# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Ökotrulla! Großkotz! Peng. | |
> Die Meisten kennen gar keine FDP-Wähler. Jedenfalls keine, die es | |
> zugeben. Darf man sich als Ökosozialer für die FDP interessieren – oder | |
> muss man? | |
Bild: FDP-Politiker Christian Lindner | |
Gerade tritt eine super Frau an meinen Schreibtisch, sieht da so ein | |
gelb-blaues Ding liegen und sagt barsch: „Was ist das?“ | |
„Das ist ein Presseausweis vom Parteitag“, sage ich. | |
„Wirf das sofort weg“, sagt die Frau mit Ekel im Blick. | |
„Das ist mein Beruf“, sage ich, „ich gehe zu politischen Veranstaltungen.… | |
Worauf sie knurrt: „Aber doch nicht zur FDP.“ | |
„Die FDP ist ein Teil des demokratischen Parteienspektrums“, sage ich | |
sachlich, „außerdem interessiere ich mich für Christian Lindner.“ | |
„Das wird ja immer schöner“, sagt die Frau, deren Anonymität ich | |
selbstverständlich schütze. „Hätte ich das gewusst, hätte ich dich nicht | |
geheiratet.“ | |
Und das ist interessant und begegnet mir jetzt ständig: Wer sich mit | |
Liberalen beschäftigt, macht sich in „linksliberalen“ Milieus verdächtig. | |
Tenor: Sowas tut man nicht. Sich für Kretschmann und Macron interessieren, | |
schlimm genug. Aber jetzt auch noch Lindner? | |
## Die unbekannte FDP | |
Die meisten kennen gar keine FDP-Wähler. Jedenfalls keine, die es zugeben. | |
Sonst wären die ja nicht mehr im Freundeskreis. Aber sie wissen genau, wie | |
die sind. Arrogant. Besserverdiener. SUV-Fahrer. Privat versichert. | |
Neoliberal. Sozial eiskalt. Brrrr. Das Bild des | |
schneidig-besserwisserischen Guido Westerwelle ist in ihren Herzen | |
eingefroren. | |
„Booah, war der unangenehm“, sagen sie. | |
Er war wirklich sehr unangenehm. Eine Spiegelung unserer selbst. | |
Wir waren die moralistisch-besserwisserischen Ökosozialfuzzis, die alles | |
verhindert haben – außer Allgender-Klos. | |
All das steht als Chiffre im Raum, vermute ich, wenn FDP und Grüne eine | |
gemeinsame Koalition verhandeln, wie das in [1][Schleswig-Holstein] | |
geschieht. Irgendwann kommen die Vorurteile hoch – oder bestätigen sich an | |
bestimmten Punkten als wahr. Wie diese Woche in Kiel. Und dann wollen die | |
einen aufräumen mit der ganzen versifften Verhinderungspolitik der letzten | |
Jahre. Und die anderen können sich kein neoliberales Scheißpapier gefallen | |
lassen. Was für eine Ökotrulla! Was für ein Großkotz! Peng. | |
## Die Sache mit dem Grundvertrauen | |
Woraus folgt? Zunächst mal die Frage, wie FDP-Chef Lindner und sein Vize | |
Wolfgang Kubicki diese Regierungsfrage in ihre Bundestagswahlstrategie | |
einbinden. Könnte ja sein, dass die FDP angesichts der nicht zu | |
vermeidenden Koalition mit der CDU in NRW ihren strikten Inhaltismus – ein | |
zentrales Versprechen Lindners – in Schleswig-Holstein exekutieren will mit | |
einem starken: So nicht mit uns! | |
Zu sagen, das „Grundvertrauen“ in eine Koalition mit Grünen sei | |
erschüttert, weil die ein Papier zur Verkehrspolitik aus einem künftigen | |
FDP-Ministerium nicht durchwinken, ist jedenfalls intellektuell | |
indiskutabel. Denn dieses Grundvertrauen gibt es ja eben noch nicht. Es | |
muss in Kiel in den nächsten Monaten begründet werden. | |
Dafür muss man erst mal von dem einzigen positiven Vorurteil Abschied | |
nehmen. Es lautet, dass sich FDP und Grüne wunderbar in ihrem Liberalismus | |
bei den „Bürgerrechten“ treffen. Während also in den Welt-Leitartikeln | |
davon geträumt wird, man könne unter der gemeinsamen Flagge der | |
Bürgerrechte liberal durchwirtschaften, denken die modernen Grünen, sie | |
könnten damit das Land sozialökologisch umgestalten. | |
So läuft das nicht. Es reicht auch nicht mehr, sich seine Vorurteile zu | |
bestätigen. Selbst wenn sie stimmen. Die FDP muss akzeptieren, dass die | |
Grünen ökosozial sind. Und die Grünen müssen damit umgehen, dass die | |
Liberalen liberal sind. Und nicht Bindestrich-liberal. Und dann muss man | |
was draus machen. | |
Hart. Aber sonst grüßt das Murmeltier namens CDU-SPD. | |
10 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Koalitionsverhandlungen/!5411569 | |
## AUTOREN | |
Peter Unfried | |
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