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# taz.de -- Koalition in NRW und Schleswig-Holstein: Besser mit oder ohne Grün…
> In Schleswig-Holstein regiert Jamaika. In NRW verzichtet man auf die
> Grünen. Die Ziele der Koalitionen im Vergleich.
Bild: Wieviel Grün macht den Unterschied?
In Nordrhein-Westfalen soll CDU-Landesparteichef Armin Laschet am
Dienstagnachmittag zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Künftig wird in
Düsseldorf dann wieder Schwarz-Gelb regieren, ein klassisches Bündnis, das
es schon viele Male auf Länder- und Bundesebene gab.
In Schleswig-Holstein werden am Dienstag die Koalitionsverträge
unterzeichnet. CDU-Mann Daniel Günther wird dann eine Jamaika-Koalition
anführen – ein Bündnis bestehend aus CDU, Grünen und FDP. Diese Kombination
gab es erst einmal – 2009 bis 2012 im Saarland.
Worin liegen die Unterschiede zwischen Jamaika im Norden und Schwarz-Gelb
im Westen?
► Bildung: Rolle rückwärts in der Schulpolitik
Nach dem Ja der Grünen zum Koalitionsvertrag mit CDU und FDP in
Schleswig-Holstein soll die Landesregierung in Kiel am Mittwoch gebildet
werden. Schon am Dienstag tritt die CDU-FDP-Regierung in Düsseldorf an. In
beiden Bundesländern beginnt damit auch die Rückabwicklung eines einstigen
Vorzeigeprojekts von CDU und FDP: Das Abitur nach acht Jahren
weiterführender Schule (G8) wird flächendeckend zurückgefahren. Im
Regelfall kehren die Gymnasien zum Abi nach neun Jahren (G9) zurück. Grund
dafür sind eindeutige Umfragen: Der „überwiegende Teil der Schüler- und
Elternschaft“ favorisiere nun einmal G9, heißt es im Düsseldorfer
Koalitionsvertrag lakonisch. Einzelne Gymnasien sollen aber weiter das Abi
nach acht Jahren anbieten dürfen. In Nordrhein-Westfalen bestehen bleibt
dagegen das gegliederte Schulsystem mit Haupt- und Realschulen – zumindest
auf dem Papier betonen CDU und FDP, „berufliche und akademische Bildung“
seien „gleichwertig“. Sie lehnen „die unnötige Akademisierung von
klassischen Ausbildungsberufen ab“. Studiengebühren sollen für Menschen aus
Nicht-EU-Ländern fällig werden.
Auch in Schleswig-Holstein lautete die große Streitfrage im Wahlkampf:
Abitur nach acht oder neun Jahren? Die SPD-geführte Küstenkoalition
plädierte für den Status quo, wonach Gemeinschaftsschulen G9 anbieten,
Gymnasien G8. Neu zum Schuljahr 2019/2020: Einmalig dürfen dann die Schulen
entscheiden, ob sie das „Langsam-Abi“ G9 wieder anbieten wollen oder beim
„Turbo-Abi“ G8 verbleiben. Auf die Kernfächer Informatik und digitale
Bildung soll künftig mehr Wert gelegt werden. Ab der 3. Klasse soll es
wieder standardisierte Notenzeugnisse geben. Ob die Kinder auf Gymnasium
oder Gemeinschaftsschule wechseln, entscheiden aber die Eltern. Studierende
dürfen auf bessere Bedingungen hoffen: Mit 100 Millionen Euro sollen die
Hochschulen saniert werden.
## ► Innere Sicherheit: Mehr Polizei auf der Straße
Um das Sicherheitsgefühl der BürgerInnen zu verbessern, wollen
Nordrhein-Westfalens designierter CDU-Ministerpräsident Armin Laschet und
FDP-Parteichef Christian Lindner mehr Polizisten auf der Straße sehen: Wie
zuvor Rot-Grün verspricht auch Schwarz-Gelb die Einstellung von jährlich
2.300 KommissaranwärterInnen, dazu jährlich 500 neue
PolizeiverwaltungsassistentInnen. Auf Druck Laschets eingeführt wird auch
eine Art „Schleierfahndung light“ – BürgerInnen dürfen künftig
verdachtsunabhängig kontrolliert werden. Immerhin muss es dazu einen Anlass
geben, etwa eine laufende Fahndung nach Kriminellen. Bei „Intensivtätern
aus Nordafrika“, in denen viele Ermittler die Hauptverantwortlichen für die
sexuellen Übergriffe auf Frauen in der Kölner Silvesternacht sehen, gibt
sich Schwarz-Gelb hart: Sie sollen, so weit möglich, schnell in ihre
Herkunftsländer abgeschoben werden. Gegen „terroristische Gefährder“ soll
die elektronische Fußfessel zum Einsatz kommen. Aufgehoben wird dagegen die
Kennzeichnungspflicht für Polizisten.
Eine leistungsfähige Polizei sei Grundvoraussetzung für die Sicherheit im
Staat, heißt es auch im Koalitionsvertrag von CDU, FDP und Grünen in
Schleswig-Holstein. Konkret will das Jamaika-Bündnis bis 2023 jährlich 400
PolizistInnen ausbilden lassen. 2022 sollen 500 neue Stellen bei der
Polizei zusätzlich besetzt sein. Wofür die Koalition dabei auch sorgen
will: „Die Förderung von Frauen in Führungspositionen soll durch
konsequente entsprechende Personalentwicklung und die Unterstützung von
Führung in Teilzeitangebote vorangetrieben werden“, heißt es.
Zudem wolle man dafür sorgen, dass sich die Vielfalt der Gesellschaft bei
der Polizei widerspiegele; neben Frauen sollen deshalb gezielt Menschen mit
Migrationshintergrund gefördert werden. In NRW hingegen lehnt Schwarz-Gelb
eine feste Frauenquote ab.
► Wirtschaft: Industrie und Internet
Nordrhein-Westfalen sei die siebtgrößte Volkswirtschaft der Europäischen
Union, werde aber durch „bürokratische Hürden“ gefesselt, klagt
Schwarz-Gelb in Düsseldorf. CDU und FDP versprechen deshalb schnellere
Entscheidungen durch Entbürokratisierung. Mit einer neuen
„Digitalstrategie“ sollen 7 Milliarden Euro in den Ausbau „gigabitfähige…
Netze fließen. Gefördert werden sollen so „Nano-“, „Mikro-“, „Bio-�…
„Informationstechnologien“. Gleichzeitig bekennt sich Schwarz-Gelb zur
alten Industrie als „Rückgrat“ der nordrhein-westfälischen Wirtschaft: Die
Interessen des Standorts sollen „wahrnehmbar und mit Nachdruck gegenüber
dem Bund und der Europäischen Union vertreten“ werden. Gern hören dürfte
das etwa die Stahlindustrie, die über teure CO2-Verschmutzungsrechte klagt.
Außerdem versprechen CDU und FDP die Schaffung einer „Chemieregion
Rheinland-Flandern“ – und die brauche „Rohrfernleitungen“.
Bürgerinitiativen gegen den Bau von Pipelines für geruchloses, aber
tödliches Kohlenmonoxid dürften damit einen schweren Stand haben.
„Ein Grundeinkommen wollen wir regierungsseitig entwickeln und in
Schleswig-Holstein als Modellregion erproben“, kündigt dagegen der grüne
Vizeministerpräsident Robert Habeck in Kiel an. Zur Wahl steht das von den
Grünen favorisierte bedingungslose Grundeinkommen oder das von der FDP
bevorzugte „liberale Bürgergeld“. Letzteres würde mit Bedingungen
verknüpft, etwa einer Arbeitsbereitschaft des Empfängers. Fix ist, dass die
Koalition die Sonntagsöffnungszeiten ausweiten will (derzeit darf an vier
Sonntagen im Jahr verkauft werden) und den Weg zum
„mittelstandsfreundlichsten“ Bundesland einschlagen möchte. Ein
„Mittelstandsbeirat“ soll künftig dem Wirtschaftsministerium angehören, wo
verstärkt Themen wie Bürokratieabbau, Erleichterung des Vergaberechts,
Ausbau der Infrastruktur/Digitalisierung oder Probleme der
Unternehmensnachfolge erörtert werden.
► Umwelt: Weniger Windenergie
In Nordrhein-Westfalen will Schwarz-Gelb den Landesentwicklungsplan, der
die Zersiedelung der Landschaft stoppen soll, „wachstumsfreundlicher“
gestalten. Ziel ist jetzt die „schnelle Verfügbarkeit von Siedlungs- und
Wirtschaftsflächen“ – dabei wird in NRW jeden Tag die Fläche von sieben
Fußballfeldern zubetoniert. Gleichzeitig bekennen sich CDU und FDP zum
Klimakiller Braunkohle: Die Verbrennung von Kohle und Gas halten sie für
auf „absehbare Zeit unverzichtbar“. Zudem soll die verfügbare Fläche für
Windräder durch neue Mindestabstände zur Wohnbebauung um 80 Prozent
verkleinert werden.
Auch in Schleswig-Holstein möchte die Jamaika-Koalition die Abstände
zwischen Windrädern und Häusern vergrößern. Aber an der eingeschlagenen
Energiewende, für die das Land zwei Prozent der Landesfläche für Windräder
einplant, soll sich nichts ändern. Bis 2025 will es durch Windenergie eine
Leistung von 10 Gigawatt erzeugen. Für den Transport des durch Wind
erzeugten Stroms nimmt die Koalition Gespräche mit den Betreiberfirmen
„TenneT“ und „50Hertz“ auf. Vorangetrieben werden soll die Forschung in…
Bereichen Energieeffizienz, Energieeinsparung, Speichermodelle und die
Nutzung von erneuerbarem Strom in anderen Energiesektoren (Wärme,
Mobilität, Industrie).
► Verkehr: Vorfahrt fürs Auto
„Ideologiefrei“ wollen sich CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen in der
Verkehrspolitik präsentieren: JedeR soll selbst entscheiden, welches
Verkehrsmittel benutzt wird. Es sollen mehr Straßen gebaut und schneller
fertiggestellt werden, auch mit hoch zu verzinsendem privaten Kapital.
Diesel-Fahrverbote in den Innenstädten lehnen beide Parteien ab. Vorsichtig
gefördert werden soll auch die Bahn: Die Strecke zwischen dem Ruhrgebiet
und Münster soll zweigleisig, die zwischen Köln und Laschets Heimatstadt
Aachen dreigleisig ausgebaut werden. Auch Radwege will die Koalition
ausbauen und sanieren – in welchem Umfang und mit wie viel Geld, wird nicht
gesagt.
In Schleswig-Holstein bekennt sich Jamaika zum Tunnel unter dem
Fehmarnbelt, der künftig Dänemark und Deutschland verbinden soll, ebenso
wie zum Weiterbau der A20. Für die Sanierung von Landesstraßen werden 120
Millionen Euro bereitgestellt; 10 Millionen Euro in den Ausbau von Radwegen
gesteckt, 10 Millionen in E-Mobilität, 10 Millionen in Hafeninfrastruktur.
40 Millionen erhält der öffentliche Nahverkehr, „der für Kunden attraktiver
gestaltet werden soll“. Ein gültiges Semesterticket wird angestrebt, das
landesweit gültig sein soll und im besten Fall neben Studierenden auch
SchülerInnen, Azubis und FSJler mit einschließt.
27 Jun 2017
## AUTOREN
David Joram
Andreas Wyputta
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