| # taz.de -- Kolumne Die eine Frage: Zukunft wird aus Neuem gemacht | |
| > Wie machen Grüne die Welt wirklich besser? Lukas Beckmann, ein | |
| > Protagonist aus der Zeit der Parteigründung, hat die Antwort. | |
| Bild: Bundesparteitag der Grünen, 2017 | |
| Die mit Abstand beste Grüne Parteitagsrede der letzten Tage hat Lukas | |
| Beckmann gehalten. Er ist einer der wichtigsten Gründerfiguren der Grünen | |
| und war zu Nenas Zeiten Vorsitzender und Geschäftsführer. | |
| Ja, Cem Özdemir war beim Berliner Parteitag nicht nur sehr gut inszeniert, | |
| sondern auch inhaltlich vorn dran mit seinem macronesken Europa-Denken und | |
| seiner radikalen innen- und außenpolitischen Realitätsbereitschaft. Daneben | |
| gab es eine ordentliche Darstellung von Geschlossenheit. Es gab aber auch | |
| die Grüne Dreifaltigkeit aus Welt-besser-machen-Gefasel, | |
| Wir-sind-die-Allertollsten-Chauvinismus und identitätsstabilisierenden | |
| Feindschmähungen (Trump, Lindner, Palmer). Eine häufige Betonung „roter | |
| Linien“, die man nicht überschreite, um damit die eigenen Truppen moralisch | |
| zu stärken und die Restwähler zu retten. Ach ja, und Anton Hofreiter hat | |
| wieder schön rumgeschrien. | |
| Lukas Beckmann, 66, hat als Gast beim Parteitag der | |
| Schleswig-Holstein-Grünen den wichtigsten und in Berlin fehlenden Gedanken | |
| hinzugefügt. Die Entwicklungs- und Regierungsgeschichte dieses | |
| Landesverbandes, sagte Beckmann in Neumünster, sei „ein kulturpolitischer | |
| Erfolg, der Grünes Verständnis von Politikmachen verändert.“ (Die ganze | |
| Rede gibt es bei [1][Youtube]) | |
| ## Der dialogische Ansatz | |
| Was heißt das? Ich rief ihn an. Er ist überzeugt, dass die Grünen „die | |
| wesentlichen historischen Fragen verkörpern“. Er fand den Bundesparteitag | |
| gut, Aufgabenstellung und gemeinsamer Wille seien klar geworden, aber das | |
| dritte fehle: Die Methode, um politisch wirken zu können. Sie heißt für ihn | |
| „dialogischer Ansatz“ und den hat er in Schleswig-Holstein gefunden, wo die | |
| Grünen aus der Regierung heraus gegen den Bundestrend die Wahl mit 12,9 | |
| Prozent gewonnen haben und nun selbstbewusst in eine neue Koalition gehen, | |
| diesmal mit CDU und FDP. | |
| „Ohne einen stärker dialogischen Ansatz kommen wir nicht weiter“, sagt | |
| Beckmann. Finanzministerin Monika Heinold, Energiewende- und künftig auch | |
| Digitalisierungsminister Robert Habeck und die anderen sieht er als | |
| politische Protagonisten eines „öffnenden Diskurses“, der „nicht Grundla… | |
| über Bord wirft“, aber Politik von den „Aufgaben“ her definiere. Der | |
| bewusst nicht a priori auf die Überlegenheit eines eigenen Textes besteht, | |
| den er mit „rote Linien“ gegen Feinde schützt. | |
| „Leonardo wusste nicht, dass Mona Lisa am Ende lächeln würde“, sagte | |
| Beckmann in Neumünster. Soll heißen: Gestaltungsprozesse leben von | |
| Freiheit, Unabhängigkeit und von Dialog mit anderen demokratischen | |
| Parteien. „Von dem Selbstbewusstsein, sich auf andere Linien einzulassen | |
| und die Angst zu überwinden, so dass man auf rote Linien verzichten kann“, | |
| sagt Beckmann. Und er sagt auch: „Was wir nicht tun, liegt genauso in | |
| unserer Verantwortung, wie was wir tun“ | |
| Deswegen sind Wutreden oder gar Moral-Selfies an Donald Trump bestenfalls | |
| alberne Selbstbestätigungsdiskurse. Sie lösen weder das methodische | |
| Defizit, noch machen sie die Welt besser. | |
| Der oppositionelle Radikalismus-Gedanke ist so was von am Ende. Rettung | |
| bringt nur der radikale Bruch damit und die intellektuell-emotionale | |
| Fähigkeit, diesen durchzusetzen. Die vielbeschworene „Eigenständigkeit“ | |
| meint weder eine eigene Welt noch Beliebigkeit. Sie ist die Souveränität | |
| derer, die wissen, dass sie selbst was auf dem Kasten haben. Die darauf | |
| bauen (müssen), dass das bei anderen auch so ist. Die gerade mit denen in | |
| einen Dialog gehen, die an der Demokratie zweifeln. Und die bereit sind, | |
| daraus gemeinsam etwas zu entwickeln. | |
| Aus dieser neuen politischen Kultur wird Zukunft gemacht. | |
| 24 Jun 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.youtube.com/watch?v=jz70lO3cL64 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Unfried | |
| ## TAGS | |
| Cem Özdemir | |
| Zukunft | |
| Anton Hofreiter | |
| Bündnis 90/Die Grünen | |
| Christian Lindner | |
| FDP | |
| Wolfgang Kubicki | |
| Grüne Schleswig-Holstein | |
| Jamaika-Koalition | |
| Thomas Tuchel | |
| FDP | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Die eine Frage: Wen kann ICH noch wählen? | |
| Die einen tendieren zu „Frau Merkel“, die zweiten zu Lindner von der FDP | |
| und die dritten zu sich selbst. Eine aktuelle Wähleranalyse. | |
| Kolumne Die eine Frage: Links, linker, grün | |
| Würde, würde, Fünf-Prozent-Hürde. Sind die Grünen womöglich die | |
| solidarischste Gerechtigkeitspartei – und wissen es selbst nicht? | |
| Bedingungsloses Schleswig-Holstein: Kommunismus mit Kubicki? | |
| Die Jamaika-Koalitionäre einigen sich darauf, die Idee eines | |
| Grundeinkommens zu prüfen. Dabei stehen Konzepte von Grünen und FDP zur | |
| Debatte. | |
| Kommentar Jamaika in Schleswig-Holstein: Heiraten tut nicht weh | |
| Es steckt viel Grün im Jamaika-Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein. | |
| Auch die CDU kann nicht klagen. Paradiesisch wird es trotzdem nicht. | |
| Kolumne Die eine Frage: Ökotrulla! Großkotz! Peng. | |
| Die Meisten kennen gar keine FDP-Wähler. Jedenfalls keine, die es zugeben. | |
| Darf man sich als Ökosozialer für die FDP interessieren – oder muss man? | |
| Kolumne Die eine Frage: Thomas Tuchel, komm zu uns! | |
| Der „Müsli-Nerd us dem Schwabenland“: Warum werden Genies in Deutschland | |
| krankhaft als Soziopathen denunziert? | |
| Kolumne Die eine Frage: „Du bist blöd“ | |
| Die Grünen finden die FDP „neoliberal“. Die FDP findet die Grünen doof, | |
| weil die immer alles verbieten wollen. Doch wem nützt der gegenseitige | |
| Hass? |