | |
da schon mit dem Satz „Unsere Bewegung wird zu einer unaufhaltsamen Lawine“ | |
vor. Linke Gegendemonstranten nennt er „Hirntote“. | |
Nach der Wahl behauptete der 1952 im Landkreis Diepholz geborene | |
Hausverwalter, es gebe „nicht einen Protagonisten in der AfD, der | |
rechtsradikal ist“. Gleichzeitig nimmt er die regelmäßig bekannt werdenden | |
Verbindungen zu der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung offenbar | |
gerne in Kauf. Mit zehn Prozent der Stimmen aus Bremen bekommt Magnitz ein | |
Bundestagsmandat ganz rechts außen. | |
25 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
Gareth Joswig | |
Paulina Hemesath | |
Benno Schirrmeister | |
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