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# taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Links, linker, grün
> Würde, würde, Fünf-Prozent-Hürde. Sind die Grünen womöglich die
> solidarischste Gerechtigkeitspartei – und wissen es selbst nicht?
Bild: Wie piefig: Die Grünen ätzen gegen Porsche
Eine Lieblingsbeschäftigung sozialdemokratischer, sozialistischer und auch
grüner Politiker ist es, Grünen zu sagen, sie seien nicht „links“.
Saturierte Globalisierungsgewinner, die sich einen Dreck um die Verlierer
scheren. Anders als wir tollen Genossinnen und Genossen. Wobei der Marxist
den Sozialdemokraten seit über hundert Jahren auch nicht mehr als „links“
versteht, sondern als Judas, der die Verdammten an den sogenannten
Neoliberalismus verkauft hat.
In der Soap „Oskar and Sahra Crazy in Love“ ist das so etwas wie der böse
Schleim in Gruselfilmen. Und beide verstehen nicht, dass es das „links“ der
Vorglobalisierung und Vordigitalisierung nicht mehr gibt – oder nur mit
Protektionismus, wie Trump das ja auch probiert. Aber jetzt kommt die
Megaüberraschung: Im modernen Sinne sind die Grünen die Allerlinkesten.
Nach zeitgenössischen Politiktheorien gibt es ja eine Alte Linke und eine
Neue Linke. Erstere ist für Solidarität mit Globalisierungsverlierern
(früher: mit Arbeitern) zuständig, Zweitere für Solidarität mit
emanzipatorisch benachteiligten Gruppen (Einwanderern, Frauen,
Homosexuellen). Die beiden Linken sind nicht selbstverständlich Verbündete.
Die Solidaritätspolitik der Neuen wird von Teilen der Alten Linken als
ökonomische Entsolidarisierung und kulturelle Verhöhnung erfahren. Folge:
Linkspartei, AfD, Front National, Mélenchon.
Die Grünen haben hart dafür gearbeitet, dass ihnen nicht nur die Verlierer
der Globalisierung, sondern viele gesellschaftliche Gruppen jenseits von
Baden-Württemberg nicht trauen. Meine These: Das liegt nicht primär an
ihrer Sozialpolitik, sondern an ihrer „Methode“, wie der frühere Parteichef
Lukas Beckmann den Habitus nennt, den die anderen als Kultur- oder
Moralimperialismus erfahren.
Dagegen steht Beckmanns „dialogischer Ansatz“, der in Baden-Württemberg
und Schleswig-Holstein grüne Politik hegemonial macht, weil sie
Minderheiten und Mehrheiten zusammendenkt. Das setzt aber Akzeptanz
kultureller und sexueller Vielfalt voraus, dass also auch Fischer-Fans
(Joschka, Helene), Aldi-Fleischkäufer oder heterosexuelle Männer als
Menschen okay sind und zur res publica gehören.
## Kampagne gegen Porsche-Fahrer
Aber was passiert diese Woche? Die Gräben in Europa und der Welt werden
immer tiefer – und die grüne Bundesgeschäftsstelle startet eine unfassbar
piefige [1][Retroressentimentkampagne gegen Porsche-Fahrer und die FDP].
Sie sind schon kleinstgeschrumpft und kläffen sich noch kleiner. Aber
warum?
Das ist deshalb etwas irritierend, weil die Grünen im Gegensatz zu den
Sozialdemokraten von Union und SPD ja noch eine dritte Solidarität
politisch bearbeiten, ohne die es überhaupt keinen linken
Gerechtigkeitsbegriff mehr geben kann. Das ist die Solidarität ohne Grenzen
von Raum und Zeit, also mit der Weltgesellschaft und mit ihren und unseren
Nachfahren. (Was nicht heißt, dass man die EU-Grenzen abschafft.)
Der Green New Deal müsste aus grüner Sicht das zentrale
Gerechtigkeitsinstrument des 21. Jahrhunderts sein. Sozialökologisch
wirtschaften heißt ganz simpel: Ausbeutung darf sich nicht mehr lohnen. Das
ist radikal neue Politik für ein globales Mitte-unten. Für alte, neue und
grenzenlose Linke. Das würde ich denen sagen, deren Denken immer noch um
eine „andere“ SPD kreist (mit Supermindestlohn im Kohlebergbau). Denen, die
zur Linkspartei wechselten. Und denen, die zur AfD tendieren.
Würde, würde, Fünf-Prozent-Hürde. Die Bundes-Grünen haben derzeit nur noch
ihren Staatsmann Cem Özdemir. Sie kennen ihren gesamtgesellschaftlichen
Gerechtigkeitskern nicht oder trauen ihm nichts zu. Sie haben keine Sprache
für die Gegenwart, sondern taumeln zwischen Nena-Teeniepoesie und altgrünem
Echograbkammer-Bitchen. Verstehen sie nicht, was auf dem Spiel steht?
15 Jul 2017
## LINKS
[1] https://twitter.com/hashtag/lindnersprueche?src=hash
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
Grüne
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FDP
Porsche
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Thomas Tuchel
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