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# taz.de -- Essay Europas Rechtspopulisten: Fürchtet euch nicht!
> Ob mit rechter Anpassungsrhetorik oder linksliberaler Gegenstrategie – es
> gibt einen Weg, die Rechtspopulisten in Europa aufzuhalten.
Bild: Erfolgreich und sympathisch: Anhänger*Innen der linken Senkrechtstarter-…
Noch vor ein, zwei Monaten hatte es so ausgesehen, als wäre Geert Wilders,
dem niederländischen Trump, der Wahlsieg nicht zu nehmen. Aber dann drehte
sich die Stimmung im Land.
Das zeigt: Die Demokraten und Proeuropäer können durchaus selbstbewusst
sein, man muss nicht wie das Kaninchen auf die Schlange auf die
Rechtspopulisten starren. Sie sind besiegbar. Und sie haben, wenn es dann
darauf ankommt, in den meisten westeuropäischen Ländern keine Mehrheit.
Keine absolute, und auch keine relative Mehrheit.
Das ist jetzt schon das zweite Exempel dieser Art innerhalb weniger Monate:
In Österreich gewann Alexander van der Bellen, der ehemalige grüne
Parteichef, die Stichwahl um die Präsidentschaft letztendlich überraschend
deutlich mit 54:46 Prozent gegen seinen Rivalen Norbert Hofer von der
rechtsradikalen FPÖ.
Und obwohl die FPÖ seit gut zwei Jahren in allen Umfragen vorn liegt,
dürfte sie wohl kaum den ersten Platz schaffen, wären am nächsten Sonntag
Parlamentswahlen. Ihr Vorsprung ist empfindlich zusammengeschrumpft.
Auch aus Frankreich werden bemerkenswerte Trends berichtet: Es ist eher
unwahrscheinlich, dass das Worst Case Szenario eintritt, ein Wahlsieg von
Marine Le Pen nämlich. Zwar läge die Frontfrau der Rechtsradikalen
möglicherweise in der ersten Runde knapp auf Platz eins, aber in Runde zwei
würde der unabhängige Sozialliberale Emmanuel Macron mit nahezu einer
Zweidrittelmehrheit gegen die Front-National-Chefin gewinnen.
## Schulz-Hype
Und in Deutschland? Da hat der Schulz-Hype bisher dazu geführt, dass Union
und Sozialdemokraten gemeinsam bei mehr als 65 Prozent rangieren. Für den
Rest der Parteienlandschaft bleibt da nicht viel übrig, auch die AfD kommt
in den Umfragen gegenwärtig auf zwischen 7 und 10 Prozent.
Gewiss, das sind jetzt einmal Umfragen, die Stimmungsbilder zeichnen, die
sich recht schnell wieder ändern können.
Dennoch: Nach dem Brexit-Votum und dem Trump-Schock geht es nun zumindest
teilweise in die andere Richtung. Die Lust des Elektorats nach
rechtspopulistischen Abenteuern hat ganz spürbar abgenommen, nachdem ein
offenbar verhaltensauffälliger US-Präsident täglich vor Augen führt, dass
irrlichterndes Rechtsregieren dann doch etwas Beunruhigendes hat. Vor allem
aber ist der linke, liberale, weltoffene, proeuropäisches Teil des
Elektorats aufgewacht.
Die Gefahr von rechts treibt die Wahlbeteiligung auf der anderen Seite
hoch. Das war schon bei Österreichs Präsidentschaftswahl so, das war jetzt
auch in den Niederlanden so. Während die Rechtspopulisten Schwierigkeiten
haben, ihr Potenzial zu den Urnen zu bekommen, erreicht die Linke und die
gemäßigte Mitte in ihrem Milieu heute Wahlbeteiligungsquoten von nahezu 100
Prozent.
Man könnte beinahe frohlocken und Loblieder darauf singen, wie die „offene
Gesellschaft“ gerade verteidigt wird. Bei genauerer Betrachtung gibt es
aber ein paar Kleckse auf dem hellen Bild.
## Zwei Gegenmodelle
Die große Frage, die die demokratischen Parteien beinahe überall zerreißt,
ist, wie der Rechtspopulismus denn bekämpft werden solle. In Österreich
präsentierte der Ex-Grüne van der Bellen als klares proeuropäisches,
weltoffenes, menschenrechtlich orientiertes Gegenmodell zu seinem
Rechtsrivalen – und gewann.
Mark Rutte, der rechtsliberale Premier in den Niederlanden, verfolgte exakt
das Gegenmodell: Er rückte scharf nach rechts, bekundete, „niederländische
Interessen kommen für mich zuerst“, antieuropäische Ressentiments umgarnte
er und der xenophoben Stimmung im Land gab er Zucker: „Wer unsere Werte
nicht teilt, soll gehen“, inserierte Rutte. Und auch er gewann mit dieser
Strategie, jedenfalls in dem Sinn, dass Wilders bei den Wahlen klein
gehalten wurde und über 13 Prozent kaum hinauskam.
Macron in Frankreich wiederum setzt auf die Gegenstrategie – nicht wackeln,
zum Kristallisationspunkt für alle Kräfte jenseits der radikalen Rechten im
Land werden.
Nun kann man den sozial-liberalen Heroismus des entschiedenen
Dagegenhaltens für sympathischer, die Anbiederung an das rechte Narrativ
für unsympathischer halten.
Darüber hinaus kann man auch noch die Frage stellen, was eigentlich die
Anforderung der Stunde ist? Das rechte Agenda-Setting auch noch stärken,
indem man ihre Thematiken übernimmt, ist nicht sonderlich empfehlenswert,
sagen die einen. Wenn in der Migrationspolitik eine liberale, humanitäre
Haltung absolut nicht mehr mehrheitsfähig ist, dann wäre es sträflich dumm,
diese Tatsache zu ignorieren, sagen die anderen.
## Kein Königsweg
Es ist, unter rein wahltaktischen Gesichtspunkten, nicht von vornherein
klar, welches der beiden Argumente das richtigere ist – oder das weniger
falsche.
Und beide Strategien haben nun Erfolgsbeispiele, auf die sie verweisen
können, und natürlich gibt es zwischen beiden auch eine Art Mittelweg.
Eines sollte man jedenfalls nicht übersehen: Auch wenn der Aufstieg des
Rechtspopulismus gerade eingebremst ist, gibt es weder Einigkeit noch einen
Königsweg hinsichtlich der Frage, wie er am besten gestoppt wird.
Ruttes Sieg wirft so gesehen auch Fragen auf: In einem Wahlkampf, der zwei
Monate dauert, wird man ein verfestigtes Meinungsklima nicht verändern –
sondern sich eher an dieses anpassen. Zugleich ist die Anpassung extrem
riskant – weil man Gefahr läuft, die eigenen Wähler zu demotivieren.
Flirten mit rechten Positionen ist wohl für Mitte-rechts-Parteien leichter
als für Mitte-links-Parteien, weil Letztere damit ihr eigenes Wählermilieu
eher verärgern als konservative Parteien.
Die Auseinandersetzung über Fragen wie diese haben wir heute in allen
großen demokratischen Parteien, jedenfalls in jenen, die mehr als nur eine
Nischenexistenz führen wollen. Aber eines sollte klar sein: Es ist der
Enthusiasmus der Demokraten, der Liberalen, die die „offene Gesellschaft“
verteidigen, insbesondere auch der jungen Leute, die den wesentlichen
Beitrag dazu leisten, den Aufstieg der Rechten zu stoppen.
16 Mar 2017
## AUTOREN
Robert Misik
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