| # taz.de -- Bremerinnen im Bundestag: Berlin ist Frauensache | |
| > Vom historischen Sechstel zur Fünfsechstel-Mehrheit: Die Riege der Bremer | |
| > Bundestagsabgeordneten wird künftig weitestgehend weiblich sein. | |
| Bild: Die erste Bremerin im Bundestag: Marieluise Beck (Grüne) | |
| Bremen taz | Die Frauenquote in der bremischen Bürgerschaft sinkt auf 30 | |
| Prozent, auf niedersächsisches Niveau, was die Kritiker des neuen | |
| Landeswahlrechts als scharfe Munition gegen das Prinzip der | |
| Personnenstimmen benutzen. | |
| Deutlich unbeachteter bleibt eine andere Verschiebung mit gegenteiliger | |
| Tendenz: Erstmals wird Bremen im Bundestag von einer satten, genau gesagt | |
| 83-prozentigen weiblichen Mehrheit vertreten. Der letzte mandatierte Bremer | |
| Mann ist das sozialdemokratische Urgestein Uwe Beckmeyer. | |
| Das ist bemerkenswert, denn unter den 38 Bundestagsabgeordneten, die Bremen | |
| seit 1949 hatte, beträgt der weibliche Anteil kaum mehr als ein Sechstel. | |
| Bis 1987, als Marieluise Beck von der baden-württembergischen auf die | |
| Bremer Landesliste der Grünen wechselte, wurde Bremen in Berlin | |
| ausschließlich männlich repräsentiert. Aus diesem Sechstel ist nun eine | |
| Fünfsechstel-Mehrheit geworden. | |
| Einen wesentlichen Anteil daran hat ausgerechnet die CDU, die nach der | |
| letzten Bundestagswahl erstmals und dann gleich zwei Bremer Frauen nach | |
| Berlin schickte: Die Bankerin Bettina Hornhues, die von dem überraschenden | |
| zweiten Bremer CDU-Mandat profitierte, und Elisabeth Motschmann, die als | |
| Publizistin früher als anti-feministische Gallionsfigur galt. | |
| Hinzu kommen nach wie vor Marie-Luise Beck und die Buchhändlerin Birgit | |
| Menz, die bei der Linkspartei die erkrankte Agnes Alpers ersetzt. Der | |
| eigentlich vorgesehene männliche Nachrücker verzichtete. Menz und Hornhues | |
| müssen sich in Berlin derzeit sozusagen im Auge des Orkans bewähren: Beide | |
| sitzen im Ausschuss für digitale Infrastruktur. | |
| Die Personalrochaden im Gefolge der Bürgerschaftswahl verhelfen dem Bremer | |
| Frauenanteil in Berlin nun zu bislang ungeahnter Größenordnung. Weil Jens | |
| Böhrnsen als Bürgermeister abtritt, kommt Carsten Sieling aus Berlin | |
| zurück, wo er wiederum von der erst 32-jährigen Verbraucherschuzexpertin | |
| Sarah Ryglewski als sozialdemokratische Nachrückerin im Bundestag ersetzt | |
| wird - eine Folge der mittlerweile konsequent quotierten | |
| KandidatInnen-Listen. | |
| Wahl-Nachbewegung Nummer zwei findet wieder bei der CDU statt, diesmal | |
| allerdings in Gestalt eines Nullsummenspiels: Weil der Urnenerfolg der CDU | |
| in Bremen einigermaßen mäßig war, trotz aller Erfolgsinszenierungen am | |
| Wahlabend, und weil für Spitzenkandidatin Motschmann kein Bremer | |
| Regierungsposten in Aussicht ist, bleibt sie lieber in Berlin. | |
| Andernfalls wäre für sie Claas Rohmeyer nachgerückt - und die neue | |
| Bremen-Berliner Frauenpower schon wieder gemindert. Dabei sind Motschmann | |
| und Hornhues die ersten Bundestaglerinnen der Bremer CDU seit ihrer | |
| Gründung. Dies jedoch in einem Bundestag, der 2013 mit 36,3 Prozent den | |
| bisher höchsten Frauenanteil seiner Geschichte erreichte. | |
| Die SPD brauchte bis 1990, um mit Ilse Janz ihre erste Frau nach Berlin zu | |
| schicken, und nochmal vier Jahre länger für Karin Jöns als erster Bremer | |
| Frau im Europaparlament. Mit Frauen im Senat hat die SPD mittlerweile kein | |
| Problem mehr, was aber nicht für die Partei- und Fraktionsspitze gilt: In | |
| 66 Jahren Bremer Nachkriegsgeschichte der Partei gab es ganze fünf Jahre | |
| weibliche Führung, bei der SPD-Bürgerschaftsfraktion (seit 1900) gar keins. | |
| Daher gab es auch noch keine Regierungschefin, denn der Weg dorthin führt | |
| über den SPD-Fraktionsvorsitz. | |
| Auch aus dieser antifeministischen Fallhöhe zwischen Landes- und | |
| Bundespolitik gewinnt die jetzige Situation im Bundestag an Bedeutung. Wie | |
| könnte sie sich inhaltlich auswirken? Aus Sicht der | |
| Gleichstellungsbeauftagten Ulrike Hauffe kann die hohe Bremer Frauenquote | |
| im Parlament bei Fragen fruchtbar werden, „die zum einen besondere | |
| Sensibilität aus weiblicher Sicht erfordern und zudem hohe lokale Relevanz | |
| haben.“ | |
| Beispiele seien das Prostitutionsschutzgesetz, das im Herbst in den | |
| Bundestag kommt, oder die Zuteilung von Haushaltsmitteln für die Versorgung | |
| schwer traumatisierter weiblicher Flüchtlinge. | |
| Marieluise Beck, die Pionierin, freut sich über die neuen Bremer Frauen an | |
| ihrer Seite, erwartet aber nicht das Entstehen einer politischen | |
| Pressure-Group. Sachfragen würden primär entlang der Fraktionsgrenzen | |
| entschieden: „Mir geht es um schlichte Normalität, um unser Recht auf | |
| politische Differenz.“ | |
| 14 Jun 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Henning Bleyl | |
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